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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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18. Heft
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Der Dutzendmann
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Kuhn, Hermann Nikolaus: Die Grosse Oper zu Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0443

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MODERNE KUNST

Dutzend Anzüge bestellt hat Nach Schlafröcken hat er sich schon bei
mir erkundigt."

„Aber Puppen hat er nur zwei," sagte ich, „wenigstens in dem einen
Zimmer, oder sind sonst in der Wohnung — ?"

„Nein, das stimmt," entgegnete Herr Kirsten und nun erfuhr ich
auch, wie es mit den Puppen zusammenhing.

Herr Niedermeyer hatte, trotz seines Dutzendprinzips nur eine Tochter
und einen Sohn gehabt. Erstere, die er sehr geliebt, hatte er ziemlich
früh verloren, mit dem Sohn konnte er sich niemals recht stellen, viel-
leicht weil er ihn immer daran erinnerte, dass er bei diesem wichtigen
Artikel seiner Gepflogenheit untreu geworden war. Der Sohn war end-
lich nach Amerika gegangen oder gegangen worden. Dort hätte er sich
vielleicht mit dem Vater aussöhnen können, wenn er Mormone geworden
wäre und dem Vater wenigstens ein Dutzend Schwiegertöchter beschert
hätte. Statt dessen zog er den üblichen Modus vor, nur eine Frau heim-
zuführen und seitdem wollte der Alte gar nichts mehr von ihm wissen.
Der ganzen Stadt war es aber bekannt, dass jene beiden grossen Puppen
von ihm wie Sohn und Tochter behandelt wurden. Der Konditor hat
mir nachher versichert, dass er für die beiden oft ein Dutzend Tassen
Chokolade und ein Dutzend Torten hinüber schicken müsse, von denen
er freilich annehmen müsse, dass sie Herr Niedermeyer selber zu sich
nähme.

Meine Frau, der ich alle diese Wunderdinge pflichtschuldigst berichtet
hatte, kriegte nun eine unbändige Neugier, den Sonderling ebenfalls
kennen zu lernen. Das war nicht schwer. Ich machte ihr, wie der
Schlesier sagt, „ein Gewerbe" bei ihm, indem ich sie mit einem kleinen
Nachtrag zu unserer Versicherung hinschickte.

Sehr befriedigt kehrte sie von ihrer Forschungsreise zurück. Meine
Frau ist nämlich — sie hört's ja nicht — eine ganz prächtige Frau und
sie kann den Teufel um den kleinen Finger wickeln, wenn sie will. Der
alte Plerr Niedermeyer war aber durchaus kein Teufel. Sie hatte denn
lasch sein Zutrauen so sehr gewonnen, dass er ihr seine ganze Wohnung
gezeigt und sie auch in die Speisekammer geführt hatte, wo es aus-
gesehen haben soll, wie in einer Warenniederlage, so viel Dutzend
Kaffee- und Reissäcke, Kisten voll Schokolade, Kakes und Zucker standen
da herum.

Der Sonderling hatte noch manche andere Eigentümlichkeiten.

Alle Abende, die Gott werden Hess, trank Herr Niedermeyer zwei
Glas Bier im Schützenhause, diese zwei Glas Bier waren auf drei Jahre
hinaus im Voraus bezahlt.

Ich hörte noch allerhand drollige Geschichten von dem Dutzend-

ie Pariser nennen sie einfach l'Opera, womit alles gesagt ist. Die Oper
ist der Inbegriff all dessen, was die darstellende und die Kunst der Töne
in dem prachtvollsten Rahmen zu bieten vermag, den man sich denken kann.
Das Gebäude ist das prunkvollste, üppig ausgeschmückteste unter allen grossen
Bauwerken der in dieser Hinsicht so reichen Hauptstadt, dabei am schönsten
Platze belegen, wo sich das Leben am glänzendsten entfaltet. Ganz freistehend,
wird die Oper von breiten Strassen umgeben, welche die Namen berühmter
Tonsetzer (Gluck, Meyerbeer, Auber, Halevy u. a.) tragen. An der Rückseite
trennt sie ein kleiner Platz von dem gar vornehmen Boulevard Haussmann, wo
die herrschaftlichen Wagen und die Droschken oft zahlreicher verkehren als die
Fussgänger. Vorn blickt das Opernhaus auf den Place de l'Opdra, den den-
selben abschneidenden Boulevard des Capucines, dann aber auch auf die Avenue
de l'Opdra, die Rue du Quatre Septembre, und die Rue de la Paix, welche dort
einmünden. Es genügt wohl, hier beizufügen, dass die Rue de la Paix der
Hauptsitz, die Geburtsstätte der Mode ist. In den Erdgeschossen hausen fast
nur Goldschmiede, welche die kostbarsten Schmucksachen und die schönsten
Edelsteine auslegen, die man sich denken kann. Alle Stockwerke sind von
Damen- und Herrenschneidern, Putzmacherinnen, Haar- und sonstigen der Mode
dienenden Künstlern und Künstlerinnen besetzt, selbst drei, vier Treppen hoch
horsten Berühmtheiten der Modewelt.

In seiner Art ist das Opernhaus ein Meisterwerk, an dem selbst die
strengsten Fachleute kaum einige Kleinigkeiten auszusetzen finden. Man kann
buchstäblich sagen, das Gebäude ist seinem Zweck auf den Leib geschnitten
Der Beschauer erkennt sofort die Bestimmung der einzelnen Bauteile. In der

mann. Um den werten Leser nicht zu ermüden, will ich nur eine
berichten. Seine Neigung zur Masse hatte ihn einmal zu einem grossen,
zu einem ungeheuren Papiereinkauf bewogen.

