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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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5. Heft
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Stix, Alfred: Ausstellungen von Neuerwerbungen der kaiserlichen Gemäldegalerie in Wien
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7. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0185

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AUSSTELLUNG VON NEUERWERBUNGEN
DER KAISERLICHEN GEMÄLDE-GALERIE

IN WIEN Mit 11 Abbildungen / Von ALFRED STIX

In einem Oberlichtfaale des zweiten Stockwerkes des Hofmufeums find gegenwärtig
die Neuerwerbungen der lebten anderthalb Jahre dem Publikum zugänglich gemacht.
Für die Befprediung derfelben dürfte es [ich empfehlen die chronologifche Reihen-
folge einzuhalten. Noch in das 15. Jahrhundert gehören zwei impofante alttiroler
Tafelbilder. Die Galerie befißt nicht viele alpenländifche Bilder diefer frühen Zeit und
befonders der Pacherkreis war bisher ganz unvertreten. Die Öffentlichkeit dürfte daher
der Direktion dankbar fein, daß fie gewiffermaßen noch vor Torfchluß zwei gualitativ
bedeutende Stücke, die ganz verfchiedene Seiten diefer Schule vorzüglich repräfentieren,
dem öffentlichen Kunftbefiße einreihen konnte. Beide find den Spezialforfchern auf
diefem Gebiete feit langem bekannt und fpielen in der weitläufigen Pacherliteratur eine
bedeutende Rolle. Nr. 1403 a1 trägt die Bezeichnung: Kreis Michael Pachers (Äbb. 1).
Die Tafel ift durch eine grau gemalte Steinarchitektur triptychonartig eingeteilt. In der
Mitte thront Maria mit dem Kinde, an den beiden Seiten die Heiligen Margaretha und
Barbara, den Äbfchluß bildet ein Goldhintergrund mit eingepreßten Muftern. Die
Raumlofigkeit, die dem Gemälde öfters vorgeworfen wurde, ift nur eine fcheinbare.
Der Äbfchluß war einerfeits durch das gewählte Thema anderfeits durch die kulturelle
Gepßogenheit bedingt, Bilder an hervorragender Stelle mit Goldgrund auszuftatten.
Die kleine Bühne aber, auf der [ich unfere Santa Conversazione abfpielt, ift voll-
kommen räumlich plaftifch durchgebildet. Die Mittel, durch welche dies erreicht wird,
find für die Richtung Pachers fehr charakteriftifch: einerfeits die Pßafterung des Bodens
mit perfpektivifch verkürzten verfchiedenfarbigen Steinßiefen, anderfeits die genaue
Durchführung einer Schattenkonftruktion nach einer einheitlich angenommenen Licht-
quelle (rechts oben). Letzteres bringt die verblüffend plaftifche Wirkung der gemalten
Architektur zuftande.

Die Tafel ift in Temperafarben gemalt, wodurch fie in ihrer koloriftifchen Wirkung
aus der zugehörigen Gruppe einigermaßen herausfällt.

Befonders erfreulich ift der tadellofe Erhaltungszuftand. Günftige Umftände haben
das Bild vor den mehr oder weniger fufcherhaften Reftaurierungsverfuchen bewahrt,
denen fo viele Tiroler Werke zum Opfer gefallen find.

Eine angenehme Überrafchung bildete die Entdeckung, daß auch die Rückfeite des
Bildes bemalt ift. Vor einem Rankenhintergrund fehen wir die gut durchmodellierte,
grau in grau gemalte Geftalt des Schmerzensmannes. Die erftmalige Abbildung können
wir hiermit der Forfchung zur Verfügung ftellen (Äbb. 2).

Die Tafel ftammt aus der von Vintlerfchen Bilderfammlung in Brunneck. Der Be-
gründer derfelben Johannes von Vintler hat fie in den zwanziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts aus der Kirche des Dorfes Uttenheim bei Brunneck erworben, wo fie in
der Sakriftei als Türe eines Schreines für Chorgewänder diente. Sie ftammte aber
ohne Zweifel aus der alten 1722 eingeäfcherten Margaretenkapelle, an deren Stelle die
heutige Kirche trat.

Schon Dahlke, der Begründer der Padierforfchung hat unfer Bild in die Literatur

1 Wir geben die Nummern an, die die Gemälde für ihre definitive Einreihung in die Galerie
bereits tragen.

Der Cicerone, IV. Jahrg., 5. Heft. 13

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