Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912
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1. Heft
DOI Artikel:Biermann, Georg: Karl Schuch als Landschafter
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KÄRL SCHUCH ALS LANDSCHAFTER
hier ift jene „Straße in Olevano“ entftanden, die bereits ganz den Einfluß Leibis ver-
rät und doch für den Landfehafter Schuch nicht weniger charakteriftifch ift (Abb. 3).
Unfagbar fchön ift der Kontraft von Hell und Dunkel auf diefem malerifch ungemein
vollfaftigen Bilde und eine mit Worten kaum zu umfehreibende Schwermut gibt der
an Vermeer gemahnenden Feiertagsftille etwas weltfern Träumerifches. Wie ein Pen-
dant zu diefem Gemälde mutet die alte Schmiede in Weßling an, die dem nächst-
folgenden Jahre entftammt (Abb. 4). Auch fie weift deutlich die Beziehungen zu Leibi.
Aber diefe find doch nur rein äußerlicher Art, infoweit, als eine gewiffe Weichheit der
malerifchen Behandlung unzweideutig an die Palette des Meifters gemahnt, der damals
durch fein Können alle Jünger diefes Kreifes befruchtet hat und immer wieder in
direkter Fühlung mit ihnen ftand. Aber gerade bei diefem Bilde deutet die wunder-
volle Harmonie von hellen, roten und dunklen Tönen fchon vielfagend auf den Drei-
klang des Valeurs, der fo oft in den Schuchfchen Stilleben der fpäteren Jahre auf
feine Koften kam. Ähnlich wie bei der Straße in Olevano ift hier das Motiv „Form
an fich“ und die gleiche weltferne Stimmung gibt dem Werke den Zauber höchfter
Poefie. — Aus dem folgenden Jahre (1877) ftammt die fchon oben genannte Mühle
bei Prags im Puftertal, die ein Lieblingsmotiv des Meifters umfehreibt, das auf anderen
Werken (wenn auch lokal unterfchieden) öfters wiederkehrt (Abb. 5). Aber gerade
diefe zeigen augenfällig die Steigerung im Malerifchen und nicht zuletzt auch die
völlige Befreiung von der eigentlichen Leibi-Palette. Die alte Mühle in Soul de Doules
und ebenfo der Wildbach (Abb. 6 u. 7) haben Courbetfche Anklänge, aber diefe be-
gehen nur infoweit zu Recht als es der Verwandtfchaft gleichgeftimmter Temperamente
angemeffen ift. Eine wunderbare Sonnenfreudigkeit hält in diefen Landfchaften, die
wohl ein Dezennium nach dem letztgenannten Bilde gemalt fein dürften, ihren Einzug
in das Oeuvre des Meifters, ein Impreffionismus der Farbe, der die letzten Erinnerungen
an die Tradition der Alten abgeftreift hat. Auf diefen Schöpfungen begegnet der
Landfehafter Schuch, deffen Stilleben kaum noch eine finnfällige Beziehung zu folchen
Bildern aufzuweifen haben. Hier erfcheint er ganz frei und ganz groß und unmittel-
bar als Apoftel einer Naturfchilderung, die er fich in heißem Bemühen, dem Wunfch
feines Ehrgeizes entfprechend, erobern konnte, eben weil ihm die Stillebenmalerei das
technifche Rüftzeug mit auf den Weg gegeben hatte. -— Diefe Werke find fo fouverän
im Rahmen der deutfehen Kunftgefchichte wie die Meifterftücke eines Leibi, die beften
Landfchaften des jungen Thoma oder die Werke eines Trübner aus der gleichen Zeit.
In diefen Schöpfungen nimmt die Entwicklung der modernen Malerei Jahrzehnte vor-
weg, weil fie durch Qualität im artiftifchen Sinne geadelt find und doch der ftärkfte
Ausdruck einer Perfönlichkeit bleiben, die wie Karl Schuch das Danaidengefchenk des
pofthumen Ruhmes empfangen hat, der uns bisher nur die eine Seite feines Künftler-
tums offenbar machen konnte. Die war gewiß bemerkenswert und wird es immer
bleiben. Aber da der Kunfthiftorie die Aufgabe Vorbehalten ift, jene Werte feftzulegen,
die oftmals von den Mitlebenden unerkannt geblieben und gering erachtet wurden,
erwächft ihr gegenüber dem Oeuvre eines Schuch doppelt die Pflicht, das in feiner
Malerei beizeiten einzufchätzen, was vielleicht der echtefte Ausdruck feines Wefens
war: Den Maler der Landfchaft, der in den Galerien und Privatfammlungen ebenfo-
wenig fehlen darf wie der mit Recht bewertete Schöpfer der Stilleben, die in ihren
Symphonien Offenbarungen eines malerifchen Genies find, das in fchlimmer Zeit zum
Schaffen berufen war, aber dennoch nicht zu fpät in feiner Größe erkannt worden ift.
