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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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19. Heft
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Bethusy-Huc, Valeska: Wanderndes Volk, [5]: Roman
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Rehbinder, Nikolaus von: Kommers alter Corpsstudenten
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0466

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304

MODERNE KUNST.

Gelegenheit zu benutzen und sich am Ankauf von ein paar wertvollen Pferden, Ellinor sass fröstelnd in ihre Pelze gewickelt auf dem Sopha.

die zufällig billig zu haben seien und sicher „etwas machen würden", zu „Endlich, da kommt der Zug!" rief sie plötzlich, wie elektrisiert aufspringend.

beteiligen.. Die Gräfin hielt Rat mit Jutta. Dieser lag nichts an einem zweiten Durch das Schneegeriesel schob sich die dunkle Masse des Zuges auf den

Berliner Hofwinter und die Gräfin hatte die Erfahrung gemacht, dass die Kosten Perron. Ein Koupee der ersten Klasse wurde geöffnet.

eines solchen die Vorteile nicht aufwogen, denn für ein Mädchen wie Jutta dabei „Sechs Personen, grade komplet," sagte Hasso Settier.

eine grosse oder auch nur annehmbare Partie zu finden, war nicht leicht. Sie Grussworte flogen hin und her. Langsam anrückend setzte der Zug sich

war weder reich noch kokett, damit fehlten ihr die beiden grossen Anziehungspunkte in Bewegung und auf dem weissen Perron, von Schneeflocken umwirbelt, stand

in der Welt der Lebemänner, und ihr lebhafter Geist kam nur zur Geltung, wenn Liska allein und blickte dem Zuge nach, der das einzig1 lebendige erschien in

man ihr Interesse zu erregen verstand, was in der Gesellschaft sehr selten der toten Landschaft. Noch sah sie ihn, wie einen dunklen Schatten dahineilen

passierte. Ging man nicht nach Berlin, so konnte man aber bequem mit der durch das Schneetreiben.

Hälfte dessen auskommen, was man im vorigen Winter gebraucht hatte, und „Dem Süden, der Sonne zu!" sagte Liska leise. Sie schüttelte den Kopf.

Hardy konnte zu den Pfei dekäufen, die den „armen Jungen" herausreissen „Mein Platz ist hier!"

sollten, einen mütterlichen Zuschuss bekommen. Nun war es aber peinlich, in XI.

Berlin bescheidner und einfacher aufzutreten als im vorigen Winter. Eine Auf der Terrasse vor dem Kasino von Monte Carlo stand Hugo Holkwitz

Influenza, die die Gräfin sich im Herbst zuzog und von der sie sich gar nicht und blickte über die blaue Fläche des Mittelmeeres hinüber zu den grauen Felsen,

erholen konnte, und die Zusendung des Prospektes von Fräulein Armand, die welche die Bucht abschliessen. Weit hinter ihnen, unter einem Punkt des Hori-

inzwischen ihre Erbschaft angetreten hatte, gaben schliesslich den Ausschlag. zontes, den er nicht mehr sah, lag Schloss Tannwald. Jetzt war der Schnee

Ein Winter in der Pension Armand war bedeutend billiger als einer in Berlin, auch dort geschmolzen. Der Birkhahn balzte im Walde. Der Park träumte

der Gesundheit war man immerhin einige Rücksicht schuldig, und Rom lag doch unter dem zarten Schleier des ersten Grüns. Hugo seufzte. Seit Wochen trug

noch lange nicht in der Nachbarschaft von Alveno. Zu Weihnachten kamen er sich mit dem Gedanken abzureisen und dann gab er immer wieder „ein paar

freilich die italienischen Blumen wieder in Tannwald an, aber die Gräfin fühlte Tage" zu, und Ellinor sah ihn dankbar lächelnd an und entfaltete den ganzen

sich elend und hatte Sehnsucht nach wärmerer Luft und am Ende — Niemand ihr eignen Liebreiz, um ihn vergessen zu lassen, dass er gesagt hatte, er gehöre

entgeht seinem Schicksal! jetzt nach Hause. Und nun waren auch noch Settiers gekommen, die sich wegen

