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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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12. Heft
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Helmeck, Georg: Ein Corpsheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0296

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MODERNE KUNST.

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Leben verschönen, seinen Wert erhöhen. Der deutsche Geist der Innerlichkeit,
deutschen Fleisses gediegene Proben zieren auch die Räume. Der Geist der
Zusammengehörigkeit, der herzlichen Brüderschaft geht vom Erfinder und
Schöpfer wie Ausführer in freundlicher Wirkung auf den Besucher über.

Das helle Stiegenhaus erhält sein Licht von oben, und zeichnet sich durch
Solidität und behagliche Breite aus. Im I. Stocke, zu dem eine solide, breite
Treppe aus Eichenholz führt, hausen unsere Rheno-Palaten, Thomasbier vertilgend;
es ist eine Ueberraschung der freundlichsten Art, die uns beim Eintritt in den
„Kneipsaal" zu Teil wird. Der ordnungshalber auferlegte Bauzwang hatte,
einen gemütlichen Erker zur Folge, wie denn auch sonst Baurat Grassel den freund-
lichen Ton mit wunderbarer Einheit durchführte. Alles ist auch liier im altdeutschen
Stile gehalten; der Plafond, die Wandvertäfelung in Naturholz, die mit Festons
bekränzten Lüster, die sinnige Zier des Heims corpsstudentischen Treibens mit
den vielerlei Bildern, die der Rheno-Palatia Leute in fröhlichem und ernstem
Wirken zeigen, dann die Nischen im Bogenbau, Nix und Neck auf Ofen und
Postament, der Fuchs mit Cerevis und Piepe, die ganze Ausschmückung deutet
das Bild des „Kneipsaales" an, dessen Hintergrund, das alte Wappen, von dem
Blau-Weiss-Blau schön umrahmt ist und von blinkenden Schlägern; das frohe,
gemessene, feuchtfröhliche Treiben, das wir abgebildet sehen, spricht von der
grossen Disziplin, die hier herrscht. In Perseverantia Virtus, Injuriae ferrum
heisst der Wahlspruch, der in wahrhaft brüderlicher Freundschaft Welten ver-
bindet; jugendlicher Frohsinn wird hier gehegt und gepflegt auf der Pflanzstätte
des Gefühles wahrer Mannesehre und gegenseitiger Achtung, die erst ein einiges
festes Band der Freundschaft schafft; schwere Stunden fehlen auch nicht; im ,, Kon-
ventzimmer", wo gerade, wie wir sehen,' erregte Debatten den ganzen Mann
fordern, ist der Sarkasmus zum Durchbruch gekommen; ein genialer Maler hat
das bitterböse Wappen gemacht; statt des flotten Burschen und zu üppiger
Füchse hat er Krieger nach uralter Art gewählt, die über Totenschädel siegend
schreiten, wohl ominöser Weise auch die Kater alle andeutend, die hier liegen
bleiben; zum grossen Ernste mahnt der Innenschmuck und der würdevolle
Römer, dem man sein „Civis Romanus Sum" sicher glaubt. Eine Schiebewand
trennt es vom grossen Saal, der bei festlichen Anlässen so um ein gut Teil
vergrössert wird.

In der Ecke bei der Fensternische, wo alle vorüber müssen, die ein- und
ausgehen, hängt ein Bild in Goldrahmen mit goldenem Lorbeerzweige und

von Trauerflor, umhüllt; es sind die Porträts der anno 1870/71 Gefallenen;
das Corps Rheno-Palatia hatte 40 Mann im Felde stehen; gleich der erste

'Tag von Saarbrücken sah den Corpsbruder Adam als Vice-Wachtmeister im
7. Ulanen-Regiment. Tapfer fochten sie für's deutsche Vaterland, vor Weissen-
burg, Sedan, Orleans, Paris etc. kämpften sie als wackere Vaterlandsverteidiger
in den vordersten Reihen.

Fest wird gepaukt, der studentischen Ehre die Rechte zu schaffen, nicht
weniger gefochten; im eigenen Fechtsaale sehen wir die Jungen gar mutig
sich regen, von den älteren unterrichtet und sekundiert. Der Ruhe wegen ist
der bequeme Teil im Souterrain gewählt, wo auch die Kegelbahn frohe Stunden
der Abwechselung bietet. Dass Not Erfindungen zeugt, kann man hier merken;
ein Corpsbruder erfand eine ganz eigene Vorrichtung zur Abschwächung der
Kugel, d. h. ihrer Schnelligkeit.

Das Haus ist zufolge der grossen Ausdehnung nicht ausschliesslich für die
Zwecke des Corps, wie schon angedeutet: „Hölle", die Gesellschaft hervor-
ragender Künstler und Gelehrten, „Victoria", ein Offiziersklub und „Sumpf",
die Vereinigung alter „Hofbräuhäusler", fanden hier ihr sicheres Heim, das die
einzelnen Gesellschaften jeweils originell , einrichteten. Architekt Dorner hat
sein köstliches Junggesellenheim auf der Höhe des Hauses aufgeschlagen, wo
ihm eine passende Veranda weiteren Blick zugute kommen lässt. Von nah und
fern werden die Aktiven in der Ausschmückung ihres Heims unterstützt; so
sandte ein Nürnberger Corpsbruder den „Bierstern" aus Glas, einstens alter
Patrizierfamilie schönes Gut; aus dem fernen Amerika langte eine Ueber-

^-asehung an, die jedes Waidmanns Herz höher schlagen macht: ein kolossaler
Elchkopf mit mächtigen Schaufeln; ein alter Angehöriger der Rheno-Palaten
sandte ihn, um so seine freudige Anteilnahme zu bekunden und sich als dank-
barer Freund zu bezeigen. — Kein Wunder, wenn der Corpsstudent nach
frohen Stunden in übermütiger Laune „von der Kneipe" gehend, noch dem
stets gleichmässig lustigen Dudelsackpfeifer auf dem Postament eine gute
Nacht wünscht und dabei mit dem „schwereren" Corpsbruder, der den Pfeiler
gar lieb umschlingt, um die Palme der Heiterkeit ringt.

Wenn der Morgen da ist, das Kolleg beendet, eilt der Rheno-Palate zum
Frühschoppen, den er jetzt in seinem Heim trinkt, im eigenen Zimmer, das
neben der grossen Torggelstube auch als „Herrenstübchen" dient. Der irdene
Ofen nimmt zwar Hitze auf und giebt davon ab, mehr aber der feurige „Speziale"

F. Bayerlein: Die Torggelstube im Corpshaiis der Rheno-Palaten zu München.
 
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