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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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9. Heft
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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0377

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AUSSTELLUNGEN

ÄUS STELLUNG EN

DIE LEIPZIGER JÄHRESÄUSSTEL-
LUNG Mit der Äbficht, für Leipzig alljährlich
eine größere Kunftausftellung zu [ichern, hat [ich
ein Verein Leipziger Jahresausftellung konftituiert,
der jeßt nach wenigen Wochen vorbereitender
Tätigkeit mit feinem erften Unternehmen her-
vortritt. Man hat [ich zu einer Äusftellung für
Aquarell, Paftell, Zeichnung und Klein-
plaftik entfchloffen; wohl hauptfächlich deshalb,
weil es an geeigneten Räumen für größere Werke
fehlt. Schon in diefer Hinficht war das Pro-
gramm ein guter Gedanke. Das äußere Arrange-
ment wurde erleichtert, und die Äusftellung, die
im oberften Stockwerk des Handelshofes unter-
gebracht ift, macht denn auch von vornherein
einen günftigeren Eindruck als die vorjährige
Veranftaltung, wo der deutfche Künftlerbund
und die Leipziger Künftlergruppen mit einem
ganz unmöglichen Lokal vorlieb nehmen mußten.
Man wird aber auch gern anerkennen, daß heuer
bei der Einrichtung der Räume und Verteilung
der Werke ein befferer Gefchmack gewaltet hat.

Das Hauptverdienft an dem Gelingen gebührt
jedoch der Jury, die die Auswahl mit fehr
fidlerer Hand getroffen hat. Ein entfchiedenes
Bekenntnis zur Moderne und ein hohes Durch-
fchnittsniveau geben der Äusftellung ihren Wert.
Das Provinzmäßige, Gutbürgerliche, das fo viele
Leipziger Kunftbemühungen fonft charakterifiert,
fehlt diesmal. Gefällige Verkaufskunft einheimi-
scher und auswärtiger Künftler ift nach Möglich-
keit ausgefchaltet. Das Ganze wirkt z. B. viel
bedeutender und einheitlicher als die vorjährige
Dresdner Aquarellausftellung, die doch fchon
eine ganz anftändige Leiftung war. Man hat
fogar die Konfequenz gezogen und der moder-
nen deutfchen Kunft eine kleine Kollektion fran-
zöfifcher Impreffioniften und Poftimpreffioniften
an die Seite geftellt. Vieles hat man wohl fchon
anderswo gefehen, troßdem wird man wieder
gefeffelt; ein Zeichen, daß für die Auswahl die
Qualität maßgebend war, nicht die Überrafchung.
Allerdings liegt die Frage nahe, ob eine folche
Äusftellung hier fchon ganz am Plaße ift; da
die meiften der hier auftretenden Künftler in
Leipzig fo gut wie unbekannt find, und der Ge-
nuß an Zeichnungen ufw. immer fchon eine ge-
wiffe Vertrautheit mit der Art des Künftlers
vorausfeßt. Aber diefer Zweifel ändert nichts
an der Güte der Veranftaltung felbft.

Sehr ftattlich präfentieren fich die Künftler der
Berliner Sezeffion, auf deren Leitungen hier
überhaupt das Schwergewicht ruht. An der
Spiße Max Lieb er mann mit etwa zwei Duzend
Landfchafts-Paftellen und -Kreidezeichnungen;

Slevogt mit kleinen Akten von außerordent-
licher Kraft; Corinth mit verfchiedenen Arbeiten,
unter denen die Leda und eine köftliche Park-
landfchaft hervorzuheben find. Daneben präch-
tige Sachen der Kollwiß, Studienköpfe von
Dora Hiß, Porträts von Charlotte Berend.
Befonders erfreulich ift es, daß die jüngere
Generation fo frei zu Worte kommt. Man
fieht, wie die impreffioniftifche Schaffensluft Lie-
bermanns in der Jugend nachwirkt, ohne den
Temperamenten das Befondere zu nehmen. Von
der Naturauffaffung Beckmanns und Neu-
manns, die die Lebendigkeit oft zur Großartig-
keit fteigern, finden fich fchöne Proben, ebenfo
von den großen Landfchaftszeichnungen Brock-
hufens. Nicht ganz feiner Bedeutung ent-
fprechend ift Waldemar Rösler vertreten.
Ausgezeichnet dagegen Heckendorf, deffen
ftarke Kraft fich in zwei Aquarellen (Tiroler
Wafferfall) und mehreren Paftellen von eigen-
tümlicher Glut der Farbe ausfpricht. R. Groß-
mann kommt als vielfeitiges Talent zur Gel-
tung, befonders vorteilhaft mit einem Atelier,
das an die feinften Aquarelle Walfers erinnert.
Die Zeichnungen von Hasler, Mefeck, Preß-
felder, den beiden Möller geben ähnliche
Eindrücke wie in der Winterausftellung der Se-
zeffion, ebenfo Kardorff, Gabler, Büttner,
Ruhoff, der Dresdner Paul Wilhelm mit tüch-
tigen Paftellen. Werke von rein illuftrativem
Charakter fehlen faft ganz; die amüfanten Er-
findungen zum Schnabelewopski von Pascin
und die phantaftifchen Krißeleien Kubins be-
ftehen ja ohne alle literarifchen Reminiszenzen.

Eine recht günftige Vorftellung gewinnt man
von der deutfchen Aquarellmalerei. Man braucht
nur wenige Blätter nebeneinander zu halten und
ift erftaunt über den Reichtum an Ausdrucks-
möglichkeiten: Die heitere Helligkeit in Klingers
Weinbergsidyllen; die wunderbare Wärme und
fatte Leuchtkraft des Tons bei Ulrich Hübner;
Walfers entzückende Theaterfzenerien; dazu
der anmutige Pointillismus Paul Baums, der
zarte Schimmer von ein paar Flußlandfchaften
Friß Rheins oder der lyrifche Schwung bei
Richard Dreher, der die Erfcheinung nur oft
zu fummarifch wiedergibt.

Süddeutfchland ift verhältnismäßig fpärlich
vertreten. Einen fehr wertvollen Beftandteil
der Äusftellung bilden allerdings die Skizzen
Zügels, in denen die Beobachtung der Tier-
form und die des Lichts fo wunderbar zufam-
mengehen. Von Thoma fieht man eine Reihe
Studien, befonders fchön ein Aquarell (Haus im
Grünen) vom Jahre 1876; von Uhde einen
größeren Karton zu den würfelnden Kriegs-
knechten; forgfam ausgeführte Zeichnungen von

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