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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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11. Heft
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Misch, Robert: Der Adelsmensch, [9]: Roman von Robert Misch
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0269

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MODERNE KUNST. ioy

Roman von Robert Misch.

[Nachdruck verboten.]

las ist eine ganze Geschichte — die Geschichte
Cd meines vorvorletzten dummen Streiches," meinte
Albert nach einer Pause. „Ort der Handlung: Berlin.

- Zeit: sechs Jahre zurück, als ich noch Referendar
am Landgericht war — schöne tolle Jugendjahre, die
mich viel Geld und Haare kosteten, mich freilich
dafür um einige Erfahrungen reicher machten. Zu
diesen — Erfahrungen gehörte auch eine reizende
Blondine. Sie war — lache nicht! — sie war tugend-
haft, nebenbei Ladenfräulein in einem Handschuh-
geschäft. Und ich war — wahrhaftig, auf Ehre! —
ich war ihr erster und einziger Freund und liebte sie
wahnsinnig. So wahnsinnig, dass ich sie — nun bitte
ich Dich aber ganz ernsthaft, nicht zu lachen . . . ich
war damals noch sehr jung — dass ich sie trotz
aller Standes- und Bildungsunterschiede, trotz beider-
seitiger Vermögenslosigkeit heiraten wollte. Was
sagst Du dazu?"

Mit einem scheuen, ängstlichen Lächeln blickte er
den Schwager an, der schweigend vor sich hinrauchte.

„Ich lache durchaus nicht, mein Lieber," er-
widerte Rohde ernst, ich gehöre durchaus nicht zu

den Männern, die es für selbstverständlich ansehen, _ _.T ,, T . , _

' O. F. ^Vatts: Irische Hungersnot.

dass man ein armes Mädchen erst bethört und d aml Verlag von Ferd. Hollyer, Kensington.

sitzen lässt. Denn ich nehme an, Du hast beides gethan?" Der Assessor zogen — unbekannt wohin." Darauf schrieb ich ans Einwohnermeldeamt

nickte kläglich. und die Revierpolizei in Berlin. — Derselbe Bescheid! — Na, was wollte

„Wie ernst es mir übrigens damals war, kannst Du daraus ersehen, dass ich weiter machen? Ich dachte, sie wird schon was von sich hören

ich ihr ein schriftliches Heiratsversprechen gab, als" — er stockte verlegen. lassen, wenn sie mich braucht. Sic hat aber nichts mehr von sich hören

„Nun, und —?" lassen . . . nicht ein Lebenszeichen in den vier Jahren. Das ist 'ne lange

„Du brauchst Dein Antlitz durchaus nicht in so richterlich - priester- Zeit — und die Liebe ist darüber erloschen. Und für gebunden halte

liehe Falten zu legen. Die Sache verlief durchaus nicht so tragisch, und ich mich auch nicht mehr. Ich habe mich dann verlobt und — na ja,

ich bin kein Scheusal aus einem Hinterhausschauspiel. Die Sache ging nun schlägt mir doch das Gewissen. Auch möchte ich nicht, dass sie

wie das Hornberger Schiessen aus, ohne einen eigentlichen Schluss. plötzlich eines Tages auftaucht und grosse Geldansprüche geltend macht

Eines Tages machte ich mein Staats-Examen und wurde als Assessor wegen des gebrochenen Eheversprechens. Kurz, ich bin hierhergekommen,

nach Hagen in Westfalen versetzt. Ans Heiraten war natürlich gar nicht um ihre Spur aufzusuchen und sie endlich abzufinden. — Nun, Du ge-

zu denken bei meinem „unbesoldeten" Dasein. Dass mir der Vater strenger Moralist, bin ich wirklich so schuldig?"

ausser einem kleinen Zuschuss nichts geben konnte, ist Dir ja bekannt. „Hm — jede Sache hat zwei Seiten. Vor dem Richterstuhle Deiner

