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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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20. Heft
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Takács, Zoltán von: Das Ernst-Museum in Budapest
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0812

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DAS ERNST-MUSEUM IN BUDAPEST

Mit 4 Abbildungen Von ZOLTAN VON TAKACS

Unterrichtsminifter Graf Johann Zichy hatte am 11. Mai Gelegenheit, eine Privat-
fammlung zu eröffnen, deren Studium für alle Hiftoriker der ungarifchen Kunft
unumgänglich notwendig fein wird. Zugleich wurde in einigen anfchließenden, ge-
fchmackvoll eingerichteten Sälen eine ftattliche Reihe von Werken des bekannten Malers
Prof. Paul Merfe v. Szinyei gezeigt, die uns nochmals veranlaßt, eines der intereffan-
teften Kapitel der ungarifchen Kunftgefchichte einer Revifion zu unterziehen.

Das kleine Mufeum, das jeßt dem Publikum zugänglich gemacht wurde, ift Eigen-
tum feines Gründers Ludwig Ernft, der fich fchon feit 25 Jahren bemüht, eine
ungarifche hiftorifche Sammlung zufammenzubringen. Das Refultat feiner Arbeit ift
eine Kollektion, die uns in die intime Gefchichte der ungarifchen Hiftorienmalerei Ein-
blick gewährt. Sie enthält nämlich eine Reihe Entwürfe, die einen großen Teil der
monumentalen Leiftungen der ungarifchen Malerei vorzüglich interpretieren und über
das Kunftwollen ihrer Schöpfer manchmal beffere Äuffchlüffe geben als die fertigen
Werke felbft. Sie find es auch, die durch ihre Unmittelbarkeit vor allem geeignet find,
die poetifch-hiftorifche Stimmung unferer Väter und damit den Geift der jüngftver-
gangenen Zeiten mit erleben zu laffen.

Die Sammeltätigkeit des Herrn Ernft fteht in feiner fpeziellen Art ziemlich vereinzelt
da, was uns aber durchaus nicht wundernehmen kann. Das Intereffe für hiftorifche
Fragen befindet fich nämlich in Ungarn gerade in unferen Tagen in ziemlicher Abnahme,
weil das Land foeben am Beginn einer großen demokratifchen Umwandlung fteht.
Auch Ludwig Ernft gehört zu denen, die fich um die Verbreitung der modernen Ideen
verdient gemacht haben (feine frühere Tätigkeit als Direktor des Nationalfaions beweift
es am beften) und das Gebiet der wiffenfchaftlichen Gefchichtsforfchung betrat er nicht.
Seine Sammlung hat auch eher kunfthiftorifchen als hiftorifchen Charakter. Er befißt
wohl intereffante hiftorifche Dokumente (Reliquien, Rüftungen uff.), die aus verfchie-
denen Zeitaltern ftammen und in feinem Mufeum ausgeftellt zu fehen find, fie fpielen
aber dort eine untergeordnete Rolle.

Den Schwerpunkt der Sammlung Ernft bilden die ungemein intereffanten Entwürfe
des vor zwei Jahren verftorbenen Historienmalers Bartholomäus v. Szekely. Diefer be-
deutende Künftler, der bis zu feinem Ende nicht müde ward, feine Kraft an den
fchwerften Problemen der monumentalen Gefchichtsmalerei zu meffen, hinterließ eine
fehr große Zahl mehr oder weniger entwickelter Projekte, die zum Teil ausgeführt
wurden, zum Teil lehrreiches Ateliergut geblieben find. Zu den letzteren gehören auch
die Skizzen, die in ihrer endgültigen Faffung die Ofener Fifcherbaftei fchmücken füllten.
Sie [teilen Szenen aus der Gefchichte der Gründung des ungarifchen Reiches dar. Ernft
befißt von ihnen in drei Faffungen den Übergang der Ungarn über den Dnjeper, zwei
Entwicklungsftadien der Kompofition der Erhebung Arpäds zum Fürften und eine
fkizzenhafte Darftellung der Szene, wie der greife Patriarch Almos das neue Land er-
blickt. Alle Themen veranlaßten Szekely, fich an den intereffanteften Raumproblemen
zu verfuchen und durch das Bewegen der Maffen neue Wirkungen zu erzielen. Das
leßte große Problem, das den greifen Meifter befchäftigte, war die Darftellung des be-
wegten Pferdes. Das Ernft-Mufeum befißt mehrere Stücke, in denen Szekely diefer
anziehenden Aufgabe mit großer Originalität zu Leibe ging. Zu erwähnen find hier
der Zweikampf des Königs Stefan des Heiligen und der Mädchenraub aus der Legende
des Wunderhirfches.

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