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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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21. Heft
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Bombe, Walter: Restaurierungen und Neubestimmungen im Palazzo Pitti
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0854

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RESTAURIERUNGEN UND NEUBESTIMMUNGEN

IM PALAZZO PITTI Von WÄLTER BOMBE / Mit 2 Abbildungen

Wer einen alten Katalog der Pittigalerie aus
der erften Hälfte des 19. Jahrhunderts zur
Hand nimmt, wird mit einigem Staunen be-
merken, daß die weltberühmte Sammlung da-
mals acht Säle mehr umfaßte, als fie heute ihr
eigen nennt. Diefe acht großen Prunkräume
wurden vor mehr als 50 Jahren mit den fämt-
lichen Bildern, die ihre Wände fchmückten, bei
Gelegenheit der Hochzeit des Erzherzogs Fer-
dinand von der Galerie abgetrennt. Einige Jahre
fpäter gab das königliche Haus den größten Teil
diefer Bilderbeftände zurück, behielt aber eine
Anzahl der wertvollften Stücke, darunter die
Pallas mit dem Centauren von Botticelli, die hl.
Magdalena von Puligo und die Auferftehung
von Rubens.

Wie wir kürzlich mitteilten, hat der Leiter der
Pittigalerie, Dr. Odoardo Hillger Giglioli, Ver-
handlungen mit der Ädminiftration des könig-

lichen Haufes angeknüpft, die darauf hinzielen,
daß nicht nur die unrechtmäßig fortgenommenen
Bilder zurückgegeben, fondern auch die acht
Säle der Galerie wieder zur Verfügung geftellt
werden. Alsdann wird eine durchgreifende Neu-
ordnung des Bildermaterials begonnen werden
können, die das Gefamtbild der Galerie wefent-
lich verändern und das Gefühl des Bedrückenden
und Beklemmenden, mit dem man heute die
prunkvollen, mit Bildern tapezierten Räume
durchwandert, zum Verfchwinden bringen dürfte.

Inzwifchen aber ift Giglioli nicht müßig ge-
wefen, und eine Anzahl glücklicher Reftaurie-
rungen, Umhängungen und Neubeftimmungen
legen Zeugnis dafür ab, daß hier eine umfichtig
ordnende Hand gewaltet hat.

In der „Sala della Giustizia“ hat Giglioli die
Perlen der Schule von Venedig vereinigt: Ti-
zians machtvolles Bildnis des Tommafo
Mofti, der wie durch ein Wunder,
dank der Reftaurierung durch unferen
deutfchen Landsmann, den Maler Otto
Vermehren, den fchweren Pelz ver-
loren hat, den ihm ein wohlmeinen-
der Reftaurator früherer Zeiten umzu-
hängen für gut befunden hatte (f. Abb.J,
ferner Tizians Pietro Aretino, fowie
mehrere Werke des Bonifazio, Vero-
nefe, Morone und Tintoretto. Um
ein Werk des Tintoretto hat fich die
Pittigalerie dank der Forfchungen Gigli-
olis in den alten Inventaren der
Sammlung letzthin vermehrt. Ein durch
dicken vergilbten Firnis ganz unfchein-
bar gewordenes Bildnis eines Vene-
zianer Patriziers, das bis dahin als
Werk Andrea Schiavones galt, war in
einem Inventar der Hinterlaffenfchaft
des Kardinals Leopoldo dei Medici
vom Jahre 1675 als Werk Tinto-
rettos erwähnt. Nach vorfichtiger
Reinigung kam das Wappen der Ve-
nezianer Familie Frigerio und eine
fragmentarifch erhaltenelnfchrift: „FRI-

LARIUS“ zum Vorfchein. Der Darge-
ftellte war alfo der Kanzler der Vene-
zianer Republik Andrea Frigerio, und
die Infchrift konnte mühelos in: „AN-
DREA FRIGERIO REI PUBLICAE
VENETIARUM CANCELLARIUS“ er-
gänzt werden. Ein anderes Bildnis
diefes Staatsmannes befindet fich, wie
Giglioli feftgeftellt hat, im Museo Ci-
vico zu Padua. Es gibt fich als eine

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