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MODERNE KUNST.
beschäftigen. Da war es ihm immer noch lieber, sie schrieb und las, als gerechnet so langweilige Vorträge anhörst. . . . Arbeiterfragen, Social-
wenn sie den ganzen Vormittag in Berlin herumpromenierte und unnützes Oekonomie . . . das ist doch nichts für Frauen".
Zeug zusammen kaufte. „Das ist doch nicht Dein Ernst! — Ein Mann wie Du kann unmöglich so
Mit ihrem Haushalt fand sie sich leidlich ab, nachdem sich Tante altmodisch denken. Ausserdem verfolge ich ganz bestimmte Zwecke damit."
Stephan auf seine Bitte in der ersten Zeit dessen angenommen. Eine „Was denn für Zwecke?"
neue Köchin ersetzte die „Küchenverderberin", diese machte auch ihre „Das fragst Du noch. Wir haben fast fünfzig Arbeiter . . . Diese
Sache ganz gut, verbat sich aber von vornherein jede „Einmischung" von Zahl wird noch wachsen . . . ich muss mich vorbereiten, um ihnen eines
Madame. Kurz, Rohde war zufrieden. Tages nützlich zu sein,"
Dass er zuweilen müde nach Hause kam und dann schlafen wollte, »Thu' mir den einzigen Gefallen, lass meine Arbeiter in Ruh! Die
damit fand sich Meta schliesslich auch ab. Uebrigens kam das jetzt viel fühlen sich ganz wohl."
seltener vor, nachdem er die schlimmsten Unterlassungssünden wieder Wieder dieser erstaunte, forschende Blick aus ihren Augen, der ihn
gut gemacht und in der Fabrik wieder Ordnung geschaffen. Seitdem immer ganz verlegen machte, so dass er es vorzog, schnell ein anderes
hatte er überhaupt mehr Zeit für sie übrig. Sic plauderten dann sehr Thema zu berühren.
lebhaft bei einer Tasse Thee, gingen auch einigemale ins Theater, spielten Uebrigens hoffte er, das sei nur eine vorübergehende Laune. Sein
Schach oder lasen gemeinschaftlich ein Buch. alter Freund, der Kommerzienrat Sperr, mit dem er darüber sprach,
Die Gesellschaftssaison hatte noch nicht begonnen; auf Einladungen meinte es auch:
war erst für später zu rechnen. Die nötigsten Besuche bei Familien- und „Ach, wissen Sie, lieber Freund — das macht sich sehr schön, wenn
Geschäftsfreunden hatten sie gemacht. Sehr weit wollten sie ihren Kreis man sagen kann: ich höre bei Schmoller oder Wagner National - Oeko-
nicht ausdehnen; grosse Gesellschaftsmenschen waren sie ja beide nicht. nomie . . . ein Sport wie ein anderer ... So sind die modernen Frauen.
So lebten sie einige Wochen friedlich und vergnügt, und Rohde be- Meine Tochter hört Kunstgeschichte . . . hatten früher unsere Mütter und
glückwünschte sich schon, eine so ausgezeichnete Wahl getroffen zu Frauen auch nicht nötig. Heutzutage gehört das zum guten Ton. Nächstes
haben. Sie war liebenswürdig und anschmiegend, zärtlich und sanft, Jahr ist es ihr langweilig, dann kommt wieder etwas Neues an die Reihe."
wenn auch ihr Geist manchmal in weiten, weiten Fernen schwebte. Aber bei Meta schien es doch anders zu sein. Sie besuchte nicht nur
Als die Universität nach den Sommerferien ihre Pforten wieder öffnete, ihre Vorlesungen ganz regelmässig, sie schaffte sich auch dicke, gelehrte
besuchte Meta einige Vorlesungen über Sociologie und Philosophie, nach- Bücher an, über denen sie ihre ganze Zeit zubrachte; sie arbeitete sich
dem sie sich die Erlaubnis dazu verschafft hatte. Hefte aus, und schliesslich — das war das Schlimmste — suchte sie auch
Anfangs war Rhode starr; dann wollte er sich darüber mokieren. ihn dafür zu interessiren. Sie las ihm daraus vor und hielt ihm förmliche
Aber sie Hess ihn gar nicht dazu kommen; sie sah ihn immer so seltsam Abhandlungen darüber.
erstaunt an, wenn er ironische Bemerkungen machte, dass ihm das Wort Er hatte sich das einigemale ziemlich gelangweilt mit augehört, wo-
auf der Zugenspitze sitzen blieb. von sie freilich in ihrer Begeisterung nichts merkte. Aber schliesslich
„Aber Du wusstest doch, wen Du heiratest . . . ich habe Dir doch konnte das doch nicht immer so fortgehen. Das fehlte ihm gerade noch
gesagt, dass meine geistige Ausbildung nicht darunter leiden dürfe." zu seinen Arbeiten und Geschäften. Er musste ihr das endlich einmal
„Na ja, ja — habe ja auch gar nichts dagegen, wenn's Dir Spass macht sagen.
