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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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18. Heft
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Stiehler, Arthur: Julius Kraut
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Bethusy-Huc, Valeska: Wanderndes Volk, [4]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0435

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MODERNE KUNST.

283

Wanderndes Volk.

(VAS C£9 ^*

Roman von Moritz von Reichenbach.

(Valeska Gräfin Bethusy-Huc.)

[Fortsetzung.] ' ' ' [Nachdruck verboten.]

VII.

in paar Tage später machte Kurd Stoiting der Gräfin Holkwitz einen Besuch,
um die Damen zu fragen, ob es sie interessieren würde, einmal ein grosses
Atelierfest mitzumachen, das einer seiner Bekannten gäbe? Er nannte
den Namen eines der bekanntesten Berliner Künstler, und Jutta sass mit
leuchtenden, verlangenden Augen dabei, während die Gräfin ihre Bedenken
darüber äusserte, ein Fest bei Menschen mitzumachen, die sie nie gesehen hatte.

„Die Frau meines Kollegen empfängt jeden Montag Nachmittag", sagte
Kurd Stoiting, „wenn Sie nur gestatten wollten, Sie dort einzuführen — sie
würde Ihnen gefallen, sie ist eine geborene Baronin Mendorf".

„Wie, eine Mendorf? Von den pommerschen Mendorfs?" fragte die Gräfin,
während Jutta rief: „Denke doch, Mama, wie interessant das wäre, in das Haus
von Gotthard Bär zu kommen — der den wunderschönen Brunnen mit den
Nymphen und das prächtige Bismarckdenkmal gemacht hat, die wir in der
letzten Ausstellung so sehr bewunderten!"

Stoiting lächelte fein, er wusste, dass weder der Brunnen noch das Denkmal,
wohl aber die pommerschen Mendorfs bei der Gräfin die Entscheidung zu
Gunsten seines Vorschlages herbeiführen würden. Und so war es. Es wurde
beschlossen, dass Stoiting die beiden Damen am Montag in das gastfreie Haus
Gotthard Bärs einführen würde.

Als Stoiting fort war, umarmte Jutta ihre Mutter stürmisch: „Liebes einziges
Ma'chen, das ist zu reizend von Dir, dass Du mir diese Freude machen willst,
denn Du thust es meinetwegen, das weiss ich, aber ich bin Dir auch so dank-
bar, Gotthard Bärs Schöpfungen interessieren mich so sehr, und ich wünsche es
mir eigentlich brennend einmal in die hiesigen Künstlerkreise zu kommen!"

Die Gräfin strich mit ihrer kühlen Hand über die heisse Stirn ihrer Tochter.
„Du bist doch noch ein rechter Backfisch, für den alles Neue ein riesiges
Interesse hat, aber ich will Dir gern den Gefallen thun, meine Kleine, und mit
den Mendorfs habe ich eine alte Verbindung durch meine Jugendfreundin Adele.

Julius Kraut: General von der Goltz.

entdeckte damals nicht nur schleunigst sein Herz, er fand auch mit Künstler-
schnelle seine Eheliebste. Wer heute die anmutige, liebenswürdige jugend-
liche Gemahlin des Künstlers in ihrem Hauswesen schalten sieht, wer die
Art ihres Verkehrs mit Meister Julius beobachtet, der sieht ein, dass die
seltsame Fähigkeit. Menschen bis auf den Grund der Seele schauen zu
können, dem jungen Kraut auch schon damals eigen war. Julius Kraut
hat das Glück, an der Seite einer Gattin .durchs Leben zu gehen, die ihn
„liebt und kennt." Das junge Paar zog wieder nach München; das
historische Genre wurde aufgesteckt, umsomehr aber interessierten den
Künstler seelische Probleme, so dass er begann, als Porträtmaler in
München einen Ruf sich zu erwerben. Er malte in dieser Zeit den
Wirk!. Geh. Rat Prof. Dr. Ritter von Gümbel, den bekannten Geologen,
ferner Prof. Franz Soxhlet, dann den Direktor der bayerischen Bank
Dr. Max Ströll und viele andere hervorragende Persönlichkeiten.

1897 übersiedelte Julius Kraut nach Berlin; anfangs erkannte man
liier seine Bedeutung nicht sofort; jetzt ist es anders geworden. Eine
Reihe vorzüglichster Bildnisse haben ihm'die anfangs versagte Anerkennung
nun im höchsten Maasse erworben. Der Herzog Friedrich von Anhalt
hatte ihm schon früher den Professortitel verliehen. Seine hervorragendsten
Schöpfungen aus der jüngsten Zeit sind die Porträts: Ernst von Possarts,
Friedrich Haases, des Hausministers von Wedel, des Generals von der Goltz,
der Herzogin von Anhalt, des Erbprinzen von Anhalt, des Frhrn. Fr. von
Dincklage-Campe, des KammersängersBeetz und seiner bildschönen Tochter.

Wim- die Porträts Julius Krauts nur als Kunstamateur zur augenblick-
lichen Augenweide anschaut, dem werden sie einen hohen Genuss
bereiten; wer aber mit dem Rüstzeug der Kritik und des Kunstver-
ständnisses ausgestattet, eine scharfe Prüfung derselben vornimmt, der
wird — sobald er imstande ist, gerecht zu urteilen — linden, dass sich
in diesen Bildern grandiose Einfachheit der Auffassung, mit vollendet
sicherer Beherrschung der Technik ausspricht, dass sie von ganz un-
gewöhnlicher Schärfe der Beobachtung aller Details zeugen und doch in
ihnen alles Kleine, vielleicht scheinbar Bedeutungslose, mit höchstem Ge-
schmack zu einem vollgültigen Kunstwerke vereinigt ist, das einer aufs

Grosse gehenden Totalauffassutl"' Ausdruck triebt. Arthur Sliehler. Julius Kraut: Fr. Frhr. von Dincklage-Campe.
 
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