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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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12. Heft
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Misch, Robert: Der Adelsmensch, [10]: Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0298

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MODERNE KUNST,

tliat irgend eine Handreichung, die er sonst nur schwer erlangen konnte, In manchen Augenblicken hatte sie freilich die grösste Lust, Staub-

trotzdem jetzt zwei Dienstboten vorhanden waren. tuch und Kochlöffel, Opfermut und Seelengrösse, beleidigten Frauenstolz

Sophie, die ursprünglich allein war, hatte Meta bald klar gemacht, und Enttäuschung von sich zu werfen und zu dem geliebten Verbrecher

dass ein Zimmermädchen unumgänglich nötig sei und sich auch der Herrin nach Klotzow zurückzukehren.

als Zofe nützlich machen könne. Rohde, eine Verbesserung hoffend, Sie konnte Meta absolut nicht begreifen. Diese liebte eben ihren
hatte nichts dagegen einzuwenden; und so war Minna aufgetaucht, im Mann nicht, sonst würde sie sicherlich nicht so viel Charakterstärke ent-
Gegensatz zur majestätischen Küchenfee eine zarte Blondine, die über wickeln. Und warum zürnte die Freundin eigentlich ihrem Gatten? Man
Nerven und Migräne klagte und von Morgens bis Abends Romane aus musste wirklich schon so überspannt sein wie Meta, um Rohde nicht
einer benachbarten Leihbibliothek durchschmökerte. Sophie trätschte liebenswürdig und liebenswert zu finden.

derweil, wenn sie nicht auf ihrem Bette oder in der Herrin Abwesenheit Sie beobachte das Ehepaar doch nun schon einige Zeit, aber Rohde

auf deren Chaiselongue schlief, im Elause oder auf der Strasse herum. blieb sich immer gleich in seinem freundlichen Benehmen gegen Meta.

Beide aber faulenzten, assen und stahlen nach Herzenslust. Schon Hier ein barmherziges Werk zu thun und das Ehepaar zu versöhnen,

bloss durch ihre Gegenwart war Hermine den beiden „Damen", wie diese das war offenbar die Mission, die ihr zuteil geworden. Es schien, als

sie titulierte, lästig, noch ehe sie selbständig eingriff. Jetzt, wo sie es hätte sie der Himmel zu dieser Aufgabe extra hierhergeführt,

mit der Erlaubnis des Ehepaares endlich that, brach bald die Revolution Freilich musste sie erst sein Vertrauen gewinnen. Bisher hatte Rhode

aus. Mit wachsendem Erstaunen erst, dann mit Ingrimm sahen beide ihr nie eine direkte Antwort auf ihre Anspielungen über seine Ehe ge-

wie der „Besuch" die Zügel der Herrschaft zu ergreifen und sogar fest geben. Er wich dem geflissentlich aus und kam augenblicklich auf etwas

anzuziehen versuchte. anderes zu sprechen, sobald sie davon anfing.

Sophie als Oberhaupt und Sprecherin fragte Meta, wann denn nun Sie versuchte es daher zunächst bei Meta. Wenn die Freundin sich

endlich der „Besuch" wieder abreisen würde. über die geistige Inferiorität ihres Gatten, über seinen Materialismus, seine

„Vorläufig bleibt meine Freundin hier, auf unbestimmte Zeit." idcallosc Gesinnung und seine Roheit beklagte, suchte Hermine sie zu

„So — o? — Na, dann muss ich gnäd'ge Frau kündigen." widerlegen. Sic lobte und strich ihn im Gegenteil heraus. Meta funkelte

„Warum denn?" fragte Meta, die eben einen Vortrag las. sie dann ganz eigentümlich an, halb spöttisch, halb verächtlich, wenn jene

Sophie wollte ihrem Herzen Luft machen; aber die sonst so gütige, ihr auseinandersetzte, dass es unrecht sei, allzu grosse Ansprüche an einen

nachsichtige Herrin unterbrach sie gelangweilt: vielbeschäftigten Geschäftsmann zu stellen; dass die Ehe doch keine

„Sagen Sie das meiner Freundin selbst .... sie soll jetzt ein bischen Anstalt zur gegenseitigen moralischen Vervollkommnung und keine

nach dem Rechten sehen . . . oder dem Herrn . . . ich habe keine Zeit." Akademie der Wissenschaften sei, sondern ein ganz materielles Mit-

Mit recht langer Nase ging Sophie hinaus. Frau Hermine, die durch einanderleben,

eine Bemerkung Metas davon Wind bekam, benutzte mit Schlauheit ,,So siehst Du sie an — und er auch. Und darum passt ihr beide

die Gelegenheit, gleich beiden die „erbetene" Kündigung zu gewähren. vortrefflich zueinander —■ ganz ausgezeichnet!" erwiederte ihr Meta mit

Empört zogen sie ab. Sophie hob beim Abschied ihren roten, dicken verächtlichem Achselzucken.

