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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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18. Heft
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Stimmungen
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294

MODERNE KUNST.

Kimmungen. <>

Chaulotfe ßasfe.

[Nachdruck verboten.]

dem Munde einer unserer ersten und
vornehmsten Bühnenkünstlerinnen, aus dem
Munde Hedwig Niemanns, hörte ich einmal den scharf
geprägten Ausspruch: „Eine Dame beim Theater ist
niemals so jung, wie sie sich macht, und niemals
so alt, als man ihr nachsagt."

Dieser Ausspruch trifft in der That bei den
meisten, ja bei fast allen Bühnenkünstlerinnen zu, die
auf der Höhe, in der Blüte ihrer Kunst stehn. Aus-
nahmen beweisen bekanntlich die Regel. Charlotte
Baste, der vergötterte Liebling der Dresdener, hat
es nicht nötig, sich jung zu machen, denn sie ist
es noch, nicht nur ihrer sieghaften Erscheinung,
ihrer frischen blühenden Kunst, sondern auch den
Jahren nach. Vor mir liegt so eine Art Taufschein,
ein Theaterzettel aus dem Jahre 1872, auf welchem
die Direktion Theodor Baste, dazumal am Stadt-
theater in Bremen, eine Vorstellung von: „Der
Kurmärker und die Pikarde" mit der vierjährigen

fröhliche Naive, die sich nicht minder als das
liebliche Kind darauf verstand, die Herzen zu
erobern.

Charlotte Bastes so früh begonnene Künstler-
laufbahn — als fünfzehnjähriges Mädchen gastierte
sie bereits am Königlichen Schauspielhaus in Berlin
— weist neben einer Fülle erfolgreicher Gastspiel-
reisen ein dauerndes Wirken nur in Leipzig, Peters-
burg und Dresden auf. Wo man sich einmal ihres
Besitzes freute, liess man sie leicht begreiflicher
Weise nur ungern wieder ziehen.

Aus dem „Fach" der Naiven, in dem sie von
der „Marianne" bis zur „Grille" durch die Mannig-
faltigkeit ihrer künstlerischen Ausdrucksmittel be-
merkenswert wirkte, ist Charlotte Bast<5 Hand in
Hand mit der modernen dramatischen Litteratur
in ihrer künstlerischen Entwickelung vorwärts ge-
schritten, vom Lorle zur Nora, von der Grille zum
Rautendelein. So beherrscht sie heut das gesamte
moderne Repertoir. Ihre prachtvolle Erscheinung,
ihre geistreiche Dialogbehandlung lassen sie neben
dem poetischen Rautendelein, der bestrickenden
Salome, dem schelmischen Vittorino vornehmlich
auch im Salonfach hervortreten, das in Dresden, wo
man noch dem Fachspielen huldigt, ihre ureigent-
liche Domäne ist. Hier erficht Charlotte Bast6 mit
ihren bestechenden Mitteln, mit ihrem gereiften

Charlotte Baste als Pikarde ankündigt. Zu den können Sieg auf Sieg, der nicht nur der deutschen

Charlotte Baste.

Rehquienschätzen des Charlotte Basteschen Künstler- Moderne zu gute kommt, sondern auch das ältere

heims gehört noch heute jenes leicht vergilbte Blatt, dazu das Pikardekostüm, französische Lustspiel neu belebt. So ist ihre Susanne in Figaros Hochzeit

dessen Röckchen kaum zwanzig Centimeter misst, eine Kritik, in der es heisst, von einem bestrickenden Uebermut, von distinguierter Vornehmheit ihre

man habe die Kleine erst mit dem Opernglase auf der Bühne suchen müssen, Jane in Dumas' Freund der Frauen. Bedauerlich ist es, dass Charlotte

und nicht zuletzt der erste Lorbeerkranz, gelegentlich dieser Vorstellung, von Baste in Dresden keine Gelegenheit findet, sich im klassischen Repertoir zu

keiner geringeren als Marie Seebach überreicht. bethätigen.

Aus der kleinen herzigen Pikarde, die damals das Entzücken der Nicht lange mehr bindet sie ihr Vertrag. Wenn nicht alles täuscht, wird.

Bremenser war, wurde unter der feinsinnigen Anleitung des Vaters bald eine man dann in Berlin mehr von der schönen Charlotte Baste hören. D. D.

Bildhauer Aug. Kraus in seinem Atelier.
 
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