Ich wollte Rechtsanwalt werden nach einem Jahr. Sowie ich Praxis hatte, Schwester würdest Du vielleicht nicht so leicht freigesprochen werden. Ich

wollten wir heiraten. Es kam aber anders." — „Wer trug die Schuld?" absolviere Dich . . . Du hast Dich — wenn das alles so stimmt — leidlich

„Hör nur weiter! — In der ersten Zeit schrieben wir uns anständig benommen. Wenn sie Dich so leicht aufgegeben hat!" . , .

glühende Liebesbriefe . . . Die kleine Else war wirklich ein reizendes „Nicht wahr? Das sage ich auch!" rief der Assessor erleichtert. —

Geschöpfchen, so anschmiegend und blond . . . Na kurz — mir war's „Nun heisst es nur noch, ihre Spur zu finden. Und wenn sie noch

wirklich ganz ernst mit meinem Vorhaben. Aber mein Gott — die Ent- lebt oder nicht ausgewandert ist, wird mir das mit Hilfe eines findigen

fernung kühlt die Liebe ab". — „Und Sie?" Detektivs schon gelingen. — Manchmal denke ich: thust vielleicht am

„Sie merkwürdiger Weise auch — schrieb immer seltener und kühler. besten dran, Dich garnicht mehr um sie zu kümmern — quieta non mo-

Das merkte ich natürlich." — „Und hatte das einen Grund?" verc! — Aber dann taucht sie plötzlich eines Tages auf, wenn ich's am

„Hör' nur zu!" Ich entdeckte bald, dass es mit dem Rechtsanwalt- allerwenigsten erwarte und — das könnte dann eine schöne Besche-

werden nicht so leicht war. Der Alte sträubte sich dagegen. Dazu habe rung geben. Nein, es ist besser so."

er seinen Sohn nicht Jurist werden lassen ... Er hatte mich eigentlich * s *

für die Verwaltung bestimmt. Landrat und Regierungspräsident, das ist (Meta Rohde an ihre Cousine Hermine von Traut.)

noch heute sein Herzenswunsch. — Kurz, als ich Andeutungen machte, Liebe Hermine!

_„iri«,.+_ Q,. •,. ,.,,„ i,„„„. v„; ,„„ r-„„„„i vi -i Bitte, komm sofort nach Berlin, wenn Du diese Zeilen erhalten hast. Du

erklaite er mir rundweg: Keinen Groschen Zuschuss, wenn ich gegen ' '

kannst zunächst im Hotel absteigen; später wohnst Du bei uns. Es handelt sich

seinen Willen Rechtsverdreher würde. Ipsissima verba! — Das mag
ich meiner Else wohl mitgeteilt haben — und dass wir noch warten

um etwas sehr Wichtiges; aber ich mag dem Papier nicht anvertrauen, was
ich gehört habe.

müssten. Vielleicht hat das ihre Liebe etwas abgekühlt. — Ich schickte Nur so viel — Goethe hat wahrlich Recht: „Wir armen Frauen sind be^
ihr natürlich nach meinen schwachen Kräften Geld, wenn ich welches klagenswert." — Aengstige Dich nicht; es wird schon alles gut werden,

hatte. Damals legte ich den Grund zu dem stolzen Gebäude meiner Wann kommst Du? Depeschiere! Es grüsst und küsst Dich

eiii ■ i i. i_i i i t • i -kt t Deine getreue Meta.

bchulden — nicht blos durch Lumpereien, werter Schwaaer. — Na kurz,

eines Tages — ich war schon nach Klützow versetzt, und wir hatten rr*i-J*B*«m w^™;^ ™ u»* \

a ' (1 elegramm riermines an Meta.)

wieder einige Monate in gegenseitigem Schweigen verstreichen lassen — Komma morgen Vormittag 12 Uhr 40. Erwarte mich Bahnhof. Bin ausser mir.
schickte ich ihr Geld und Brief. Beides kam zurück: „Adressatin ver- * „ * Hermine.

XIV. 11. II.
 
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