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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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23. Heft
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Uhde-Bernays, Hermann: Die Ausstellung von Werken Anselm Feuerbachs aus Privatbesitz in der Galerie Heinemann-München
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0921

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DIE AUSSTELLUNG VON WERKEN AN-
SELM FEUERBACHS AUS PRIVÄTBESITZ
IN DER GALERIE HEINEMANN-MÜNCHEN

Mit 8 Abbildungen Von HERMANN UHDE-BERNAYS

Mut, Liebe und große Materialkenntniffe mußten zufammengehören, um eine Feuer-
bachausftellung aus Werken in Privatbefit} zu veranftalten. Ob ein allgemeiner
Erfolg den verdienten Dank für die Arbeit bringt, ob nicht ausfchließlich der immer
noch befcheidene Kreis der eingefchworenen Freunde der Feuerbachfchen Kunft mit
neuen Anregungen und ergänzenden Erkenntniffen gewonnen ward, bleibt zu ent-
fcheiden fchwer. Ging aber, wie vielleicht anzunehmen ift, die Abficht der Ausftellung
in erfter und nicht erft in zweiter Linie dahin, einen vorhandenen Begriff nach rich-
tigem Syftem zu erweitern, wollte fie nicht für das Publikum wirken, fondern für die
Sache, fo ift unzweifelhaft etwas Schönes erreicht worden. Mögen hundert Ent-
täufchte die Säle verlaffen haben, weil die wohlbekannten Illuftrationen ihres „Kon-
verfations-Feuerbach“ fehlten — zehn Beglückte haben ftatt ihrer in weihevoller Stim-
mung vor den neuen Offenbarungen des Genius gelaufcht. Wir ftehen einer ganz
anderen Art von Ausftellung gegenüber: nur wer mit dem Werk des Meifters Füh-
lung fchon befitjt, hiftorifch in feiner Entwickelung zu fcheiden weiß, wird fich zurecht-
finden können. Reizvoll erfcheint der Gedanke, nach einem folchen Gefichtspunkt ein-
mal Ausheilungen anderer Künftler zu verfuchen, Befchränkungen auszufinnen, die der
Qualität zugute kämen, wie fie etwa in Paris bei der expofition des cent pastels be-
fchloffen waren. Freilich darf da nicht, wie hier, der Zufall entfcheiden.

Und da muß prinzipiell über die Befchickung folcher Leihausftellungen, die nur
durch das Entgegenkommen privater Sammler möglich find, noch ein Wort gefagt
werden. Gewiß werden an die letzteren immerfort Anfprüche gemacht, die es begreif-
lich erfcheinen laffen, wenn fie jede Bitte unwillig abfchlagen. Befonders die fyftemlos
zufammengeftellten „Ausheilungen aus Privatbefiß“ haben da gefchadet. Aber es ift
ebenfo nötig, diefer Ausnutzung zu fteuern, wie es wichtig ift, die Sammler auf die Unter-
fcheidung zwifchen ihrem materiellen Verhältnis zu den von ihnen erworbenen Kunftwerken
und dem idealen Anrecht aufmerkfam zu machen, den in gleidierweife die Nation und
der hiftorifche Perfönlichkeitstitel des Künftlers Defifeen. In Amerika denkt man dar-
über viel vornehmer als bei uns. Dort entfcheidet die Wichtigkeit des kulturellen
Gutes freilich noch allein. Es hat aber unbedingt auch die Nation gegenüber dem
Andenken des Künftlers die Pflicht auf Kontrolle aller Werke, die das Bild feiner Per-
fönlichkeit entfcheidend zu beftimmen vermögen.

Der pofitive Fall in befonderer Erfchwerung bei Feuerbach gibt zu diefen allge-
meinen Vorbemerkungen den Anlaß. Wir haben vor einigen Jahren Gelegenheit ge-
habt, das Gefamtwerk des Hans von Marees zu erkennen, konnten bei Böcklins 70.
Geburtstag in Bafel uns die gründlichfte Überficht über feine Kunft fchaffen — Feuer-
bach, dem die Anhänger des Marees wie die Verehrer Böcklins gerne den Lorbeer
befchneiden, ift noch niemals, auch auf der Jahrhundertausftellung nicht, obwohl von hier
aus die allgemeine Erkenntnis feiner Bedeutung ftammt, in einer völlig dem hiftori-
fchen Gang feiner Entwickelung entfprechenden Schau vorgeführt worden. Auf der
Jahrhundertausftellung — um das rafch zu fagen — deshalb nicht, weil wir über dem
Epiker der Form das Temperament des Malers vergaßen. Vor allem die Bilder aus
Münchner Privatbefi^ waren überfehen worden. Zwei der koftbarften Werke des Meifters

Der Cicerone, IV. Jahrg., 23. Heft. 66

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