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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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4. Heft
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Belgisches Steinzeug
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Ausstellungen
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AUSSTELLUNGEN

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BERLIN Der Salon von PAUL CÄSSIRER
hat zurzeit mit einigen künftlerifchen Darbie-
tungen aufzuwarten, die zu dem Beften zählen,
was eine Berliner Saison zu vergeben hat. Louis
Corinth, der eben von fchwerer Krankheit
wieder Genefene, zeigt zwölf feiner beften und
neueften Arbeiten, die in fich den rein äußeren
Vorzug der Mannigfaltigkeit im Motiv befißen:
Stilleben, Porträtdarftellungen, Allegorien und
Landfchaften, die uns dies prachtvolle Tempera-
ment, diefe finnlich reiche Begabung in man-
cher Hinficht von einer anderen Seite kennen
lehren. Und immer mehr gewinnt in uns die
Überzeugung Oberhand, daß die deutfdie Mo-
derne in diefem Meifter der Farbe nicht nur
einen ihrer vollwertigsten Vertreter, fondern da-
rüber hinaus auch eines ihrer felbftherrlichften
Talente ihr eigen nennt. Bei Corinth ift alles —
ganz einerlei, was er malt — aus einer gefunden
und doch wieder naiven Freude am Gegenftänd-
lichen heraus konzipiert. Diefe Luft an der far-
bigen Umgebung, die immer einen Schuß oft-
preußifcher Derbheit kaum verleugnen kann, hat
für die malerifche Wiedergabe des Erlebten eine
Handfdirift parat, die genau fo das Gefehene
niederfchreibt, wie es empfunden wurde; und je
öfters uns die Arbeiten des Meifters begegnen,
um fo reiner und intenfiver wächft in uns felbft der
Genuß diefer Schöpfungen empor. Wenn er fich
im „Fahnenträger“ oder in dem „Bildnis in
Rüftung“ wie ein neuer Rembrandt felbftporträ-
tiert, fo haben wir vor folchen Arbeiten die
gleiche Empßndung wie vor den zahllofen ähn-
lichen Selbftbildniffen des Holländers: d.h. Corinth
wählt diefe Motive mit Bewußtfein, um fich felbft
in einem farbigen Milieu zu fehen, in dem fein
Ureigenftes zu Worte kommt: Die Seele des
Künftlers in Harmonie mit der gefunden Freudig-
keit feiner Palette. Das dyonififch Derbe diefer
Kunft, die z. B. Stilleben mit der gleichen finn-
lichen Begierde malt, wie es die alten Meifter
zum Teil getan, die aber auf der anderen Seite
dem feinften atmofphärifchen Duft der Land-
fchaft mit faft keufdier Obfervanz begegnet, ift
im leßten doch nur äußerlich, das über die wahre
Qualität der Leiftung nicht hinwegtäufchen darf. —
Lichtwark zeigte mir kürzlich in dem Depot
feines Mufeums einige der neueften Arbeiten des
Künftlers (darunter diefes koloffalifcheHagenbeck-
Bildnis, auf dem das mächtige Walroß, der Lieb-
ling der Hamburger, völlig dominiert) die er im
Auftrag der Hamburger Kunfthalle gefertigt:
Bilder, fo grandios in der Auffaffung, fo fabel-
haft abgeklärt und reif, wie man fie ähnlich bei
Caffirer kaum fieht. Troßdem ift auch diefe Aus-

wahl vom Beften eine erneute Feuerprobe für
das ungekünftelt Genialifche, das in Corinth
fchlummert und nicht immer gleich glücklich nach
Ausdruck ringt.

Noch ein zweiter Berliner Künftler,, Heinrich
Hübner, tritt bei Caffirer mit einem andert-
halb Duzend feiner neueften Arbeiten kollektiv
auf und auch diefe Ausftellung ift in gewiffem
Sinne eine Überrafchung. Denn diefe fabelhafte
Kultur der Farbe, die aus den hier gezeigten
Arbeiten fpricht, ift doch eigentlich erft das Er-
gebnis der letzten Schaffensperiode des Malers
und vielleicht wirkt fie deshalb fo überzeugend,
weil man fie gleich vor einer Vielheit von
Werken kontrollieren kann. Da mag denn
ein kunftgefdiichtlicher Vergleich geftattet fein,
— der aber nur entfernt das Charakteriftifche
der Hübnerfchen Kunft trifft: Die Erinnerung an
Vermeer wird lebendig. Das filbrig verklärte
Kolorit des Delfters lebt von modernen Empfin-
dungen befeelt, in der Hübnerfchen Palette auf
und das Gegenftändliche (träumerifche Interieur-
ftimmungen, Landfchaften, über die Sonnenreflexe
atmofphärifch gedämpft dahingleiten) gemahnt
ohne weiteres an die Motive des Delfter Malers.
Hier ift reife Kunft mit faft miniaturhaft ficherer
Formbehandlung gepaart und doch auch das
Refultat einer Entwicklung bemerkbar, die die
wertvollften Ergebniffe des modernen Impref-
fionismus in fich aufgenommen und mit höchfter
Intelligenz fortentwickelt hat.

Ein dritter Künftler, der an der gleichen Stelle
zu Worte kommt, ift wenigftens für Deutfchland
eine völlig neue Erfcheinung, der junge Ungar,
Franz von Hatvany. Für diefe Bekanntfchaft
wird man Caffirer befonders dankbar fein, denn
der Maler gibt bereits das Verfprechen, das
ihn für eine Ausftellung an fo hervorragendem
Plaße prädeftiniert. Hatvany hat offenbar, wie
fo viele der jungen Ungarn — die franzöfifche
Schule genoffen, aber man muß ihm gerechter-
weife nachfagen, daß er fich allen Einflüffen
gegenüber mit bewußter Selbftändigkeit be-
hauptet. Seine Art verbindet, vorerft noch leife
anklingend, einen gewiffen Drang zum Monu-
mental-Dekorativen mit der reinen Tonmalerei
und fpeziell nach der leßten Seite hin sind feine
Bilder nicht ohne ftarke malerifche Empfindung
und koloriftifch voll der aparteften Nuancen.
Wie ftark er aber die Form beherrfcht, zeigen
evident diefe — man möchte fagen — an dem
Rebenfafte der Heimat getränkten Frauenakte,
an denen die ftarke Sinnlichkeit eines Malers
vom Geifte eines Louis Corinth wach wird, die
einzeln und vereint immer mit echtem Sinn für
die blühende Üppigkeit ihrer malerifchen Reize
gefehen find und bei aller Körperlichkeit doch

Der Cicerone, IV. Jahrg., 4. Heft 11

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