An einem kalten Januartage fuhr Liska Doltau zum Bahnhof von Kadomin, einer Kinderkrankheit verspätet hatten und die erzählten, dieses Frühjahr sei

um Jutta und ihrer Mutter Lebewohl zu sagen. Zunächst fand sie aber nur ihre daheim so abscheulich, dass es die bösesten Erinnerungen der ältesten Leute

Geschwister Settlcr am Bahnhof, die ihr sagten, dass Hugo und Ellinor, deren überträfe. Und hier lachte der blaue Himmel über dem blauen Meere und über

Abreise sich verspätet hatte, auch heut erst reisen wollten. einem chaotischen Blumengewirr breiteten Palmen ihre Ianggefiederten Blatt-

„Wir fahren blos bis Breslau mit," sagte Hasso, „aber später, wenn ich los zweige aus. Die Seebrise milderte die Hitze, die sich in diesem Jahre noch

kann, fliegen wir auch mal nach der Riviera; es ist ja eklig, wenn bei Hugos nicht unangenehm fühlbar gemacht hatte, und sobald von der Heimkehr die Rede

immer die Rede von Dingen und Orten ist, die man nicht kennt." war, sah Ellinor ihren Gatten mit einem unendlich traurigen, fragenden Blicke

„Ja, zu Ostern fahren wir ihnen nach," sagte Ina, „das haben wir uns an, als wollte sie sagen: Kannst Du-mir das zumuten, wenn Du mich lieb hast?

neulich ausgedacht." Gleich darauf traten die Tannwalder in den Wartesaal. Und er begann, wenn er allein war, mit sich zu grollen, weil er sie so lieb

Vor den Fenstern tanzten jetzt dichte Schneeflocken und hüllten den Perron hatte, lieb bis zur Schwäche — aber dann, an ihrer Seite, vergass er den Groll

in eine weisse Decke. wieder.

Jutta zog Liska an das Fenster und wies auf das Schneetreiben hinaus. Hasso Settier, der die Damen in das Kasino geleitet hatte, trat jetzt zu ihm.

„Sieh' mal, Liska, ist es nicht schön, zu denken, dass man das alles hinter „Puh, ist das 'ne Hitze da drin, eine Luft zum ersticken — aber die zarten

sich lässt?" sagte sie mit einem hoffnungsfrohen Lächeln. „Ja, das alles und Lungen unsrer Damen vertragen das Zeug, was sie da drin einschlucken müssen.

— mich," sagte Liska. Juttas Gesicht wurde ernst. Ina hat schon wieder hundert Franks gewonnen — ich will lieber draussen

„Arme Liska, freilich, Du kannst nicht anders als ausharren bei Deinem Vater." warten, bis sie sie wieder verloren hat."

„Nein, ich kann — und ich will auch nicht anders!" „Spielt Ellinor auch?" fragte Hugo.

„Ich weiss — aber — Dich hat es auch nie unglücklich gemacht, wenn die „Nein, sie sieht zu."

Bahnzüge hinter unsren Feldern dahin rollten und Du nicht mit konntest, und „Ist der Lümmel mit den ewigen Tausend-Frank-Billets auch wieder da?"

ich — ich sehne mich schon so lange danach, hinaus zu können! Weit hinaus „Natürlich —". Hasso Sattler hatte den Hut abgenommen und fuhr sich mit

in die Ferne! Ich denke mir, da draussen irgend wo wartet das Glück auf mich!" dem Taschentuch über die heisse Stirn. [Fortsetzung folgt.]

:--

oMommers afier <porpssfudenfen.

[Nachdruck verboten.]

