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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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21. Heft
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Kraus, Eberhard: Maientage in Paris: Reiseskizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0516

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aienfage in jj^aris.

Reiseskizze von Eberhard Kraus.

"^^^ [Nachdruck verboten.]

p Paris, 15. Mai.

Einzige Tilly!
glücklich in Paris angelangt!

Der erste Eindruck ist der ent-
scheidende! Als wir heute am Nord-
bahnhof das Kupee erster Klasse verliessen, das
uns von Köln ab Obdach und Ruhestätte geboten
hatte, umrauschte uns sofort die tosende Verkehrs-
flut einer Weltstadt. Scharen von Kofferträgern
von Hotelbediensteten eilten geschäftig hin und
her, hunderte von Pferdehufen stampften un-
geduldig den glänzenden Asphalt. Während mein
Gatte mit der Douane und dem Octroi zu thun
hatte — Zoll und Lebensmittelsteuer, was sich
doch die freiheitsstolzen Franzosen alles gefallen
lassen! — sass ich in der durch ihn „gecharter-
ten" Droschke und ärgerte mich nachträglich über
die ungerechten Urleile, die er gefällt hatte, als
wir aus dem dichtbevölkerten und kohlenstaub-
geschwärzten Belgien in das zwar sorgsam ge-
pflegte, aber auch menschenarme Nordfrankreich
hinübergerollt waren. „Eine alte, aber auch über-
lebte Kultur", hatte er geringschätzig, ja nahezu
mitleidig geäussert, „ein entvölkertes Land!" In-
mitten dieses geradezu fieberhaft pulsierenden
Lebens, dieses rastlosen Hastens und Schaffens
musste er unbedingt seine Ansicht ändern. Als
er rascher, als ich erwartet hatte, einstieg, ohne
dass ihn die gefürchteten Douane- und Octroi-
beamten auch nur um den kleinsten Silberling
erleichtert hatten, gab ich ihm denn auch zu ver-
stehen, dass ich von ihm einen vollständigen
Widerruf erwarte. Er blieb mir die Antwort
schuldig — wie immer, wenn er sich im Unrecht
fühlt! Als wir aber die oft engen und winkligen
Gassen dieses alten Stadtviertels durchfuhren, die
von düsterbrennenden Gasflammen spärlich er-
leuchtet waren, als wir anstatt pfeilschnell dahin-
schiessender, glänzend erhellter elektrischer
Strassenwagen meist schwerfällige Omnibusse er-
blickten, die sich unter dem Schellengeläut ihrer
drei riesigen Zugpferde wie auf Rollen gesetzte
amerikanische Wohnhäuser oder wie hochbordige
Kriegsschiffe aus den altenSeebildern schwankend
vorwärts bewegten, da bekam er wieder Auf-
wasser. „Können diese öffentlichen Einrichtungen
sich auch nur mit denen von Leipzig, Breslau,
Frankfurt a. M. messen, von Berlin und Hamburg
gar nicht zu reden?" warf er herausfordernd hin.

F. Cucuel: Im Konzert- Kaflee.

XIV. 21. I.
 
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