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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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10. Heft
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Der Neubau der Antiquitätenhandlung A. S. Drey in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0413

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DER NEUBÄU DER ÄNTIQUITÄTENHÄNDLUNG
Ä. S. DREY IN MÜNCHEN Mit 2 Abbildungen

Neben weltberühmten Sammlungen alter Kunft,
die bei dem (Zeigenden Fremdenverkehr eines
von Jahr zu Jahr rapid zunehmenden Befuches
[ich erfreuen, find es insbefondere auch die vor-
nehmen und großen Antiquitätenfalons Mün-
chens, die fo recht auf die Bedeutung der Stadt
als eine der machtvollften Zentralen des inter-
nationalen Kunftlebens hinzuweifen geeignet find.
Unterzieht man [ich nur der geringen Mühe, in
die Beftände letzterer von Zeit zu Zeit einen
Blick zu tun, fo bekommt man gar bald eine
Ahnung davon, welch enorme Werte hier ftändig
im Fluffe find, wieviel Kunftvolles und Schönes
fortwährend zufammengetragen und von Mün-
chen aus wieder den in aller Welt zerftreuten
Sammlern und Liebhabern zugeführt wird. Als
Mufeen mit wechfelndem Beftand hat man fie
bezeichnet, diefe Salons und wenn irgendwo
folchen Anftalten diefer anfpruchsvolle Titel mit
Recht zufteht, fo ift es in der Hauptftadt Bayerns
der Fall, wo in der Errichtung und Äusgeftaltung
von Kunfthandlungen [ich nach und nach eine
Kultur ausgebildet hat, die einzig in ihrer
Art ift. Denn nirgendwo war man, wie hier,
von allem Anfang an darauf bedacht, jedes dem
Verkauf unterteilte Kunftwerk auch in einem
Milieu zu präfentieren, das dem einigermaßen
entfpricht, für das es konzipiert und gedacht
war, und nirgendwo hat man durch folch vor-
nehme Servierung des Äusgeftellten in nur an-
nähernd ähnlicher Weife den Appetit nach dem
Befiß davon auch in Kreifen zu reizen ver-
banden, die nicht reine Sammlerkreife find.

Den großartigen Repräfentationshäufern, die
einige unferer bedeutenden Kunftfirmen fchon
feit mehreren Jahren inmitten des modernen
Münchens unterhalten, hat neuerdings auch
die ältefte Äntiquitätenhandlung Deutfchlands,
Ä. S. Drey, einen Monumentalbau zur Seite ge-
teilt, der ohne weiteres den diftinguierteften Bau-
lichkeiten zuzuzählen ift, die das neuere München
entftehen fah und der für die Stadt eine
feiner hervorragenden Zierden bleiben wird.
Die 1839 in Würzburg gegründete, 1854 nach
München verlegte Firma, für deren Bedeutung
es, nebenbei bemerkt, auch fpricht, daß ihr fchon
feit 1906 eine Filiale in Paris angegliedert ift,
war bisher in der Maximilianftraße ftationiert;
das ftarke Wachstum der Beftände aber ließ
ein Verbleiben in den dort befchränkten Räumen
nicht länger als tunlich erfcheinen und fo fchritt
man zu dem Neubau an dem vornehmen Maxi-
milianplaß, der denn auch vor kurzem vollendet
und bezogen worden ift. Der Bau, nach Plänen
G. von Seidls von der Ärchitekturßrrna

Stöhr aufgeführt, ift an die Stelle des alten
Rechbergpalais getreten und nimmt wie alle
Bauten Seidls ftrengftens Bedacht auf das
ärchitektonifche Gefamtbild der Umgebung. Der
Totaleindruck ift der zurückhaltender Vornehm-
heit; in den oberen Gefchoffen wirken eindring-
licher nur der Rhythmus der fchmucklos aber
zahlreich eingebrochenen Fenfteröffnung und die
Loggienanlage des bekrönenden Stockwerkes,
während der eigentliche Schmuck fich an der
Bafis des Gebäudes konzentriert und durch die
Verfchiedenfarbigkeit des verwendeten Materials
auch in höchft reizvollen Kontraft zu der Einfach-
heit des Oberbaues gefeßt ift. Da fchmückt ein
nach Seidls Ängaben von Naager hergeftellter,
bewegt geftalteter Terrakottafries, den die Nym-
phenburger Manufaktur ausgeführt hat, die
Faffade, auch der figurale Schmuck, in fran-
zöfifchem Savonniereftein von Düll undPeßold
auf porticusartigen Vorfprüngen aufgefeßt, trägt
außerordentlich zur Belebung der Tektonik bei.
Gegen das Cafe Neue Börfe zu ift ein kleiner
Vorgarten vorgelagert, der wohl vorab den
Zweck hat, den Befchauer zum Zurückftehen zu
nötigen und der ihm den Standpunkt anzuweifen
hat, der für die Betrachtung der Außenfeite des
Gebäudes als der günftigfte erfcheint. Die Vor-
nehmheit des Äußern feßt fich konfequenterweife
im Innern des Baues fort, wo im Parterregefchoß
16 Räume und drei Kontors zur Aufnahme der
Kunftwerke beftimmt find, während die oberen
Stockwerke Vermietungszwecken dienen. In
Hinficht auf die Art der Schauftellung der
Antiquitäten und Kunftfchöpfungen muß die
Inneneinrichtung des Haufes geradezu als mufter-
haft bezeichnet werden. Münchens Mufeen und
auch die unter ihrem Einfluß ausgeftalteten
„Verkaufsmufeen“ krankten ja, mit Ausnahme
der Glypthotek, bis zum heutigen Tag faft fämt-
liche an dem großen Fehler, daß fie viel zu
viel gefüllt find und die zu enge Neben- und
Übereinanderplazierung der Gegenftände nicht
unerheblich den Genuß des Einzelwerkes be-
einträchtigt. Ein klaffifches Beifpiel hierfür ift
unfer Nationalmufeum, deffen Inneneinrichtung
von Seiß feinerzeit noch unter dem Einfluß
jener heute etwas anrüchigen Dekorationsmanier
der Münchner Neurenaiffanceleute vom leßten
Viertel des 19. Jahrhunderts vollzogen ift, zu
der hauptfächlich Gedon den Anftoß gegeben
hatte und die die damalige Freude an in male-
rifchem Durcheinander ausgeftalteten Ateliers
und Wohnräumen auch auf die Mufeumsge-
ftaltungen übertrug. Nach folchen Ideen an-
geordnet kommen viele der angefammelten

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