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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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15. Heft
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Heyne, Hildegard: Die Leipziger Bildnismalerei von 1700-1850
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0627

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DIE LEIPZIGER BILDNISMÄLEREI VON

1700—1850 Mit 10 Abbildungen / Von HILDEGARD HEYNE

Das Stadtgefchichtliche Mufeum zu Leipzig hat [ich die Aufgabe geftellt, nicht nur
durch feinen dauernden Beftand, fondern auch durch zeitweilige größere Aus-
heilungen darzutun, daß Leipzig auf dem Gebiete der bildenden Kunft durchaus nicht
fo fteril gewefen ift, wie a priori angenommen wird. Die erfte Ausftellung, welche
diefem Zwecke dienen foll, ift die am 3. Juni eröffnete der Leipziger Bildnismalerei
von 1700—1850, deren Katalog 1820 Nummern umfaßt. Aus Gründen der Raum-
fchmückung und Raumeinteilung hauptfächlich find auch einige plaftifche Werke hin-
zugezogen worden. Der Begriff „Bildnismalerei“ ift im weiteften Sinne zu verftehen,
indem auch gefchnittene Silhouetten und Bildnisfkizzen aufgenommen worden find.
Zwei Gefichtspunkte waren maßgebend für die Aufnahme von Bildern: der kunft-
hiftorifche einerfeits, der lokalhiftorifche andrerfeits. Aus dem letzteren Grunde mußten
zuweilen Bilder eingereiht werden, die der künftlerifchen Qualität nach die Heran-
ziehung zur Ausftellung nicht rechtfertigen würden, wenn der kunftgefchichtliche Ge-
fichtspunkt allein ausfchlaggebend gewefen wäre. Ferner mußten von diefem Stand-
punkt aus auch Bilder auswärtiger Maler Berückfichtigung finden, wenn die dargeftellte
Perfönlichkeit für Leipzig von Intereffe war. Troßdem aber hat die Ausftellung auch
vom künftlerifchen Standpunkt aus einen hohen Qualitätsgrad gewahrt und darf auf
kunfthiftorifche Wertung in erfter Linie Anfpruch erheben. Die Leipziger Kunft, die auf
der Jahrhundertausftellung in Berlin kaum vertreten war, fteht hier — in einem Zweige
wenigftens — in faft lückenlofer Entwicklungsfolge von anderthalb Jahrhundert vor
uns und erweift fich ebenbürtig der Kunftübung führender Städte, wie Dresden und Berlin.

Unter den Begriff „Leipziger“ Porträtmalerei wurden die Werke von Künftlern
gezählt, die längere Zeit in Leipzig anfäffig waren oder nach Geburt und Ausbildung
Leipzig angehörten.

Eine Sondergruppe bildet die „Dresdener Filialkunft“. Die ausgebreitete Tätigkeit
Anton Graffs im Leipzig des 18. Jahrhunderts, deren befruchtende Wirkung in Leipzigs
Schaffen fpürbar ift, durfte nicht ausgefchaltet werden. Im 19. Jahrhundert übernehmen
die Dresdener Roesler und Matthäi das Erbe Graffs in bezug auf Leipzigs „Bildnis-
kundfchaft“, und ihre Werke mußten darum nicht nur aus lokalhiftorifchem Intereffe,
fondern auch um des kunfthiftorifchen Gefamtbildes willen herangezogen werden.

In der älteften Abteilung freilich, im 17. Jahrhundert, bietet Leipzigs Bildnismalerei
nichts, das über lokales Intereffe hinausginge. Joh. Heinrich am Ende, der im Jahre
1687 die kleine Börfe neben dem alten Rathaus mit mythologifchen Deckenbildern
fchmückte, die von anfprechender dekorativer Gefamtwirkung find, ift als Bildnismaler
hauptfächlich durch fein Selbftporträt und das Bildnis des berühmten Bauern-Aftronomen
von Sommerfeld bei Leipzig, Arnold, vertreten, die man nur der Dargeftellten wegen
würdigen wird.

Als feine Tätigkeit in Leipzig zu Ende gegangen war, trat David Hoyer auf den
Plan (wohl 1703), der in Leipzig bis 1720 nachweisbar ift. Ratsherrn-Bildniffe aus der
Stadtbibliothek, der Profeffor der Jurisprudenz Lüder Mencke aus der Univerfitäts-
bibliothek und das Bildnis des Kramermeifters Andreas Dietrich Apel find achtungs-
werte Zeugniffe feiner Bildniskunft. Vor allem macht fich ein erfreulicher Fortfehritt
zu weichem, duftigem Farbenauftrag und feinerer ftofflicher Charakterifierung, z. B. des
Haares und der Haut (Mencke), fowie harmonifchen tiefgeftimmten Farbzufammen-
klängen (Apel) geltend, im Gegenfaß zu dem zähen braunen Gefamtton bei Am Ende.

Der Cicerone. IV. Jahrg., 15. Heft 3

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