'enn es eines Beweises für die hohe geistige Bedeutung des S. C- Reich zu hohem, idealem Schwung fördert. Die stramme Corpserziehung

Gedankens bedarf, so dürfte derselbe in der innigen Zusammen- wirkt da, wo sie das geeignete Material findet, unter allen Umständen

gehörigkeit zu finden sein, welche alle jene, die das Glück hatten, förderlich und segensreich. Sie stärkt den Charakter, festet die Gesinnung,

während ihrer Studienzeit einem deutschen Corps als Mitglieder anzugehören, giebt dem schwankenden Ehrbegriff feste Normen und drückt dem

auch im späteren Leben wie ein unzerreissbares Band umschlingt. Und deutschen Jüngling in echt germanischem Corpsfrieden zur Vertheidigung

was auch immer Unverstand, spiessbürgerliche Denkweise, Missgunst und dieses Begriffes und der in unbegrenzter Verehrung hochgehaltenen

persönliche Empfindlichkeit an den Institutionen der Corps, ihren Be- Couleur, die dem Corpsstudenten das ist, was dem Offizier des Königs

Stimmungsmensuren, ihren Kneipereien, dem „patenten" Auftreten ihrer Rock, den blanken Schläger in die Rechte.

Mitglieder zu mäkeln findet, es ist eine Thatsache, die auch jene übel- So ist es denn ein erfreuliches Zeichen für den idealen Wert der
wollenden Beurteiler nicht wegzuleugnen vermögen, dass überall im pri- Corpsidee, wenn sich von Zeit zu Zeit die alten Herren des S. C. zu
vaten und öffentlichen Leben Mitglieder der beiden grossen Corpsgemein- einem Kommerse vereinigen, um fröhliche Erinnerungen aufzufrischen,
schaffen, des Cösener und des Weinheimer S. C, in ausübenden und alte Verbindungen neu zu beleben, Jugendfreundschaften zu erneuern und
leitenden Stellungen in hervorragender Weise thätig sind. War doch sich wieder ganz als Mitglieder ihres C. C, und als solche der Allgemein-
auch Bismarck der „beste Mann im Deutschen Reich", zu dessen Büste heit des S. C, zu fühlen. „Ich durchbohr den Hut und schwöre, halten
die fröhlichen alten Herren auf unserem Bilde in Begeisterung und Ver- will ich stets auf Ehre", tönt es dann brausend durch die festlich gc-
ehrung emporblicken, einer der Ihren, fürwahr ein erhebendes Bewusst- schmückte Halle, und wenn die Klingen der Hiebe tönend auf die Tafeln
sein, das jeden deutschen S. C.-Studenten mit hoher Genugthuung erfüllen schlagen und die feierlichen Klänge des Liedes „O alte Burschenherr-
muss. Mannesmut, Ehre und Vornehmheit der Gesinnung sind Begriffe, lichkeit" erschallen, dann durchzieht jede Brust, die einst das dreifarbige
die leider in unserer im Zeichen der Anbetung des goldenen Kalbes Burschenband geschmückt, ein von Wehmut und Stolz gemischtes Gefühl,
stehenden Zeit bei den breiten Massen der Bevölkerung in einem Zustand Wehmut, dass sie vergangen, die alte Burschenherrlichkeit, Stolz, dass
dämmernden Halbbewusstseins verschwimmen. Um so höher ist eine sie noch blüht in den Herzen von Jünglingen und Greisen und sie alle
Institution zu schätzen, um so zäher ist sie festzuhalten, die diese Begriffe, umschlingt als ein Band inniger Interessengemeinschaft und treuer Freund-
in denen der moralische Lebensnerv eines Volkes seine Bethätigung schaft jetzt und allezeit. — „Alles schweige, jeder neige ernsten Tönen
findet, hochhält und sie der Vereinigung mit der Treue zu Kaiser und jetzt sein Ohr!" N. Grafv. Rehbinder.
 
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