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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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4. Heft
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Breck, Joseph: Noch ein Beispiel für einen Drachen-und Phoenix-Teppich
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0155

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NOCH EIN BEISPIEL FÜR EINEN DRA-
CHEN- UND PHOENIX-TEPPICH

Mit einer Abbildung Von JOSEPH BRECK

Der ältefte exiftierende Teppich, der mit der Darftellung eines ähnlichen Gewebes
identifiziert worden ift, dürfte der berühmte Drachen- und Phoenix-Teppich im
Berliner Kaifer Friedrich-Mufeum fein, der aus einer Kirche Mittelitaliens ftammen [oll.
W. Bode erwarb ihn und lenkte zuerft die Äufmerkfamkeit auf feinen engen Zufammen-
hang mit einem Teppich auf dem Fresko der „Hochzeit der Findlinge“ von Domenico
di Bartolo im Spedale di Santa Maria della Scala zu Siena, das zwifchen 1440 und
1444 entftanden ift. Die Entftehungszeit des Berliner Teppichs mag man wohl mit
Recht früher als Mitte des 15. Jahrhunderts anfeßen, wo — wie das Fresko es ja be-
zeugt, ein Teppich diefer Art bereits exiftierte. Ein Vergleich mit den fogenannten
Drachen-Teppichen und anderen frühen Fabrikaten läßt ihn als mittelkleinafiatifches
Gewebe des 14. Jahrhunderts erfcheinen.

Da der Berliner Teppich oft reproduziert worden ift1, brauche ich nur daran zu
erinnern, daß das möglicherweife unvollftändige Feld in Quadrate eingeteilt ift, die je
einen achteckigen Raum enthalten, in dem in archaifcher Auffaffung der Kampf zwifchen
Drachen und Phoenix dargeftellt ift. In den durch die Achtecke abgegrenzten Eck-
räumen beßnden ßch gewundene Linien und kleinere dreieckige Felder; fchmale Be-
grenzungsftreifen begleiten eine mit einer Wellenlinie verzierte Kante. Der Teppich
auf dem Fresko Domenicos unterfcheidet fich von dem Berliner Exemplar dadurch,
daß die Quadrate durch Streifen voneinander getrennt find, die als Ornament ein
gleichwinkliges Rautenmufter aufweifen, das auf der Kante in größerem Maßftabe
und reicherer Ausgeftaltung wiederholt wird. Die Mufter in den Begrenzungsftreifen
und Eckfeldern find ebenfo verfchieden. Bis zum heutigen Tage find keine anderen
Beifpiele für diefe Art von Teppichen auf Gemälden bekannt geworden mit alleiniger
Ausnahme zweier Teppiche mit den oben erwähnten Motiven auf einem Cassone-Ge-
mälde der Jarves Collection in New Haven (U. S. A.), auf dem ein Florentiner Künftler
der erften Hälfte des 15. Jahrhunderts ein Turnier auf der Piazza Santa Croce dar-
ftellt. Diefe Teppiche find bei F. Sarre2 erwähnt. Eine Reproduktion des Gemäldes
findet ßch in der Auguftnumrner des Burlington Magazine, 1907.

In derfelben Jarves Collection beßndet fich noch ein kleines, bis jeßt unpubliziertes
Tafelbild, das — auch künftlerifch nicht unwichtig — ein fpezielles Intereffe für das
Studium der frühen orientalifchen Teppiche hat, da es ein weiteres Beifpiel für die
Art der eben befchriebenen Teppiche liefert. Diefes leider in fehr fchlechtem Zuftand
beßndliche Bild (Nr. 42) fcheint ein Teil einer Predella gewefen zu fein und ftellt die
Kindheit des hl. Johannes dar.

Im Katalog der Sammlung, der 1868 vorbereitet wurde, wird es Mafaccio zu-
gefchrieben. Das ift ficher unrichtig. Es gehört eher der zweiten als der erften Hälfte
des 15. Jahrhunderts an und meiner Meinung nach eher der Umbrifchen als der Florentiner
Schule, obgleich der Einßuß der leßteren bemerkbar ift. Es erinnert in mancher Be-
ziehung an die Gemälde Benedetto Bonßglis (er. 1420—1496) befonders an die Fresken
im Palazzo del Consiglio in Perugia und kann möglicherweife eine Arbeit von diefem

1 W. Bode, Vorderafiatifche Knüpfteppidie, 1903; F. R. Martin, Ä History of Oriental Carpets
before 1800 (1908).

2 F. Sarre, Mittelalterliche Knüpfteppidie, in Kunft und Handwerk, 1907. Seite 505.

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