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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 14.1900

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24. Heft
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Knoll, Rudolf: Eine Tanz-Akademie
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https://doi.org/10.11588/diglit.22226#0569

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MODERNE KUNST.

F. Müller-Münster: Magyar-Kör (offen).

von Tanzlehrern und -Lehrerinnen, die nicht nur aus allen Teilen
Deutschlands, sondern auch aus dem Auslande, ja selbst von jenseits des
„grossen Wassers" herbeieilen, um die ihnen gebotene Gelegenheit, neue
Fachkenntnisse zu erwerben, nach Kräften auszunützen. — Der jeweilige
Kursus einer solchen Tanz-Hochschule dauert vierzehn Tage, und in
dieser kurzen Zeit gilt es einen Lehrplan zu absolvieren, der die höchsten
Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und Ausdauer der Lehrer wie
der Schüler stellt. Zwar sind die letzteren eigentlich auch Lehrer, denn .
die in Rede stehende Hochschule bildet niemanden zum Tanzlehrer aus
(wozu, nebenbei bemerkt, eine Studienzeit von 3—4 Jahren erforderlich
ist), sondern verfolgt den Zweck, bereits erprobten Tanzlehrern die
Möglichkeit zu bieten, sich in der von ihnen ausgeübten Kunst zu ver-
vollkommnen. So.sehen wir denn unter den Teilnehmern an dem Kursus
neben jüngeren Damen und Herren auch solche, die bereits Jubiläen in
ihrem Beruf gefeiert haben, die aber in richtiger Erkenntnis des Wortes,
dass der Mensch nie auslerne, sich nicht scheuen, wieder in die Reihen
der Schüler zu treten. Im Zeitalter der Elektricität, in dem auf allen
Gebieten menschlichen Könnens und Wissens die wunderbarsten Fort-
schritte zu verzeichnen sind, durfte auch die Tanzkunst nicht stillstehen.
Der Wahrheit des Spruches „Stillstand ist Rückschritt" konnten sich die
Jünger der Muse Terpsichore am allerwenigsten verschliessen. So thaten
sie sich denn zusammen und gründeten einen Verein, um gemeinsam die
verschiedenen Mittel und Wege zu beraten, welche es ermöglichen würden,
den sich stetig steigernden Ansprüchen des Publikums gerecht zu werden
und die Tanzlehrkunst auf eine immer höhere Stufe zu bringen. Neben
der Herausgabe einer regelmässig erscheinenden Fachzeitung und in be-
stimmten Zeitabschnitten wiederkehrenden Zusammenkünften wurde die
Einrichtung einer „Hochschule" als den idealen Zwecken des Vereins
besonders förderlich erachtet. Zwar galt es zuerst viele Schwierigkeiten
zu überwinden und manche Zweifel zu besiegen, aber die zu den Leitern
des Vereins berufenen Männer Hessen sich weder dadurch noch durch
den reichlich bemessenen Hohn und Spott neiderfüllter Missgünstiger ab-
schrecken, auf dem als richtig erkannten Wege fortzuschreiten! Der

glänzende Er- gehend durchgenommen werden und eine einheitliche Art des Lehrens
folg hat ihre derselben erstrebt wird, sondern dass auch Unterricht in der Choreo-
Mühen reich- graphie (Tanzschreibkunst), Aesthetik, Anatomie und Pantomime erteilt
lieh belohnt. wird. Weitere Lehrfächer sind: Anstandsunterricht, Fechten und fran-
— Die diesem zösischc Sprache, soweit solche zum Verständnis der vielfachen fran-
Artikel beige- zösischen Tanz- und Schrittbestimmungen erforderlich ist. Ausserdem
fügten Bilder aber werden noch die verschiedensten National-, Charakter- und
führen dem Phantasie-Quadrillen eingeübt, so dass die Schüler die weitgehendste
Leser einige Belehrung und Anregung finden. — Das „kleine exercise", der alten
Scenen aus französischen Ballettschule entnommen, hat seit jeher die Grundlage
dem diesjähri- der Tanzlehrkunst gebildet und wird deshalb stets mit ganz beson-
gen Kursus für derem Eifer gepflegt. Dahin gehört auch die sogenannte Armschule,
Tanzlehrkunst welche besonders bei Mädchen-Tanzstunden von nicht hoch genug
vor Augen. zu schätzender Bedeutung ist. Neben dem „kleinen exercise" hat der
Eine eingehen- Griffel unseres Zeichners einige Hauptmomente aus dem in letzter
dere Schilde- Zeit vielfach genannten, weil von allerhöchster Stelle begünstigten
rüng und Dar- ungarischen Nationaltanz Magyar-Kör, der pantomimischen Tanzstudie
legung des ge- „Alte und neue Zeit", dem von Damen auszuführenden „Skirttanz" und
samten Lehr- einer „Katzenquadrille" festgehalten. Die zu den letzteren Tänzen
plans würde erforderlichen Kostüme werden während der Uebungsstunden in sehr ge-
den uns zur schicktcr Weise durch die einfachsten Mittel angedeutet, wie z. B. beim
Verfügung ste- Skirttanz, wo ein sinnreich angebrachter Schleier den Skirt ersetzen
,* henden Raum muss. — Zum Schluss der Hochschule findet vor einem geladenen
bei weitem Publikum, unter dem sich stets auch einige Vertreter der Presse befinden,
überschreiten; eine Prüfung statt, die von zwei als Fachautoritäten anerkannten
deshalb wollen Kommissären (Ehrenmitgliedern des Vereins) vorgenommen wird. Das
wir nur darauf Resultat dieser Prüfung wird den Examinanden alsdann unter Ausschluss
hinweisen, der Öffentlichkeit mitgeteilt und jedem Schüler schliesslich ein Abgangs-

dass auf der zeugnis in Form eines künstlerisch ausgestatteten Diploms überreicht. —
Hochschule Als Beweis dafür, dass der Tanz nicht nur veredelnd auf den Körper,
nicht nur sämt- sondern auch auf Sinn und Gemüt wirkt, möge nächst dem herzlichen
liehe Rund- Einvernehmen, welches zwischen den Lehrern und den Schülern beregter
und Figuren- Hochschule besteht, der Umstand gelten, dass die sämtlichen Lehrer ihre
F.Müller-Münster: Magyar-Kör (geschlossen). tänze sehr ein- Thätigkeit vollständig ohne Entgelt, nur der Kollegialität halber, ausüben.
 
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