Dies Papier war nun der stille Kummer seiner Generaldirektion,
denn die Berichte waren, wegen eines ganz ungewöhnlichen Formates,
in den Akten der Gesellschaft schlecht einzuheften, so dass für diesen
Bezirk eigene Aktendeckel angeschafft werden mussten. Als nun dem
oben erwähnten grossen Brande auch Herrn Niedermeyers Haus zum
Opfer fiel, zahlte ihm die Direktion prompt seine Versicherungssumme
aus, bedauerte seinen Brandschaden, konnte sich aber nicht enthalten
ihre Freude darüber auszusprechen, dass nun auch jenes fatale Papier
vernichtet sei. Der Zufall hatte es aber gefügt, dass aus der ganzen
Strasse nichts weiter gerettet worden war, als diese Papierballen, die
in einem besonderen kleinen Schuppen gelagert hatten, wie Plerr Nieder-
meyer freudig auf einem der Kanzlei so missliebigen grossen Bogen
melden konnte.

Nur in der Freundschaft schien Herr Nicdermeyer seinem Grund-
satze des Dutzends nicht zu huldigen. Einsam sah man ihn allabendlich
seinen Weg nach dem Schützenhausc ziehen und wenn er da allein vor
seinem Bier sass, da machte der alte Mann einen gar wehmütigen Ein-
druck und hinter seinen grossen Brillengläsern schien es manchmal
feucht zu schimmern.

Ich freute mich denn auch ehrlich, als es eines schönen Tages durch
die ganze Stadt lief, dass Herr Niedermeyer junior mit seiner ganzen
Familie aus Amerika zum Besuch eingetroffen sei und dass eine grosse
Versöhnung stattgefunden habe.

Ich meinte, die Aussöhnung könne nur dadurch bewerkstelligt worden
sein, dass Herr Niedermeyer Sohn dem Vater ein vollgezähltes Dutzend
kleiner Niedermeyer als Versöhnungsengel entgegengeschickt habe. Das
war aber verwunderlicherweise nicht der Fall. Ich selbst habe die nun-
mehr glücklich vereinte Familie eines Abends nach dem Schützenhause
pilgern sehen, den Alten, den Jungen, der dem Vater recht ähnlich war,
bis auf den Mangel der Brillengläser, eine nicht unüble, lange, junge Frau
und vier stramme, runde Bengelchcn.

Einige Tage darauf sah ich den Kaufmann Kirsten in grosser Hast
dem Telegraphenamte zueilen. Schon von weitem winkte er mir ab, als
befürchtete er, ich wolle ein Gespräch mit ihm anknüpfen. „Habe keine
Zeit," rief er, „habe keine Zeit. Muss nach Nürnberg telegraphieren.
Morgen reisen die jungen Niedermeyers ab, der Alte will den Kleinen
morgen noch was zum Abschied auf den Bahnhof schicken —: Ein
Dutzend Krokettspiele!"

[Nachdruck verboten.]

Mitte deckt die grosse flache Kuppel den Saal, hinter ihr steigen die Maschinen-
einrichtungen der Bühne in ihrem Gehäuse hoch empor, seitlich überwölben
Vorbauten die Auffahrten. Vorn hebt sich die Schauseite kräftig von dem
Ganzen ab, tritt weit genug vor, um dem Foyer ausgiebig Raum zu gewähren.
Unten führen sieben Bogen in die Vorhalle, von der aus Gänge und Treppen in
alle den Zuschauern geöffneten Teile des Gebäudes führen. Ueber den Bogen
öffnen sich, zwischen gekuppelten Säulen, die sieben mächtigen Fenster, durch
welche die Gäste des Foyers den herrlichen Ausblick auf den Place de l'Opera,
den Boulevard und die einmündenden Prachtstrassen geniessen. An die breiten
Bogenpfeiler lehnen sich Bildwerke aus Marmor, die Lyrik, Musik, Idylle,
Deklamation, das Drama, den Gesang und Tanz darstellend. Aber es würde
zu weit führen, wollte man ins einzelne gehen. Es ist alles so reich, so üppig,
die Kunstwerke sind fast verschwenderisch angebracht, obwohl keine Ueber-
ladung auffällt. Selbst die das ganze Gebäude umstehenden Laternenträger
stellen edelgeformte Figuren dar, und für die Aufnahme der Theaterzettel sind
an deren Sockeln reichverzierte Bronzerahmen angebracht.

Die Bühne ist 60 m hoch, 50 m breit und 25 m tief; hinten schliesst sich
das Foyer de la Danse an. Der Zuschauerraum ist, mit 2158 Plätzen, eigentlich
klein im Verhältnis zu dem Gebäude, welches 11 200 m Grundfläche besitzt,
die grössten Theater der Welt an Umfang übertrifft. Aber es ist auch alles so
reich und bequem eingerichtet!

Besonders prächtig sind das Treppenhaus und das Foyer. Die Treppe ist
aus Marmor, 10 m breit; sie teilt sich am ersten Absatz in zwei Arme. Das Ge-
länder ist aus Onyx, die Seitenwände aus Rosso antico. Zwischen 15 Paar bunter

t*osse Opet* zu lans.
 
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