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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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6. Heft
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Der Kunstmarkt - Von den Auktionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0261

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DER KUNSTMÄRKT — von den Auktionen

DIE VERSTEIGERUNG DER SAMM-
LUNG JEÄN DOLLFUS Die Verweigerung
der Sammlung moderner Meifter aus dem Befitz
von Jean Dollfus am 3.-6. März in der Galerie
George Petit war das bedeutendfte Ereignis
im Auktionsleben des Parifer Vorfrühlings, da
es [ich um eine der größten Sammlungen aus
dem 19. Jahrhundert handelte.

Jean Dollfus, der einer alten und reichen el-
fäffifchen Fabrikantenfamilie entftammte, wurde
am 2. Dezember 1823 in Mühlhaufen geboren,
verbrachte feine Jugend in der Schweiz, trat
dann in die Induftriewerke feiner Familie in
feiner Heimatftadt ein und wurde, nachdem er
noch Studienreifen durch Cuba und Amerika
unternommen hatte, künftlerifcher Leiter der
Abteilung der toiles peintes im Haufe feines
Vaters. Durch feine Verwandtfchaft mit dem
holländifchen Minifter des Äußeren, BaronHuyffen
de Kattendyke, der felbft Bibliophile und Kunft-
freundwar, wurde er fchon von feinem 23. Jahre
an dazu angeregt, Bilder zu famrneln. Damals
legte er den Grundftock feiner Sammlung hol-
ländifcher Gemälde. Der elfäffifche Maler Faller
war viele Jahre hindurch fein Berater und ver-
mittelte ihm die Bekanntfchaft mit vielen der
größten Maler Frankreichs. Während feiner
häufigen Reifen nach Paris um 1865 lernte er
Corot, Daubigny, Manet, Courbet und Renoir
perfönlich kennen. Nach dem Kriege von 1870
fiedelte er von Geisbühl bei Mühlhaufen ganz
nach Paris über und trat nun in engfte Füh-
lung mit den Künftlern feiner Zeit. Erft in den
lebten Jahren zog Dollfus fich vom öffentlichen
Leben zurück und lebte in ftillfter Zurückgezogen-
heit bis zu feinem Tode Ende Auguft vorigen
Jahres.

Seine Sammlung beftand, ähnlich der von
Camondo, Moreau-Nelaton und Rouart aus-
fchließlich aus Meifterwerken, die mit reifem Ge-
fchmack zufammengeftellt waren. Das verdient
nachdrücklich und mit lauter Bewunderung her-
vorgehoben zu werden; denn Dollfus hat feine
Bilder zum weitaus größten Teil für niedrige
Preife zu einer Zeit erftanden, als Corots Ruhm
durchaus noch nicht im Zenith ftand, als Manet,
Renoir und andere überhaupt noch keine Gel-
tung hatten. Corot war in der Sammlung Doll-
fus mit Werken von 1825—1875 fo vorzüglich
vertreten, daß diefePrivatfammlung einen lücken-
loferen Begriff von Corot gab, als die zer-
ftreuten Bilder des Louvre. Das herrlichfte Ge-
mälde Corots, „La femme ä la perle“, fo ge-
nannt nach der Perle in dem Blumenkranz auf
ihrer hohen Stirn, wird dank der Initiative Ray-
mond Koechlins die Tribuna des Louvre zieren.

Der frühe Corot war mit einigen unvergleich-
lichen, römifchen Landfchaften vertreten. Und
die frühe Waldfzene mit dem trunkenen Silen
in der Mitte, umgeben von bacchifdien Tänzern
(1838), ift Corots würdiger als jene monotonen
Waldfzenen mit Nymphen aus fpäterer Zeit, die
das breite Publikum vorzieht. Auch der große
Delacroix war hier mit Werken vertreten, die
feinen ganzen Reichtum entfalteten. Erftaunlich
waren befonders die Landfchaften, die Dela-
croix von einer ganz neuen Seite zeigten. Ge-
ricaults „Course des Barberi au Corso ä Rome“
hat pouffineske Kraft und Gefchloffenheit und
eine leuchtende Farbenpracht, die alle anderen
Werke des Jungverftorbenen überragt. Auch die
übrigen dieferZeit, Conftable, Daubigny, Michel,
Millet, Rouffeau waren mit kapitalen Gemälden
vertreten. Schon fcheinen in diefem Refumee die
höchften Attribute vergeben zu fein, obwohl von
Renoir noch kein Bild erwähnt wurde. Das
reiffte und köftlichfte, was der greife Meifter in
früheren Jahrzehnten gefchaffen hat, war in
diefer Sammlung vertreten. Seine Bildniffe
Sisieys und Monets wurden heiß umftritten.
„Die Loge“, eine Studie zu dem Bilde im
Luxembourg, feine „Weibliche Büfte“ erreichten
Preife, wie Renoir fie bisher noch nicht erzielt
hatte. In diefem Enfemble ftieg auch feine
Kopie der Judenhochzeit von Delacroix auf eine
für Kopien ungewöhnliche Höhe. Während der
ganzen Auktion herrfchte eine äußerft animierte
Stimmung. Mit heißem Eifer wurde von der
400köpfigen Menge um jedes einzelne Stück ge-
kämpft. Die Louvre-Ankäufe wurden mit lang
anhaltendem Beifall freudig begrüßt. Im ganzen
wurden 1 122760 Francs erzielt. Weniger ani-
miert verlief die Verweigerung der Handzeich-
nungen aus dem Nachlaß der gleichen Samm-
lung einige Tage darauf im Hotel Drouot, die
mit 53068 Francs abfchloß. Wir laffen hier
fämtliche Nummern der Gemäldeauktion mit
ihren Preifen folgen. Aus der zweiten Ver-
weigerung geben wir einige Stichproben im
nächften Heft.

Nr. 1. Bonington zugefchrieben, Die Frau mit
dem Muff (verl. 1000 fs.), Frau Thorins: 1020 fs.
— Nr. 2. Boudin, Unterm Schutzdach der Barken,
Hrn. Tempelaere: 850 fs. — Nr. 3. Conftable
zugefchrieben, Landfchaft (verl. 1000 fs.), Hrn.
Mirabaud: 1400 fs. — Nr. 4. Corot, Silen (verl.
80000 fs.), Hrn. Durand-Ruel: 81000 fs. — Nr. 5.
Die Große Meierei (verl. 100000 fs.), Herren
Bouffod & Valadon: 133000 fs. (auf der Ver-
weigerung Laurent-Richard, 1873, für 8200 fs. zu-
gefprochen). — Nr. 6. Die Frau mit der Perle
(ver!.150000fs.)an dasLouvre-Mufeum: 150000fs.

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