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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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22. Heft
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Rundschau - Sammmlungen
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0907

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SAMMLUNGEN o AUSSTELLUNGEN

Porträt des Prinzregenten Luitpold. Weiterhin
find an wichtigen Neuerwerbungen zu verzeich-
nen: ein großer Ältarflügel der Thüringer Schule
des frühen 15. Jahrhunderts und vier [ehr be-
deutfame Tafeln der bayerifch-öfterreichifchen
Schule, die etwa am Ausgange des 15. Jahr-
hunderts entftanden fein werden. Die Samm-
lung der plaftifchen Originale wurde bereichert
um ein kleines Kalkfteinepithaph, das wohl als
eigenhändige Arbeit Loy Herings aus Eichftätt
angefprochen werden kann, in die Sammlung
der Grabdenkmalsabgüffe kamen drei Regens-
burger Grabfteine als dortiges Gefchenk. Endlich
ift noch ein braunes Wachsrelief einer nackten
fchreitenden Frau zu erwähnen, das aus der
Nähe Peter Flötners ftammt.

WIEN Im K. K. MUSEUM FÜR ÖSTERR.
VOLKSKUNDE find gegenwärtig die Neuerwer-
bungen des Jahres 1912 ausgeftellt, unter denen
die zahlreichen Gegenftände der Volkskunft aus
Tirol und Vorarlberg befondere Beachtung ver-
dienen. Die Möglichkeit diefer reichhaltigen Er-
werbungen ift größtenteils der Munifizenz pri-
vater Kunftmäzene zu verdanken. Leider hat
diefes feit feiner Gründung proviforifch im Bör-
fengebäude untergebrachte, aber auch in Wien
felbft allzu wenig beachtete Mufeum in ganz
befonderem Maße an fühlbarem Raummangel
zu leiden, fo daß die überwiegende Mehrheit
feines reichhaltigen und intereffanten Kunftbe-
fißes ftändig magaziniert bleiben muß.

ÄUS STELLUNG EN

PARISER HERBSTSÄISON I. Dem

diesjährigen Herbftfalon ift ein ftarker Erfolg zu-
teil geworden durch etwa dreißig dekorative
Enfembles, die eine neue franzöfifche Raumkunft
auf guten Wegen zeigen und vor allem gewal-
tige Anftrengungen erkennen laffen, Verfäumtes
einzuholen; den ftarken Willen, bei einem nahe
bevorftehenden Wettftreit der Nationen auf die-
fem Gebiet mit Ehren dazuftehn. In 'der Tat,
was wir hier fehen, hat nichts mehr zu tun mit
den beklemmenden Kundgebungen neuer Stil-
formen, die etwa einer Kaminverkleidung den
Anblick eines reich dotierten Tunnelportals ge-
ben wollten; was als Lieblingsmotiv vor noch
nicht langer Zeit auf dem Programm der fran-
zöfifchen Dekorateure ftand. Diefe neuen Räume
erwecken nicht a priori Bedauern der guten
hiftorifchen Einrichtungen, fondern um produk-
tiver künftlerifcher Arbeit willen wohlverdientes
Intereffe, mögen fie dem perfönlichen Gefchmack
zufagen oder nicht, und aus manigfachen An-

regungen und Anlehnungen heraus refultiert doch
— fo bei den Schöpfungen der Andre Mare,
Groult, Follot — ein einheitlich Neues, das man
als den Ausdruck fpezififch franzöfifchen Cha-
rakters anfprechen möchte. Er mag zunächft
durch die andersartigen Lebensgewohnheiten
bedingt fein, denen der Raumkünftler hier ge-
nügen muß, fei es, daß er eine Wand mit Ka-
min und Spiegel zu gliedern oder dem Bedürf-
nis des traditionellen Salons Rechnung zu tra-
gen hat. Wir fühlen aber, daß darüber hinaus
eine Eigenart befteht, die fich nicht allein durch
jene äußerlichen Befonderheiten erklären läßt.
Sie genau zu umfchreiben müffen wir uns
heute noch weigern, weil wir zunächft eher die
fremden Anregungen herauszulefen bereit find.
Doch ebenfowenig wie diefe von den Werken
oder undankbar von den Künftlern verleugnet
find, wird der Franzofe hinter einer Anregung,
und fei fie die befte, je feinen fpontanen Tem-
peramentsausbruch verftecken können. Ander-
feits ftellt heimlich die Hoffnung, eingedenk der
hiftorifchen Vormachtsftellung franzöfifchen Kunft-
gewerbes, wohl jet^t fchon aufs Höchfte ab,
nämlich den Traum eines neuen Kunftgewerbe-
ftils wiederum durch die franzöfifche Gefchmacks-
kultur erfüllt zu fehn, und nota bene in Zukunft
den Markt zu beherrfchen.

Den wichtigften Anftoß gab der Bewegung,
wie bekannt, vor zwei Jahren die Ausftellung
des Münchener Kunftgewerbes, deffen Einfluß
wohl noch auf lange hinaus unverkennbar blei-
ben wird. Diefe Ausftellung hat vor allem die
Franzofen wieder den Anfchluß an den Stil
Louis-Fhilippe, eine folide, traditionelle Bafis
finden laffen. Im Fortgang der Bewegung ift
mittlerweile ein neuer Komplex von Anregun-
gen noch bedeutender geworden, als jeneerfte;
war jene formbildend, fo haben diefe zur Farbe
geführt, zur entfchloffenen Buntheit, worin heute
die Anwendung der Farbe befteht: Poiret und
fein Taufend und eine Nacht der Frauenkleidung,
die Ruffifchen Ballete im Chätelettheater, famt
ihrem slavifch-afiatifchen Barbarenprunk und im
befonderen ihr Dekorateur Bakft. Wir denken
auch, daß das Theätre des Arts, wo moderne
Wohnräume als Bühnenbilder lange bevor im
Parifer Alltag erfchienen, vorbildlich gewirkt ha-
ben mag, ein Künftlertheater am Bd. des Bat-
tignolles, der feine Mitarbeiter in den Kreifen
unferer Dekorateure und feine Prinzipien wie-
derum in deutfchen Vorbildern findet. —

Neben prunkvollen Ausftattungen fehen wir
auf diefer Ausftellung auch eine Reihe mehr
oder weniger gute einfache moderne Einrich-
tungen. Zum beften gehören die von Bignaux
im Auftrag der Magasins du Printemps ent-

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