Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (4.1912)

DENKMALPFLEGE o ENTDECKUNGEN UND FUNDE o PERSONALIEN

DENKMALPFLEGE

BRÜSSEL In der Äbtei von Tongerloo
in Belgien befanden [ich fieben Pannele, welche
von den Mönchen der Äbtei bei Goswyn van
der Weyden, einem Verwandten Rogier’s van
der Weyden, 1505 beftellt worden waren und
Szenen aus dem Leben der hl. Dymphne, Pa-
tronin der Irrfinnigen, zum Gegenftand haben. —
Noch heute befteht in dem Orte Gheel, unweit
von Tongerloo, eine Irrenanftalt. Diefe Ge-
mälde, allerdings weit entfernt von der Be-
deutung der Werke Rogier’s, find kürzlich in
den Befilj der Kunfthandlung von Frederic
Müller & Cie. in Ämfterdam übergegangen,
wo fie jetjt aufgeftellt find. Damit ift Belgien
wiederum ein immerhin beachtenswertes und
kunfthiftorifch intereffantes Kunftwerk verloren
gegangen, welches ohne Mühe und Aufwendung
großer Summen in feinem Befitje hätte bleiben
können, wenn man es fidi rechtzeitig hätte an-
gelegen fein laffen, die Hand darauf zu legen.

F. M.

ENTDECKUNGEN ♦ FUNDE

ZUR ENTDECKUNG EINES FRAG-
MENTES VON RÄFFÄELS KRÖ-
NUNG DES HEIL. NIKOLAUS VON
TOLENTINO Zu unferer Notiz in Heft 15,
Seite 610 diefer Zeitfchrift können wir ergän-
zend mitteilen, daß Dr. Oskar Fifchels Vermutung,
das Bruftbild eines Engels in der Galleria Civica
Tosio-Martinengo zu Brescia betreffend, fich in
erfreulicher Weife beftätigt hat. Starke Re-
touchen und Übermalungen machten wahrfchein-
lich, daß das Bild aus größerem Zufammen-
hange ftammte, und die genaue Übereinftimmung
mit dem Engelskopf rechts vom hl. Nikolaus
vonTolentino auf der Kopie diefes verfchollenen
Jugendwerkes Raffaels brachte Fifchel zu der
Überzeugung, daß wir hier ein Fragment des
zerftückelten Altars befiljen. Fifchel glaubte
fogar, die Konturen des benachbarten Engels
in der dick zugeftrichenen Partie rechts vom
Äntlitj des Brescianer Figürchens fich markieren
zu fehen. Jet^t hat Prof. Luigi Cavenaghi,
der rühmlichft bekannte Reftaurator alter Ge-
mälde, auf Veranlaffung Corrado Riccis das
Bild von den fpäteren Übermalungen befreit
und dabei feftgeftellt, daß der Engel urfprüng-
lich geflügelt war. Ferner fand fich links unter der
Übermalung das Buch, das der hl. Nikolaus auf
der Kopie in der linken Hand hält. Dagegen fand
fich nicht an der Stelle, wo Fifchel fie vermutet
hatte, die Figur des anderen Engels, der weiter

von feinem Nachbar entfernt gewefen fein muß,
als man nach der Kopie anzunehmen berechtigt
war. Der Kopift hat fich damit begnügt, den
unteren Teil des fchwer befchädigten Ältar-
werkes wiederzugeben und mußte die Figuren
näher aneinanderrüdcen, als Raffael das getan
hatte, weil er fonft ein Breitbild ftatt eines Hoch-
bildes erhalten hätte. Auf jeden Fall aber ift
jetjt der Beweis erbracht, daß jenes anmutige
Engelsköpfchen, das der Conte Tofio um 1821
erwarb, wirklich ein Fragment des verfchollenen
Ältarwerkes Raffaels ift, und damit haben wir
eine neue, völlig fiebere Grundlage für dasVer-
ftändnis der künftlerifchen Entwicklung des
jungen Raffael gewonnen. W. B.

ROM Im nahen Älbano werden unter der
Leitung von Ä. Pasqui und G. Manconi Aus-
grabungen in der Villa der Flavier, die bei der
Kirche S. Paolo liegt, vorgenommen werden.
Seit P. Rofa hat fich niemand mehr um die
hochintereffante Anlage gekümmert.

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Die auf dem Gipfel des Monte Cavo liegen-
den Refte des Jupiter Latialis Tempels und die
zu ihm führende Via triumphalis werden einer
eingehenden Unterfuchung durch Prof. Giovan-
noni unterzogen werden.

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Unter dem maleri fehen Klofter S. Cofimato bei
Vicovaro find drei Gräber aus der neolithifchen
Epoche entdeckt worden. L. P.

PERSONALIEN

BUDAPEST Prof. Paul Mer fe v. Sziny ei
wurde vom Särofer Komitat — feiner engeren
Heimat — durch die Errichtung eines plaftifchen
Denkmals geehrt. Seine von Nikolaus Ligeti
gemachte verfilberte Bronzebüfte wurde in der
Hauptftadt des Komitats, in Eperjes, feierlich
enthüllt, dann nach Bärtfa getragen und im
dortigen Mufeum aufgeftellt.

MAGDEBURG Der Direktorialaffiftent am
Magdeburger Kaifer Friedrich-Mufeum, Dr. Paul
Ferdinand Schmidt, gibt feine Stellung dort
auf, um im Oktober d. J. in München mit einem
Gefellfchafter einen Kunftfalon für die Neue
Kunft zu eröffnen.

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