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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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4. Heft
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Bombe, Walter: Neue Entdeckungen in Santa Croce
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0151

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NEUE ENTDECKUNGEN IN SANTA CROCE

Mit drei Abbildungen Von WALTER BOMBE

Die Florentiner Kunftfreunde verfolgen mit großer Spannung das Fortfehreiten der
von Profeffor Ezio Cerpi geleiteten Wiederherftellungsarbeiten in Santa Croce.
Beim Unterfuchen des Mauerwerkes hat man an vielen Stellen hochintereffante Fresken-
refte des Trecento entdeckt, die zum größeren Teil von Schülern und Nachfolgern
Giottos herrühren. In der großen Kapelle der Bar di im linken Querfchiff find die
Arbeiten vorläufig beendet. Von den Fresken Ägnolo Gaddis, die nach Vafaris An-
gabe hier die Gewölbezwickel fchmückten, kam leider nur eines, die Krönung des
hl. Ludwig von Touloufe, unter der Tünche zum Vorfchein. Der kleine Anbau neben
diefer Kapelle, eine Zutat fpäterer Zeiten ohne künftlerifchen Wert, foll befeitigt
werden. An feiner Stelle beabfichtigt der Leiter der Arbeiten die alte Außentreppe
wieder herzuftellen, die von dem mit einer giottesken Madonna gefchmückten Portal
zu dem jet$t verfchwundenen Friedhof in Via Malcontenti führte.

Die Entdeckung des Trionfo della Morte, über die ich kürzlich berichtete, hat
großes Auffehen erregt. Die packende Eindringlichkeit der Schilderung des Weltunter-
ganges und die Großartigkeit der Auffaffung haben ungezählte Bewunderer gefunden.
Es ift in hohem Grade wahrfcheinlich, daß noch andere Freskenrefte zum Vorfchein
kommen werden, fobald man fich dazu entfchließt, von den benachbarten Altären die
großen Leinwandbilder aus der Zeit Vafaris zu entfernen.

Noch 1547 befanden fich die Fresken Orcagnas wahrfcheinlich in gutem Erhaltungs-
zuftande. Nur waren fie einer Reinigung bedürftig. Wir entnehmen das aus einem
Libro di Debitori e Creditori, wo unter dem 18. Juni 1547 folgende Eintragung fich
findet: „a spese di nostra Opera L. 23. 19. 4. che di tanti era debitrice al quaderno B,
a 8 per far rinettare et lavare la faccia del muro dirietto al Pergamo di Santa Croce
dov'e l’onferno e il giuditio di commession degli Signori operai a libro4. Scudi 3. 8.6.“
Diefe Urkunde, die Moise in feiner Monographie über die Kirche mitteilt1, gibt zu-
gleich die Stelle an, wo die weiteren Nachforfchungen einzufet$en haben: Hinter dem
Altäre der Cappella Zati, mit dem Bilde des Jacopo di Meglio Coppi, das Chriftus
vor Pilatus zeigt, und hinter dem Altar der Cappella Corsi, wo wahrfcheinlich die
Geißelung Chrifti von Alessandro del Barbiere noch Refte der Fresken Orcagnas
verbirgt.

Im rechten Querfchiff hat der vom Glück begünftigte Leiter der Arbeiten unter der
Tünche eine Anzahl riefiger Prophetengeftalten entdeckt und freigelegt, von denen
wir bald den Lefern des Cicerone Aufnahmen vorzulegen hoffen.

Intereffant find auch die hier und an anderen Stellen entdeckten Refte dekorativer
Architekturmalerei aus den erften Jahrzehnten des Trecento. Über diefen urfprüng-
lichen malerifchen Schmuck der Kirche hat Prof. Oskar Wulff im Frühjahr 1905 in
einer Sitzung des Kunfthiftorifchen Inftituts Ergebniffe feiner Forfchungen mitgeteilt, die
fich durch die letzten Entdeckungen in erfreulicher Weife beftätigen. Die Wände der
um 1310 angebauten Kapellen des Querfchiffes zeigen im Charakter von Inkruftation
gehaltene Felder mit Vierpaßfüllungen. Diefe Art der Dekoration hat fich vollftändig
in der Kapelle der Velluti-Zati erhalten, hier durch einen Konfolfries und Stufen-
kreuze bereichert. Aber auch in den Kapellen, deren Dekoration dem veränderten
Zeitgefchmack hat weichen müffen, finden fich wenigftens Refte diefes urfprünglichen

1 F. Moise. Santa Croce di Firenze. Illustrazione storico-artistica, con note e copiosi docu-
menti inediti, Firenze 1845, Seite 111.

Der Cicerone, IV. Jahrg., 4. Heft. 10

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