— trotzdem es mir nicht sehr angenehm ist, dass Du zweimal in der Woche Sie würde freilich etwas enttäuscht sein. Bisher hatte er eben ihr zu
gerade am Nachmittag fortgehst, wenn ich mich mit Dir unterhalten möchte." Liebe Interesse für Dinge geheuchelt, die ihm im Grunde höchst gleich-
„Ach, da schläfst Du ja doch meist oder rauchst Deine grässliche, gültig waren,
lange Pfeife, die ich nicht vertragen kann," lachte sie begütigend. Wenn sie, wie andere Frauen, nur ein wenig an der Wissenschaft
„Doch nicht immer! Und es ist so nett, wenn man aufwacht und herumgenascht hätte, so würde er nichts dagegen einzuwenden haben,
kann mit seinem kleinen Frauchen noch ein bisschen schwatzen, ehe man Aber ein wissenschaftlicher Blaustrumpf — brr, davor graute ihm; das
in die Fabrik geht. — Uebrigens möchte ich bloss wissen, warum Du aus- würde sie bei seinen Bekannten geradezu lächerlich machen, sobald es
herum kam. Man würde sie nicht mehr
ernst nehmen.
Nächstens wollte sie sogar, wie sie
mehrfach andeutete, über diese Fragen,
die sie so sehr interessierten, selbst
etwas schreiben — zur Popularisierung
der Wissenschaft. Nein — das passte ihm
durchaus nicht; das hatte er nicht erwartet,
als er sich verlobte. Auf die Gefahr hin,
sie arg zu enttäuschen, musste dem ein
Ende gemacht werden. Am besten that
man das in scherzhaft-ironischer Form.
Als er mittags nach Hause kam und
sie wieder über ihren Büchern fand, stellte
er sich neben sie hin und lachte amüsiert.
Sie blickte erstaunt auf.
„Weshalb lachst Du, Liebster?"
„ Weisst Du — Du machst einen so komi-
schen Eindruck, Kleine ... so am Schreib-
tisch, wie ein alter Professor! Was um Him-
melswillen schreibst Du denn da wieder?"
„Du weisst es ja . . ich arbeite meine
Vorlesung aus", erwiderte sie ruhig.
„Hör', Kind — das ist doch eigentlich
lächerlich. Eine so junge Frau! Deine
schönen, blauen Guckaugen sind schon ganz
entzündet. Geh' doch lieber spazieren,
Photographie von Zander & Labisch. paui Meyerheim in seinem Atelier.
MODERNE KUNST.
beschäftigen. Da war es ihm immer noch lieber, sie schrieb und las, als gerechnet so langweilige Vorträge anhörst. . . . Arbeiterfragen, Social-
wenn sie den ganzen Vormittag in Berlin herumpromenierte und unnützes Oekonomie . . . das ist doch nichts für Frauen".
Zeug zusammen kaufte. „Das ist doch nicht Dein Ernst! — Ein Mann wie Du kann unmöglich so
Mit ihrem Haushalt fand sie sich leidlich ab, nachdem sich Tante altmodisch denken. Ausserdem verfolge ich ganz bestimmte Zwecke damit."
Stephan auf seine Bitte in der ersten Zeit dessen angenommen. Eine „Was denn für Zwecke?"
neue Köchin ersetzte die „Küchenverderberin", diese machte auch ihre „Das fragst Du noch. Wir haben fast fünfzig Arbeiter . . . Diese
Sache ganz gut, verbat sich aber von vornherein jede „Einmischung" von Zahl wird noch wachsen . . . ich muss mich vorbereiten, um ihnen eines
Madame. Kurz, Rohde war zufrieden. Tages nützlich zu sein,"
Dass er zuweilen müde nach Hause kam und dann schlafen wollte, »Thu' mir den einzigen Gefallen, lass meine Arbeiter in Ruh! Die
damit fand sich Meta schliesslich auch ab. Uebrigens kam das jetzt viel fühlen sich ganz wohl."
seltener vor, nachdem er die schlimmsten Unterlassungssünden wieder Wieder dieser erstaunte, forschende Blick aus ihren Augen, der ihn
gut gemacht und in der Fabrik wieder Ordnung geschaffen. Seitdem immer ganz verlegen machte, so dass er es vorzog, schnell ein anderes
hatte er überhaupt mehr Zeit für sie übrig. Sic plauderten dann sehr Thema zu berühren.
lebhaft bei einer Tasse Thee, gingen auch einigemale ins Theater, spielten Uebrigens hoffte er, das sei nur eine vorübergehende Laune. Sein
Schach oder lasen gemeinschaftlich ein Buch. alter Freund, der Kommerzienrat Sperr, mit dem er darüber sprach,
Die Gesellschaftssaison hatte noch nicht begonnen; auf Einladungen meinte es auch:
war erst für später zu rechnen. Die nötigsten Besuche bei Familien- und „Ach, wissen Sie, lieber Freund — das macht sich sehr schön, wenn
Geschäftsfreunden hatten sie gemacht. Sehr weit wollten sie ihren Kreis man sagen kann: ich höre bei Schmoller oder Wagner National - Oeko-
nicht ausdehnen; grosse Gesellschaftsmenschen waren sie ja beide nicht. nomie . . . ein Sport wie ein anderer ... So sind die modernen Frauen.
