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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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7. Heft
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Stätten der Arbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0292

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STÄTTEN DER ARBEIT*

„Was [ich fonft dem Blick
empfohlen
Mit Jahrhunderten ift hin“
Der Türmer in Fauft II.

Soviel ift gewiß: Wenn die
Kunft, wie es die Gefchichte
lehrt, wirklich der feinfte ver-
geiftigte Ausdruck einer Zeit ift,
dann mußten unferer Gegen-
wart künftlerifche Aufgaben Vor-
behalten fein, die fich fo kraß
von allem Überkommenen unter-
fcheiden wie der Geift des neuen
Jahrhunderts felbft von dem der
vergangenen Epochen. Das Le-
ben, dem unfere Väter und Groß-
väter noch mit einer gewiffen
Befchaulichkeit gegenüberftan-
den, hat im Verlaufe von we-
nigen Jahrzehnten feine Phy-
fiognomie fo von Grund aus
verändert, daß den modernen
Menfchen eine faft unüberbrückbare Kluft von
der vorhergehenden Generation zu trennen fcheint.
Nicht nur, weil er fich im Ganzen in ungleich
rafcheren Bahnen vorwärts bewegt, fondern
weil die Anfprüche an die Dynamik des Ein-
zelnen ungeheuer geftiegen find. Der Internatio-
nalismus ift einer der vielen typifchen Merk-
male unferer neuen Kultur geworden, feitdem
die Verkehrsmöglichkeiten ins Ungeahnte ge-

LOUIS CORINTH, Allegorie

wachfen find und die Menfchheit gelernt hat,
mit Hilfe der täglich fich mehrenden Erfindungen
alle Entfernungen auf ein Minimum an Zeit
zu reduzieren. Der impofante Aufftieg unferes
induftriellen Jahrhunderts, dem die Technik einen
neuen Lebensodem einblies, hat nicht nur fozial
taufend vormals fchlummernde Kräfte geweckt,
fondern auch künftlerifch ein neues Reich er-
fchloffen, dem der Titel „Stätten der Arbeit“
entlehnt wurde.

Zu zeigen, inwieweit die Kunft
bereits den Anfchluß an jene
eine, für unfere Zeit fo typifche
Ausdrucksform ihres Werdens
gefunden und die Grenzen ab-
zuftecken, die dem Künftler bei
der Bewältigung jener neuen
Motive feines Schaffens gezogen
find, gab die Idee zudieferVer-
anftaltung. Sie war gewiffer-
maßen durch die Hiftorie ge-
wiefen, wenn man fich daran
erinnert, daß die deutfche Kunft
fchon früh — fogar vor und
gleichzeitig mit dem Menzel-
fchen „Eifenwalzwerk“ — ge-
legentlich den Ausflug ins In-
duftrielle gemacht hat, wenn
man an Meunier denkt, der in der
Welt der Hochöfen das eigent-

WALTER KLEMM, Hackerbrücke bei München

1 Vorwort des von der Galerie Ernft
Arnold herausgegebenen Kataloges zu
der am 15. März eröffneten Dresdner
Äusftellung.

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