Finger warnend vor Meta auf. „Gnäd'ge Frau können mir leid thun!" Eines Tages wurde Hermine unfreiwillige Zeugin einer ehelichen

sägte sie und rollte die runden Augen vielsagend gegen das Wohnzimmer Scene, die sie einen tiefen Einblick in das Verhältnis der Beiden

zu, wo man Hermine und den Hausherrn lustig lachen hörte. thun licss. Sie sass, auf die Heimkehr der Gatten wartend, die

So abwesenden Geistes die junge Frau auch in diesem Augenblick sich zum Mittagessen wieder einmal verspätet hatten, im Salon,

war, der warnende rote Finger machte doch Eindruck. In die Rede, die ein Zeitungsblatt in der Hand, als plötzlich Mann und Frau dicht

sie eben ausarbeitete, klang es warnend hinein: „Sie können mir leid hintereinander ankamen und sich im Esszimmer trafen, das nur eine

thun!" — und dazwischen das lustige Lachen. Portiere vom Salon trennte. Hermine, die ein angefangenes Feuilleton

Was meinte die alberne Person eigentlich, die sie mit einem kühlen noch rasch zu Ende lesen wollte, rührte sich nicht.
Kopfnicken entliess? Solche Leute wittern mit ihren niederen Instinkten Rohde schien durch irgend eine gute Nach-
natürlich überall niedriges und gemeines. Aber dies lustige Lachen rieht, vielleicht auch durch ein Glas Wein in
ärgerte Meta. In ihrem Hause brauchte man nicht so lustig zu lachen. äusserst froher, mitteilsamer Laune zu sein.

Worüber lachten sie denn so, die Beiden? Sie konnte der Neu- Er fragte seine Frau, mit der er sonst nur
gier nicht mehr widerstehen, stand auf und ^my das Notdürftigste sprach, wie sie ihren Vor-
schaute, was sie trieben. Nun, es war 'jLJ mittag zugebracht. Sie gab kurze, ziemlich
lustig genug. Hermine hatte sich — als jf unfreundliche Antworten. Er beharrte, wollte
Zeichen, dass sie nun das Hausregiment rf\ | näheres wissen, was sie in ihrem Verein ge-
ganz übernähme — die Aermel ihres Kleides JH , sprachen und beraten hätten. „Mein Gott,
hoch hinaufgesteckt und Hess die schönen, im t~ ■ das interessiert Dich doch sonst nicht?"
vollen Arme ungeniert sehen. 7 »Nun, heute interessiert es mich. Schliess-

„Jetzt geht's los," lachte sie und schwang .M^^^^^^m^K^ ''C'' _7~ schlicssUch sind wir doch Mann und

Es war gewiss nicht ihre Absicht, dabei j gute Stimmung Hess sich heute durch nichts

so rosig, mollig und reizend auszusehen; aber ** "$ » *, If umbringen und abschrecken. Er kam auf sie

Frau Meta fühlte es doch wie eine persön- % jWiSHflHK zu, strich ihr über das Haar und machte sogar

liehe Beleidigung. Gekränkt zog sie sieh 1 ' tjgk " /Y^sflfej^V f • einen Versuch, den Arm um ihre Taille zu

wieder zurück und fand lange Zeit den Faden JB Hkjflta£^e4flj legen. Sie prallte erschrocken zurück.

Die junge Witwe stürzte sich die nächsten jjHBBwflBJP^VBBJ^BjH** Scherzen nicht aufgelegt."

Tage tüchtig in die Arbeit. Ein bescheidenes ■■BflBBBBBBBBBBBBBBp B „Scherzen? Erlaube, Du bist doch meine

Ding, das sie gemietet, und das nur wenig HF^JM^. —BB^jt Frau! Und wenn ich auch bisher nicht den

vom Kochen verstand, wurde von ihr ein- Herrn und Gebieter herausbeissen wollte,

gedrillt. Das Herumwirtschaften war Herminen ,^*^mwWkWF"""" alles muss doch einmal ein Ende haben. So

Bedürfnis und zur zweiten Natur geworden. flJBJL. ^mWm\mr kann das doch nicht fortgehen. — Komm,

Und dann suchte sie das nagende Gefühl in ■mmbbmhbbbhi -äH^^ Kleine . . . wir wollen uns einmal vernünftig

ihrem Herzen damit ZU ersticken. F. Bayerlein: Im Corpshaus der Rheno-Palaten zu München aussprechen!"

„Von der Kneipe".

XIV. 12. IL
 
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