Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (4.1912)

GESELLSCHAFTEN UND VEREINE o PERSONALIEN o VERMISCHTES

keine Ahnung hatte. — Bei diefer Gelegenheit
fei darauf hingewiefen, daß die weitaus größte
Zahl der Bilder Murillos im Madrider Prado
[ich in [ehr [chlechtem Erhaltungszu[tand be-
finden. Sie find nicht nur verfchmußt, fondern
weifen fchlechte Verkittungen, Lödier von ab-
gefallenen Farbfchichten auf. Es ift höchfte Zeit,
daß [ich diefe Zuftände ändern. H. L. M.

GESELLSCHÄFTEN UND
VEREINE

WIEN In der Zeit vom 6.—9. Juni hielt hier
der „Deutfche Werkbund“ [eine 5. Jahres-
verfammlung ab. Die Tagung wurde am 7. Juni
durch einen Vortrag des Direktors des Gewerbe-
förderungsamtes Hofrat Dr. Vetter „Über die
Bedeutung des Werkbundgedankens für Öfter-
reich“ im k. k. öfterreichifchen Mufeum für Kunft
und Induftrie eröffnet. Aus dem reichen Vor-
tragsprogramm der Tagung fei noch der Vortrag
des bekannten Nationalökonomen und früheren
Reichstagsabgeordneten Dr. Friedrich Nau-
mann über „Kunft undVolkswirtfchaft“ befonders
hervorgehoben. — An die Tagung [oll [ich die
Gründung einer verwandten öfterreichifchen Or-
ganifation anfchließen. In einer Vorbefprechung,
die von den Vertretern des öfterreichifchen Ge-
werbeförderungsamtes, des k. k. öfterreichifchen
Mufeums für Kunft und Induftrie, der Handels-
kammer und der k. k. Kunftgewerbefchule an-
geregt wurde, kam bereits der prinzipielle Be-
fchluß zuftände, „nach dem deutfchen Vorbilde
einen Öfterreichifchen Werkbund zu grün-
den, Künftler, Induftrielle und Gewerbetreibende
zu gemeinfamer Werkbundarbeit heranzuziehen“.
Jede Ausftellung des öfterreichifchen Mufeums
und feiner Kunftgewerbefchule beweift aufs
neue, daß der Werkbundgedanke in öfterreich
bereits eine ftattliche Anzahl vollwertiger und
tatkräftiger künftlerifcher Vorkämpfer gefunden
hat. In diefer Erkenntnis hat auch das überaus
reichhaltige und fchön ausgeftattete Jahrbuch
des Werkbundes für 1912 („Die Durch-
geiftigung der deutfchen Arbeit“, Jena,
E. Diederichs) eine Reihe von Arbeiten der auf
diefem Gebiete führenden öfterreichifchen Künft-
ler durch Abbildungen ausgezeichnet.

PERSONALIEN

ÄLBERT WELTI "j" Am 7. Juni ift Albert
Welti in Zürich im 51. Jahre feines Lebens nach
langem Leiden geftorben. Mit ihm verliert nicht
nur die Schweiz, fondern die gefamte moderne
Kunft einen ihrer liebenswürdigften Repräfen-

tanten, deffen Name feit langem internationale
Wertung hatte. Welti ift aus dem Atelier von
Boecklin hervorgegangen, zog dann nach Mün-
chen, wo es ihm nach langen Entbehrungen fpät
gelang, [ich in der Öffentlichkeit durchzufeßen.
Hier hat er bis zu feiner Überfiedlung nach Bern
gewohnt, die im Jahre 1908 erfolgte. Im ganzen
ift alfo Welti in der entfcheidenden Entwicklung
feiner Kunft der Heimat fern geblieben, und erft
verhältnismäßig fpät trieb es ihn wieder zurück
nach dem Lande, deffen zugleich herber und
freudiger Geift in feiner Kunft wie nirgends
fonft harmonifiert erfcheint. Ein liebenswürdiger
Poet, ein feinfinniger Lyriker der Farbe, ein
Gottfried Keller der Palette ift in Welti dahin-
gegangen, der, wenn er auch der Kunftgefchichte
neue Werte nicht befchert hat, doch einen ge-
bührenden Plaß im Rahmen feiner Zeit bean-
fpruchen darf.

FLORENZ GiovanniPoggi, bisher Leiter
des Bargello, wurde zum Direktor der Uffizien-
galerie, der Gemäldegalerie des Palazzo Pitti
und der Academia delle belle arti ernannt.

VERMISCHTES

LONDON Die „Morning Poft“ berichtet, daß
[ich zwei Wandteppiche nach den jeßt bei
Meffrs. Dowdeswell ausgeftellten fechs Skiz-
zen von Rubens, die Lord Barrymore geliehen
hat, im Befiß des Sir H. B. Samuelfon aufge-
funden haben. Bisher hatte man angenommen,
daß die offenbar zu Vorlagen für Webereien
beftimmtgewefenen Skizzen niemals wirklich
dazu benußt worden feien. Im ganzen waren
es acht Skizzen gewefen. Einer der zwei Wand-
teppiche ift nach einer der zwei nicht bei Dow-
deswell zn fehenden, unbekannten Skizzen an-
gefertigt worden. Er [teilt Achilles mit den
Töchtern des Lycomedes dar und gibt fo die
Möglichkeit eine der zwei fehlenden Skizzen zu

rekonftruieren. * *

*

Auf der Jahresverfammlung des National art
Collections Fund hielt Mr. A. Balfour, der
bekannte Parlamentarier und ehemalige Pre-
mierminifter, eine Rede über den Exodus
der Kunftwerke und die Mittel diefem zu
fteuern, die alle Hoffnungen auf irgendwelche
auch nur befcheidene Schritte nach diefer Rich-
tung hin, wenigftens für die Gegenwart, ver-
nichtet, denn was Balfour, wohl als Sprecher
der Parlamentsoppofition auf diefem Gebiete,
zu fagen hatte, war eigentlich nichts als ein
Echo deffen, was der Premierminifter Asquith

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