Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

DOI Heft:
17. Heft
DOI Artikel:
Denkmalpflege
DOI Artikel:
Entdeckungen. Funde
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0718

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DENKMALPFLEGE o ENTDECKUNGEN UND FUNDE

DENKMALPFLEGE

DÄS SCHLOSS VON MÄISONS-
LÄFFITTE, drei Stunden nordweftlich von
Paris, unterhalb des Waldes und der berühmten
Terraffe von St. Germain-en-Laye ift 1905 vom
Staat angekauft und in diefen Tagen als National-
monument der Befichtigung freigegeben worden.

Es handelt fich um ein fchönes Denkmal der
franzöfifchen Privatbaukunft des 17. Jahrhunderts,
die den aus dem Wohnbedürfnis entfprungenen
Luxus äußerlich in fchlichte klaffiziftifche Formen
kleidete, einen Klaffizismus jedoch, darin [ich
der nationale Geift ungezwungen und mit aller
Eleganz ausfpricht. Maifons ift vielleicht Franpois
Manfarts beftes Werk, das er 1648—1651 für
Rene de Longueil, Präfidenten des Parlaments
von Paris fchuf. Später befaßen und bewohnten
das Schloß der Graf von Ärtois, nachmals Karl X.,
Marfchall Lannes und der Bankier Laffitte. Die
Revolutionsftürme hat es, unter den Mauern
von Paris, glücklich überdauert. Dagegen hat
Baufpekulation im 19. Jahrhundert die Stallge-
bäude niedergelegt, die feinen Vorhof als Avant-
Korps flankierten, und durch Parzellierung des
Parks in unmittelbarer Nähe des Schloffes die
Gefamtanlage aufs fchlimmfte beeinträchtigt.

Diefe Anlage unterfcheidet fich von dem da-
mals in Ausbildung begriffenen Typus eines vor-
nehmen Herrenfi^es dadurch, daß Hof und da-
mit Haupteingang fich an der Seite des Gartens
befinden, deffen weitere Ausdehnung übrigens
rechtwinklig zur Achfe des Schloffes fteht. Die
Lage zwifchen Fluß und Wald, am Rande einer
Böfchung, mag diefen Plan erklären. Die der
Ausficht zugewandte Seite, im Grundriß weniger,
im Aufriß etwas reicher gegliedert, fchaut über
die Seine ins offene Land, auch dem Ankom-
menden fichtbar; noch verrät fich nicht der weit-
abgewandte Sinn, die ariftokratifche Abfchließung,
die nach dem Verfailler Beifpiel für Schloßan-
lagen maßgebend wurde. Eine drei Kilometer
lange gerade Avenue führt aus der Richtung
von Paris auf eine Freitreppe, die den traditio-
nellen Schloßgraben überbrückt; jenfeits des
Schloffes ift diefe Direktionsachfe in einer den
Park durchquerenden Lichtung fortgefeßt. Da-
gegen verfchmäht Manfart noch, den Grundriß
nach einem in der Mittelachfe gelegenen Haupt-
faal zu disponieren, wie etwas früher und wohl
zum erftenmal Levau im Schloß Vaux le Vicomte
bei Melun getan hat. Wenn er — außer der an
altfranzöfifche Beifpiele erinnernden Portalarchi-
tektur — die Mitte durch leichtes Vortretenlaffen
eines Traktes betont, fo gefchieht dies nur der
äußern Wirkung zuliebe und ift nicht durch
den Grundriß bedingt. Der Haupteingang von

der einen, die Freitreppe von der andern Seite
führen auf ein Veftibül, das, wie eine Durchfahrt,
die ganze geringe Tiefe des Schloffes einnimmt.
Gleich daneben befindet fich, von einer Kuppel-
wölbung bedeckt, das pompöfe Treppenhaus,
deffen Treppe in fünf Anläufen mit aller re-
präfentativen Stattlichkeit auf den Feftfaal vor-
bereitet, dem die eine Hälfte des Obergefchoffes
eingeräumt ift. Diefem Feftfaal, noch in Form
der alten Galerie, ift die Manfartfche Ausftattung
wohl erhalten geblieben. An der einen Schmal-
feite, hoch oben am Gebälk, fällt eine kleine
Mufikantentribüne auf. Gegenüber ift durch
eine Baluftrade ein Teil abgetrennt; der Saal
und die anfchließenden Zimmer waren befonders
als Appartements du Roy der höchften Feftlich-
keit eines königlichen Befuches gewidmet. Lud-
wig XIV. fdilief dort, wie auch Napoleon I.
Andere Räume haben fpätere Bewohner dem
Zeitgefchmack entfprechend verändert. Befonders
prunkvoll ließ fich der Graf von Artois durch
den Architekten Bellonger einen „Sommerfpeife-
faal“ einrichten, der mit feinen Stuckdekorationen
von Lhuiller und Skulpturen von Clodion, Foucau,
Houdon und Boizor den auf den Schluß ver-
fparten Haupteffekt des Schloßbefuches ausmacht.

Paul Vitry vom Louvre bekam den Auftrag,
das Schloß zu einem kleinen Mufeum zu ge-
halten oder richtiger, es zu möblieren, um das
Werk der Baukunft, an und für fich fehenswert
genug, zu feiner vollen Geltung zu bringen. Er
hat franzöfifche und italienifcheBilder des 17. Jahr-
hunderts aus den Vorratskammern des Louvre,
ohne befonderes Intereffe, fowie einige wert-
volle Teppiche aufhängen laffen: in der Galerie
folche und Kartons von Barend van Orley, die
fog. „Chasse des Guises“.

Die Aufgabe ift taktvoll gelöft worden und
gibt nur dort zu Bedenken Anlaß, wo man die
häßlichen, imitierten Empiremöbel der Mme.
Sadi Carnot — nebft einer originellen Wiege
des Königs von Rom — mitverwendet hat.

R. K.

ENTDECKUNGEN ♦ FUNDE

CORRÄDO RICCIS ENTDECKUN-
GEN IM TEMPIO MÄLÄTESTIÄNO
ZU RIMINI Den Freunden der italienifchen
Kunft kann von einer Reihe hochbedeutfamer
Entdeckungen berichtet werden, die Corrado
Ricci, der Generaldirektor der Schönen Künfte
im Unterrichtsminifterium, vor wenigen Tagen
gemacht hat.

Auf der Höhe feines Ruhmes ließ Sigismondo
Malatesta, der Tyrann von Rimini, von 1447

682
 
Annotationen