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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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4. Heft
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Belgisches Steinzeug
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Entdeckungen. Funde
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ENTDECKUNGEN UND FUNDE

ENTDECKUNGEN ♦ FUNDE

MÄSÄCCIO, MÄSOLINO UND DIE
CÄPPELLÄ BRÄNCÄCCI IN S. MÄ-
RIÄ DEL CÄRMINE Der in Florenz
lebende belgifche Kunfthiftoriker Jacques
M esnil hat über Mafaccio und die Brancacci-
Kapelle ardiivalifche Forfchungen unternommen,
deren Ergebniffe er im Januar-Äpril-Heft der
Rivista d’Ärte zu veröffentlichen beabfichtigt.
Mit feiner Erlaubnis geben wir den Lefern
des „Cicerone“ fchon heute einen kurzen Be-
richt. Die vermeintliche Katafterangabe Ma-
faccios vom 21. Dezember 1428, die Magherini-
Graziani in feiner Schrift zur Feier des fünf-
hundertjährigen Geburtstages Mafaccios zitierte1,
rührt, wie Mesnil gefunden hat, nicht von dem
großen Meifter Maso di ser Giovanni, fondern
von einem obfkuren Maso di Papi da San
Giovanni her, der uns nicht weiter intereffiert.
Es gibt nach Mesnils Feftftellung nur eine
eigenhändige Katafterangabe Mafaccios, näm-
lich die von Pini und Milanefi facfimilierte2 3 und
in der Zeitfchrift „Miscellanea d’Ärte“ noch-
mals abgedruckte vom 27. Juli 1427.8

Die Katafterangabe vom 18. November 1429
ift nur eine Äbfchrift der obenerwähnten4,
und der Name Mafaccios ift hier ausgeftrichen
mit der Randbemerkung: „Dicesi e morto a
Roma“. Demnach müßte Mafaccio nach dem
27. Juli 1427 und vor dem 18. November 1429
geftorben fein.

Über die Gefchichte der Brancacci-Kapelle
hat Emil Schaeffer intereffante Einzelheiten aus
den Aufzeichnungen eines Karmelitermönches
des 18. Jahrhunderts mitgeteilt.5 * Die Ängaben
Sdiaeffers erfahren jeßt durch die Forfchungen
Mesnils eine höchft erfreuliche Bereicherung.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts beabfichtigte
der reiche Marchefe Ferroni die Kapelle der
Brancacci zu erwerben, um fie in ähnlicher
Weife auszubauen, wie die Corfini ihre Kapelle
am entgegengefeßten Kreuzarm umgeformt
hatten. Diefem Umbau hätten die Fresken Ma-
folinos und Mafaccios zum Opfer fallen müffen,

1 „Mafaccio, Ricordo delle onoranze rcse in San Gio-
vanni di Valdarno nel di 25 Ottobre 1903“ (Florenz, 1904).
Ardi. St. Fior. Catasto del 1427, S. Croce, Piviere Cavriglia,
San Giovanni a. c. 819. In Magherini - Grazianis Schrift
findet fich unter dem vermeintlichen Selbftbildnis die Unter-
fchrift feines unberühmten Landsmannes.

2 „La Scrittura di artisti Italiani“, Bd. 1.

3 „Miscellanea d’Ärte“, 1903, Oktober-November.

4 Von Jodoco del Badia in feinem Äuffa{3: „Tommaso
di Giovanni detto Masaccio e Giovanni suo fratello“ in
„Rassegna Nazionale“, 1. November 1903, veröffentlicht.

5 „Repertorium für Kunftwiffenfchaft“, 1904, Band XXVII,

Seite 54.

aber die biederen Karmelitermönche „ per ac-
quistare un benefattore di quella portata nulla
saria calso piü non veder quei mostacci con
zimarre e mantelloni al antica abbigliati“ hätten
mit Freuden die ganze Kapelle demolieren laffen.
Glücklicherweife erftand den „Fraßen mit den
altmodifchen Röchen und Mänteln“ in Vittoria
della Rovere, der Mutter des Großherzogs Co-
fimo III. die Retterin, und der ehrgeizige Marchefe
mußte fich mit einer Kapelle in der Kirche der
Santissima Annunziata begnügen, die er dann
in fchnödefter V/eife verfchandelte.

Der anonyme Karmelitermönch macht noch
eine ganze Reihe intereffanter Ängaben über
die Kapelle, die 1390 durch die Familie Bran-
cacci erbaut worden fein foll. Nach dem Äus-
fterben der Brancacci blieb die Kapelle ohne
Patronat. Im Jahre 1678 wurde überder unteren
Freskenreihe ein vergoldetes Gebälk angebracht1
und 1746 hinterließ die Mutter des Priors Lo-
renzo Mafini eine Summe zur Herftellung einer
Stuckfaffade vor der Kapelle, die im nächften
Jahre vollendet, aber bald wieder abgeriffen
wurde, um einer neuen Faffade nach Zeichnung
des Architekten Chaman zu weichen. Der Prior
Mafini ließ dann durch den Maler Vincenzo
Meucci die Gewölbe neu bemalen und das
Fenfter erweitern, wofür er 1500 Dukaten auf-
wendete. Der Maler Meucci aber, „perche
le figure del terzo ordine nulla aveano
di pregio le ricopri col suo lavoro“. Dem-
nach wurde damals, um die Mitte des 18. Jahr-
hunderts, die dritte Freskenreihe mit Mafo-
linos Berufung des Petrus und des Andreas,
dem Petrus auf dem Waffer und dem Heiland,
der den Sturm ftillt, durch die Malereien des
Meucci zugedeckt!

Diefe Feftftellung Mesnils hat in Florenz großes
Äuffehen erregt. Die ftädtifche Kunftkommiffion
hat auf Antrag Giovanni Poggis fchon vor
fechs Monaten befchloffen, die Aufdeckung der
Fresken Mafolinos baldigft in Angriff zu nehmen.
Es wäre eine herrliche Überrafchung, wenn die
alten Malereien unter den künftlerifch wert-
lofen Dekorationen Meuccis wieder zum Vor-
fchein kämen. Walter Bombe.

FLORENZ Im oberen Stockwerk des Pa-
lazzo Vecchio hat man foeben die von
Bacchiacca dekorierte Loggia der Her-
zogin Eleonora da Toledo entdeckt und
fofort mit ihrer Freilegung begonnen. Wir

kommen auf den intereffanten Fund zurück, fo-
bald die Freilegungsarbeiten abgefchloffen fein
werden. W. B.

1 Ricordanzc 27, c. 53.

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