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hier ift jene „Straße in Olevano“ entftanden, die bereits ganz den Einfluß Leibis ver-
rät und doch für den Landfehafter Schuch nicht weniger charakteriftifch ift (Abb. 3).
Unfagbar fchön ift der Kontraft von Hell und Dunkel auf diefem malerifch ungemein
vollfaftigen Bilde und eine mit Worten kaum zu umfehreibende Schwermut gibt der
an Vermeer gemahnenden Feiertagsftille etwas weltfern Träumerifches. Wie ein Pen-
dant zu diefem Gemälde mutet die alte Schmiede in Weßling an, die dem nächst-
folgenden Jahre entftammt (Abb. 4). Auch fie weift deutlich die Beziehungen zu Leibi.
Aber diefe find doch nur rein äußerlicher Art, infoweit, als eine gewiffe Weichheit der
malerifchen Behandlung unzweideutig an die Palette des Meifters gemahnt, der damals
durch fein Können alle Jünger diefes Kreifes befruchtet hat und immer wieder in
direkter Fühlung mit ihnen ftand. Aber gerade bei diefem Bilde deutet die wunder-
volle Harmonie von hellen, roten und dunklen Tönen fchon vielfagend auf den Drei-
klang des Valeurs, der fo oft in den Schuchfchen Stilleben der fpäteren Jahre auf
feine Koften kam. Ähnlich wie bei der Straße in Olevano ift hier das Motiv „Form
an fich“ und die gleiche weltferne Stimmung gibt dem Werke den Zauber höchfter
Poefie. — Aus dem folgenden Jahre (1877) ftammt die fchon oben genannte Mühle
bei Prags im Puftertal, die ein Lieblingsmotiv des Meifters umfehreibt, das auf anderen
Werken (wenn auch lokal unterfchieden) öfters wiederkehrt (Abb. 5). Aber gerade
diefe zeigen augenfällig die Steigerung im Malerifchen und nicht zuletzt auch die
völlige Befreiung von der eigentlichen Leibi-Palette. Die alte Mühle in Soul de Doules
und ebenfo der Wildbach (Abb. 6 u. 7) haben Courbetfche Anklänge, aber diefe be-
gehen nur infoweit zu Recht als es der Verwandtfchaft gleichgeftimmter Temperamente
angemeffen ift. Eine wunderbare Sonnenfreudigkeit hält in diefen Landfchaften, die
wohl ein Dezennium nach dem letztgenannten Bilde gemalt fein dürften, ihren Einzug
in das Oeuvre des Meifters, ein Impreffionismus der Farbe, der die letzten Erinnerungen
an die Tradition der Alten abgeftreift hat. Auf diefen Schöpfungen begegnet der
Landfehafter Schuch, deffen Stilleben kaum noch eine finnfällige Beziehung zu folchen
Bildern aufzuweifen haben. Hier erfcheint er ganz frei und ganz groß und unmittel-
bar als Apoftel einer Naturfchilderung, die er fich in heißem Bemühen, dem Wunfch
feines Ehrgeizes entfprechend, erobern konnte, eben weil ihm die Stillebenmalerei das
technifche Rüftzeug mit auf den Weg gegeben hatte. -— Diefe Werke find fo fouverän
im Rahmen der deutfehen Kunftgefchichte wie die Meifterftücke eines Leibi, die beften
Landfchaften des jungen Thoma oder die Werke eines Trübner aus der gleichen Zeit.
In diefen Schöpfungen nimmt die Entwicklung der modernen Malerei Jahrzehnte vor-
weg, weil fie durch Qualität im artiftifchen Sinne geadelt find und doch der ftärkfte
Ausdruck einer Perfönlichkeit bleiben, die wie Karl Schuch das Danaidengefchenk des
pofthumen Ruhmes empfangen hat, der uns bisher nur die eine Seite feines Künftler-
tums offenbar machen konnte. Die war gewiß bemerkenswert und wird es immer
bleiben. Aber da der Kunfthiftorie die Aufgabe Vorbehalten ift, jene Werte feftzulegen,
die oftmals von den Mitlebenden unerkannt geblieben und gering erachtet wurden,
erwächft ihr gegenüber dem Oeuvre eines Schuch doppelt die Pflicht, das in feiner
Malerei beizeiten einzufchätzen, was vielleicht der echtefte Ausdruck feines Wefens
war: Den Maler der Landfchaft, der in den Galerien und Privatfammlungen ebenfo-
wenig fehlen darf wie der mit Recht bewertete Schöpfer der Stilleben, die in ihren
Symphonien Offenbarungen eines malerifchen Genies find, das in fchlimmer Zeit zum
Schaffen berufen war, aber dennoch nicht zu fpät in feiner Größe erkannt worden ift.
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