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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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17. Heft
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Entdeckungen. Funde
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0719

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ENTDECKUNGEN UND FUNDE

bis 1456 die Kirche San Francesco in feiner Re-
fidenzftadt zu einem gewaltigen Tempel umbauen.
Sich felbft, feiner Geliebten Ifotta degli Ätti und
dem treuen Hof zu Ehren hat Sigismondo von
1447—1456 den prachtvollen Bau aufgeführt. Nicht
mit Kreuzen und anderen chriftlichen Symbolen,
auch nicht mit Bildern des heiligen Franz oder
Szenen aus deffen Leben wurde der Tempio
Malateftiano gejchmückt, wohl aber mit feft-
lichen Dekorationen weltlichen Charakters, mit
dem Wappen Sigismondos, mit feinem Bildnis
und dem der Ifotta degli Htti, die zuerft feine
Geliebte und fpäter feine Gattin war. Weil er
fo eine chriftliche Kirche in einen heidnifchen
Tempel verwandelt hatte, verhängte Papft Pius II.
das Interdikt über den fündigen Condottiere,
der auch fonft fchwere Schuld auf fich geladen
hatte. Die noch heute in der Bibliothek zu Ri-
mini erhaltene Bannbulle des erzürnten Kirchen-
fürften zählt alle Schandtaten auf, die Sigis-
mondo vorgeworfen wurden, die Ermordung
feines Bruders Galeotto, die Mißhandlung feiner
erften und die Vergiftung feiner zweiten Gattin,
die verbrechenfche Liebe zu feiner Schwefter
und zu Ifotta degli Ätti. Sigismondi war fich
über die Folgen des päpftlichen Bannfluches
völlig klar; er fuchte daher, fo gut es ging, die
vom Papft getadelten Glorifikationen feiner
eigenen Perfon und feiner Geliebten zu be-
feitigen. In der erften Kapelle rechts befanden
fich, von Kränzen umrahmt, die Bildniffe des
verbredierifchen Liebespaares; fie wurden auf
Befehl Sigismondos fortgemeißelt. In bedeuten-
der Höhe angebracht, waren die noch vorhan-
denen Umriffe allen Forfchern entgangen. Erft
Corrado Ricci ift es gelungen, fie wieder auf-
zufinden. Vor allem intereffant ift das Bildnis
Ifottas, deren Züge uns auch mehrere Medaillen
Matteos dei Pafti überliefern; es muß ein fehr
anziehendes Werk gewefen fein. In noch weit
größerem Maße als diefes Bildnis am heiligen
Orte hatte den Unwillen des Papftes das prunk-
volle Ehrengrab erregt, das Sigismondo, noch
bei Lebzeiten feiner zweiten Gemahlin, der ver-
götterten Geliebten in der Michaelskappelle er-
richten ließ. Die bekannte Infchrift auf dem
Sarkophag lautet: „D(ominae) Isottae Äriminensi
B(eatae) M(emoriae) sacrum MCCCCL.“ Unter
diefer in eine Bronzeplatte gravierten Infchrift
fand Ricci das urfprüngliche in Marmor ge-
meißelte Epitaph, deffen Worte: „Isote Ärimi-
nensi forma et virtute Italiae decori“ die Kon-
kubine des Tyrannen als eine Zierde Italiens
an Schönheit und Tugend hinftellen. Unter dem
Eindruck des päpftlichen Bannfluches hat Sigis-
mondo dieÄnftoß erregende Infchrift durch die be-
fcheidenere auf der Bronzeplatte verdecken laffen.

Noch eine dritte, nicht minder bedeutfame
Entdeckung Riccis fchließt fich diefen beiden
Feftftellungen an: Äuf dem Fries, der in enormer
Höhe über den Kapellen fich hinzieht, entzifferte
Ricci zwei Infchriften, die Matteo dei Pafti als
den Architekten und Ägoftino Duccio als den
Bildhauer des Tempels erwähnen. Damit be-
tätigt fich in erfreulichfter Weife, was Bode im
Text zu den „Denkmälern toskanifcher Skulptur“
und der frühverftorbene Pointner in feiner Mo-
nographie über Ägoftino Duccio ausgefprochen
haben. Leon Battifta Älberti hat nur die Faf-
fade entworfen, während Matteo dei Pafti die
künftlerifche Leitung der Innenarchitektur oblag
und Duccio den bildnerifchen Schmuck entwarf
und ausführte. Der Charakter des architekto-
nifchen ift ebenfo wie der des bildnerifchen
Schmudces durchaus einheitlich und aus einem
Guffe, und die Ausführung der Arbeit wurde
von den beiden genannten Künftlern bis ins
einzelne beftimmt. W. B.

BOLOGNA Der Bolognefer Profeffor Cortini
hat in einem ziemlich gut erhaltenen wunder-
tätigen Bilde einer Madonna in einem Oratorium
des Dörfchens Riviera bei Bologna auf Grund
einer Infchrift ein Werk Jacopo Bellinis er-
kannt, und die Unterteilungen Corrado Riccis
haben feine Entdeckung beftätigt.

LIENZ (Tirol) Profeffor Pion er in Lienz
hat im Verlaufe der hiefigen Ausgrabungen die
Stadtmauern und die Ruinen zweier herrfchaft-
licher Wohnhäufer der alten Römerftadt Ägunt
bloßgelegt. Er beabfichtigt die gefamten bis-
herigen Ergebniffe der Ausgrabungen demnächft
in einer illuftrierten Brofchüre zu veröffentlichen.

R.

MAILAND Der Infpektor der Gemälde-
galerie der Brera, Graf Malaguzzi-Valeri, hat
in der Privatfammlung des Fürften Trivulzio ein
Porträt entdeckt, das durch Vergleichung mit
den häufig auf den Wandgemälden des Palazzo
di Schifanoia wiederkehrenden Darftellungen des
Erbauers diefes Palaftes, des 1471 geftorbenen
Herzogs von Ferrara Borfo d’Efte, als fein Bildnis
erkannt werden konnte. Die kräftige und cha-
rakteriftifche Malweife läßt den Schluß zu, daß
man es hier mit dem Porträt des Fürften von der
Hand Baldaffares da Reggio, eines Schülers
von Cofimo Tura und von Francesco Coffa zu
tun habe, das fich der Mailänder Herzog Ga-
leazzo Maria von Borfos Sohne erbat. Der
Fund ift um fo bedeutender, als fonft kein
Werk Baldaffares auf uns gekommen ift. Graf

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