So lebten sie einige Wochen friedlich und vergnügt, und Rohde be- Meine Tochter hört Kunstgeschichte . . . hatten früher unsere Mütter und
glückwünschte sich schon, eine so ausgezeichnete Wahl getroffen zu Frauen auch nicht nötig. Heutzutage gehört das zum guten Ton. Nächstes
haben. Sie war liebenswürdig und anschmiegend, zärtlich und sanft, Jahr ist es ihr langweilig, dann kommt wieder etwas Neues an die Reihe."
wenn auch ihr Geist manchmal in weiten, weiten Fernen schwebte. Aber bei Meta schien es doch anders zu sein. Sie besuchte nicht nur
Als die Universität nach den Sommerferien ihre Pforten wieder öffnete, ihre Vorlesungen ganz regelmässig, sie schaffte sich auch dicke, gelehrte
besuchte Meta einige Vorlesungen über Sociologie und Philosophie, nach- Bücher an, über denen sie ihre ganze Zeit zubrachte; sie arbeitete sich
dem sie sich die Erlaubnis dazu verschafft hatte. Hefte aus, und schliesslich — das war das Schlimmste — suchte sie auch
Anfangs war Rhode starr; dann wollte er sich darüber mokieren. ihn dafür zu interessiren. Sie las ihm daraus vor und hielt ihm förmliche
Aber sie Hess ihn gar nicht dazu kommen; sie sah ihn immer so seltsam Abhandlungen darüber.
erstaunt an, wenn er ironische Bemerkungen machte, dass ihm das Wort Er hatte sich das einigemale ziemlich gelangweilt mit augehört, wo-
auf der Zugenspitze sitzen blieb. von sie freilich in ihrer Begeisterung nichts merkte. Aber schliesslich
„Aber Du wusstest doch, wen Du heiratest . . . ich habe Dir doch konnte das doch nicht immer so fortgehen. Das fehlte ihm gerade noch
gesagt, dass meine geistige Ausbildung nicht darunter leiden dürfe." zu seinen Arbeiten und Geschäften. Er musste ihr das endlich einmal
„Na ja, ja — habe ja auch gar nichts dagegen, wenn's Dir Spass macht sagen.
— trotzdem es mir nicht sehr angenehm ist, dass Du zweimal in der Woche Sie würde freilich etwas enttäuscht sein. Bisher hatte er eben ihr zu
gerade am Nachmittag fortgehst, wenn ich mich mit Dir unterhalten möchte." Liebe Interesse für Dinge geheuchelt, die ihm im Grunde höchst gleich-
„Ach, da schläfst Du ja doch meist oder rauchst Deine grässliche, gültig waren,
lange Pfeife, die ich nicht vertragen kann," lachte sie begütigend. Wenn sie, wie andere Frauen, nur ein wenig an der Wissenschaft
„Doch nicht immer! Und es ist so nett, wenn man aufwacht und herumgenascht hätte, so würde er nichts dagegen einzuwenden haben,
kann mit seinem kleinen Frauchen noch ein bisschen schwatzen, ehe man Aber ein wissenschaftlicher Blaustrumpf — brr, davor graute ihm; das
in die Fabrik geht. — Uebrigens möchte ich bloss wissen, warum Du aus- würde sie bei seinen Bekannten geradezu lächerlich machen, sobald es
herum kam. Man würde sie nicht mehr
ernst nehmen.
Nächstens wollte sie sogar, wie sie
mehrfach andeutete, über diese Fragen,
die sie so sehr interessierten, selbst
etwas schreiben — zur Popularisierung
der Wissenschaft. Nein — das passte ihm
durchaus nicht; das hatte er nicht erwartet,
als er sich verlobte. Auf die Gefahr hin,
sie arg zu enttäuschen, musste dem ein
Ende gemacht werden. Am besten that
man das in scherzhaft-ironischer Form.
Als er mittags nach Hause kam und
sie wieder über ihren Büchern fand, stellte
er sich neben sie hin und lachte amüsiert.
Sie blickte erstaunt auf.
„Weshalb lachst Du, Liebster?"
„ Weisst Du — Du machst einen so komi-
schen Eindruck, Kleine ... so am Schreib-
tisch, wie ein alter Professor! Was um Him-
melswillen schreibst Du denn da wieder?"
„Du weisst es ja . . ich arbeite meine
Vorlesung aus", erwiderte sie ruhig.
„Hör', Kind — das ist doch eigentlich
lächerlich. Eine so junge Frau! Deine
schönen, blauen Guckaugen sind schon ganz
entzündet. Geh' doch lieber spazieren,
Photographie von Zander & Labisch. paui Meyerheim in seinem Atelier.