Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

DOI Heft:
22. Heft
DOI Artikel:
Cohn, William: Die Ausstellung alter ostasiatischer Kunst in der Berliner Akademie der Künste
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0883

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE AUSSTELLUNG ALTER OSTÄSIÄTI-
SCHER KUNST IN DER BERLINER AKA-
DEMIE DER KÜNSTE Von WILLIAM COHN

Mit 24 Abbildungen, davon eine auf einer Tafel

I.

Sehen wir einmal ab von der Bereicherung unferes Formen fchat^es und der unmittel-
baren künftlerifchen Freude, die die oftafiatifche Kunft in ihrer befonderen Eigenart
bei jedem Empfänglichen erregen muß, fo fcheinen für den Europäer befonders zwei
Gründe für das Studieren und Sammeln der Erzeugniffe fo ferner Länder und Menfchen
zu fprechen. In der Kunft Oftafiens ftehen wir der einzigen außereuropäifchen Kunft
noch heute lebender und wirkender Völker gegenüber, und außerdem ift uns mit ihr
die Möglichkeit geboten, die Kunftentwicklung zweier nichteuropäifcher Nationen in
überrafchender Vollftändigkeit bis in die prähiftorifchen Zeiten hinein zu verfolgen.
Weder Ägypten und Äffyrien, noch Indien und Perfien können hier im entfernteften
rivalifieren. Jeder alfo, der fich zum Ziel gefeßt hat, hineinzufchauen in das Leben
der menfchlichen Phantafie, in den Wandel der Schönheitsbegriffe und -gesetze durch
Zeiten, Völker und Raffen, in das Aufkommen und Vergehen von Stilen, muß in dem
Studium oftafiatifcher Kunft eine unumgängliche Er-
gänzung fuchen, wofern feine Refultate nur eine Spur
von Weite und Ällgemeingültigkeit haben füllen. Eins
der großen Ergebniffe eines foldhen Überblicks wird
die Erkenntnis fein, daß die oftafiatifche Kunft bei
aller bedeutenden Abweichung im einzelnen keinen
anderen Verlauf genommen hat, als die europäifche,
das heißt alfo die fchließliche Überzeugung von der
Einheit des Menfchengefchiechtes auf Grund kunft-
gefchichtlicher Forfchungen, die die Anthropologie
fchon längft feftgeftellt hat. Damit fallen auch all die
Behauptungen von der Entwicklungslofigkeit oftafiati-
fcher Kunft, die man fo oft hören kann, und von
dem Fehlen jeglicher Künftlerperfönlichkeit gänzlich
in fich zufammen. Die Ausftellung in der Akademie
kann natürlich bei weitem nicht die ganze Entwicklung oftafiatifcher Kunft ver-
anfchaulichen oder gar Künftlerperfönlichkeiten greifbar machen, fie vermag aber
doch mehr als alle derartigen Veranftaltungen, die Europa bisher fah (von der
japanifch-britifchen Ausftellung von 1910 und von der letzten Parifer Weltausftellung,.
die Japan felbft befchickte, abgefehen), die großen Züge der Entwicklung, ihre wich-
tigften Stufen und einige ihrer wichtigften Träger jedem nicht gerade Kunftblinden
näher zu bringen. Man fchreite etwa von der archaifch-buddhiftifchen Kunft Japans
(bis ins 14. Jahrhundert hinein), wie fie der Nifchenfaal vereinigt, zu der asketifch-
ftrengen Schwarzweißmalerei (15.—16. Jahrhundert), wie fie in den Sälen 2, 5 und 6
repräfentiert ift, kehre dann zurück zum Eingangsfaale, wo die dekorativen Faltfchirme
des 17. und 18. Jahrhunderts fich ziemlich laut vernehmen laffen, um die wahrlich ab-
wechflungsreiche Wanderung durch die japanifche Malerei in den Sälen der Holzfchnitte
zu befchließen, wo die leichtfinnige Bürgerkunft des 18. und 19. Jahrhunderts fich an
den Wänden breit macht. Oder man überfchaue die Vitrinen im Saal 7 und 8 mit den
japanifchen Tfuba, dem einzigen oftafiatifchen Kunftgebiet, das in ziemlicher Lücken-

839

Äbb. 1. Chinef. Meifter des 14. Jahrh.,
Kuchenkorb

Kgl. Mufeen, Katalog Nr. 109

Der Cicerone, IV. Jahrg., 22. Heft. 63
 
Annotationen