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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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19. Heft
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Braun, Edmund Wilhelm: Ein weiteres Werk von Israel von der Milla
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0783

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EIN WEITERES WERK VON ISRAEL VON DER

MILLA Mit einer Abbildung / Von Dr. E. W. BRÄUN-Troppau

Chriftian Scherer hat in diefer Zeitfchrift (IV,
S. 543 ff.) ein Solenhofer Steinrelief, dar-
ftellend eine Pieta, publiziert, das 1589 datiert
ift und die Signatur Israel v. d. M. trägt,
welche auf den zu Erfurt tätigen Meifter Israel
von der Milla zu deuten ift.

Was diefe Darftellung der Pieta felbft angeht,
die gegen Ende des 16. und im 17. Jahrhundert
außerordentlich beliebt war und häufig wieder-
kehrt, fo verweife ich auf den im Druck befind-
lichen II. Band meiner „Öfterreichifchen Privat-
fammlungen“, der die deutfchen Plaketten der
Sammlung Alfred von Walcher-Molthein in Wien
behandelt. Die Erfindung geht wohl auf einen
Augsburger Künftler — wahrfcheinlich ift es
M. Wallbaum — zurück.

Von dem Erfurter Meifter Israel jedoch exi-
ftiert noch eine weitere fignierte Arbeit, die ich
hier abbilde. Im Jahre 1898 wurde die Samm-
lung Heinrich Wencke in Hamburg durch Lem-
perts in Cöln verfteigert. Im Katalog findet fich
unter Nr. 205 ein quadratifches (23,5X23 cm)
Kehlheimer Steinrelief mit einer figurenreichen
Kreuzigungsgruppe im Vordergrund, während
im Hintergrund kleine Paffionsfzenen zu fehen
find, die Händewafchung des Pilatus, die Grab-

legung, Auferftehung und Chriftus als Gärtner.
Auf dem umgehenden Rande eine etwas ver-
wafchene Auffdirift, nach alter Angabe: „In
honorem pietate et dignitate praestantis domini
Michaelis Crancfeldii Civis et Senatoris Erfor-
diensis dignissimi faciebat Israel von der Müllen
inventor A« 1515“.

Natürlich ift das Datum, wie fchon aus dem
Stil des Reliefs hervorgeht, falfch gelefen und
dürfte wohl 1595 lauten. Wichtig ift der deut-
liche Hinweis der Infchrift auf den Künftler als
„inventor“ der Darftellung, der ja bei der
Braunfehweiger Pieta ein fremdes Vorbild benutzt
hat. Das Relief ruht in einem Holzrahmen,
deffen Schräge mit Elfenbeinplatten belegt ift;
diefelben find im Stile der Zeit mit Rankenwerk
graviert, in welchem Vögel und Vierfüßler fich
tummeln. Nach meinen Aufzeichnungen kaufte
Herr Loebbecke das Relief um den Preis von
2500 Mark. Ob es noch in feinem Befi^e ift, ift
mir nicht bekannt. Die Tätigkeit Meifter Israels
ift für Erfurt urkundlich belegt, er war der
Schöpfer des dekorativen „Roland“ vom Jahre
1591 auf dem Erfurter Fifchmarkt (vgl. Abb. bei
Overmann, Die älteren Kunftdenkmäler ufw. der
Stadt Erfurt 1911. S. 190.)

Der Cicerone, IV. Jahrg., 19. Heft. 55

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