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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0552

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MODERNE KUNST.

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anstalt, dann kommt Philipp Frick, der Leiter
der „Neuen Bayerischen Zeitung". Von den Stehenden
überragt der bekannte Schriftsteller G. M. Conrad
seine Kollegen um einen halben Kopf. Am runden
Mitteltisch hat neben Schaumberg Frhr. von Sey dlitz,
daneben Dr. Fritz Trefz von den „Neuesten Nach-
richten" und an dessen Seite k. Rat Heinrich Leher,
Herausgeber des „Bayerland" Platz genommen.
Diesem im Rücken sitzt Professor Dr. Hans Reidel-
bach, ebenfalls ein Förderer der Heimatkunde mit
der Feder. Am dritten Tische rechts als der letzte
sitzt Max Neal, der Chefredacteur der „Münchener
Zeitung". — Ein letztes Bild führt uns im Geiste in
den traulichen Kneipsaal des Corps „Bavaria", und
wo könnte ein Trinkhaus der Bayern anders sein
als in unmittelbarer Nachbarschaft des Hofbräuhauses
am Platzl? Dass hier hohe Beamte als alte Herren
zu den jungen sich gesellt haben, ist wohl die schönste
Illustration des Studentenliedes: „Die alten Burschen
leben noch, es lebt die alte Treue?" H. Roih, München.

(Die Illustrationen sind nach Aufnahmen von B. Dittmar,
Hofphotograph in München, hergestellt.)

Von dem berühmten Schachmeister J. H.
Blackburne erzählt ein kürzlich in London er-
schienenes Buch allerhand Neuheiten. Jahrzehnte-

Bockfrühschoppen des Münchner Journalisten- und
Schri ftsteller -Vereins.

Geistes inner'm Aug'". Während er spielt, sieht, hört,
empfindet er fast nichts. Alle anderen Sinne schlafen,
er weiss nicht einmal ob er Wasser oder Wein trinkt.
Auch fühlt er kaum, wenn man ihn leise berührt.
Allerdings spielt Blackburne bis zu fünfzehn Partien
gleichzeitig — „blind"! Wenn man „blind" den heissen
kann, der alles besser und schärfer sieht als alle
Sehenden. Sein Rivale in dieser Kunst, Zuckertort,
hat es gar einmal auf sechzehn solcher Partien ge-
bracht. Als Simultanspieler — d. h. von Brett zu
Brett schreitend — nimmt Blackburne es gern gegen
vierzig gleichzeitige Gegner auf und pflegt dabei sehr
schöne Resultate zu erreichen. Aber weit erstaun-
licher als alles bleibt doch das berühmte Matt in
sechzehn Zügen, welches Blackburne einmal ansagte
und das sich als unwiderleglich, als unumstösslich
richtig erwies, als man es nachher genau analysierte.
Man denke: Auf sechzehn Züge im Voraus alle mög-
lichen Kombinationen erwägen und richtig erwägen!
Dieser Schachmeister hat fast alle wichtigeren Spiele
seiner vierzigjährigen Praxis im Kopfe, man kann
ihn heute fragen, warum er damals vor vielen Jahren
gegen diesen oder jenen im soundsovielten Zuge so
und just nicht anders gespielt habe — er wird rasch

Münchener Künstler beim Maibock im Garten des
Künstlerhauses.

lang war er der stärkste Schachspieler Englands und
gehörte jedenfalls zu den allerersten Spielern des
19. Jahrhunderts. Gross ist er als Blindlingsspieler.
Ohne Ansicht des Brettes versteht er mehrere Partien
gleichzeitig besser zu führen als andere Spieler von
mittlerer Stärke, wenn sie vor den 64 Feldern sitzen
und den Kopf zwischen die Hände nehmen. Das
Blindlingsspiel ist alt. Im British-Museum wird eine
Handschrift bewahrt, welche meldet, dass im 7. Jahr-
hundert arabische Adepten vier Partien zugleich ohne
Ansicht des Brettes zu spielen imstande waren.
Auch in den Klöstern des Mittelalters bildete diese
Art von Gedächtnisübung den Zeitvertreib mancher
Mönche. Der Vater des modernen Blindlingsspieles
aber war gegen Mitte des 18. Jahrhunderts der Fran-
zose Philidor, den seine Bewunderer „ein Phänomen
in der Geschichte der Menschheit" nannten. Denn „so
lange es ein menschliches Gedächtnis giebt,. möge
die Erinnerung an dieses ausserordentliche Gedächtnis
treu bewahrt bleiben". Philidor spielte drei Schach-
partien gleichzeitig, ohne ein Brett anzusehen. Black-
burne behauptet, er spiele ohne Ansicht des Brettes
viel besser und bequemer als am Schachtische. Die
Figuren und die Felder genierten und verwirrten ihn
nur. Er sehe alles ganz deutlich vor sich „mit seines Münchener Künstler beim Maibock im Garten des Künstlerhauses.
 
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