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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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6. Heft
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Entdeckungen. Funde
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Personalien
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0255

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ENTDECKUNGEN UND FUNDE ° PERSONALIEN

ENTDECKUNGEN ♦ FUNDE

LISSABON In dem ehemaligen Königs-
palaft Neceffiades find, Zeitungsnachrichten
zufolge, ungemein wertvolle Kunftfchätze auf-
gefunden worden. Huf einem Bodenraum des
kleinen Palazzo fand man in Kiften verpackt
drei Meifterwerke Giovanni Bellinis und zwei
Gemälde Tizians. Von den Bildern Bellinis
ftellen zwei Madonnen dar und eines den Dogen
Mocenigo. Von Tizian ftammt ein Bildnis
Kaifer Karls V. und ein mythologifches Bild.
Näheres über diefen Fund wird man mit In-
tereffe erwarten. Die Bilder gehören, was kaum
zweifelhaft fein kann, der vertriebenen portu-
giefifchen Königsfamilie.

POMPEJI Von fachkundiger Seite wird der
Frankf. Z. aus Neapel über die neuen Funde in
Pompeji, über die bisher nur fehr fragmentarifche
Mitteilungen in die Preffe gedrungen find, das
Folgende berichtet:

Bei den lebten unter Leitung von Profeffor
V. Spinazzola feit Juli 1910 bis jetzt vorgenom-
menen Ausgrabungen in Pompeji find wichtige
Neuentdeckungen gemacht worden, Entdeckungen,
die das feit einem Jahrhundert und mehr fchein-
bar unveränderlich feftftehende Straßenbild der
antiken Stadt nicht unwefentlich verändern. Da
die Bimsftein- und Hfchenmaffen die Stadt nur
bis ungefähr 4 Meter — alfo Gefchoßhöhe — be-
gruben, ragten die oberen Gefchoffe, foweit fie
nicht durch das Erdbeben, das den Vefuvaus-
bruch begleitete, zerftört waren, aus dem neuen
Niveau hervor, genoffen nicht den Schuft, der
uns die alte Stadt erhielt und wurden im Laufe
der Zeit zerftört. So war die fpezielle Form des
in römifcher Zeit des Platzmangels wegen aus-
gebildeten Gefchoßbaues und damit ein wefent-
liches Stück des Straßenbildes bisher wenig deut-
lich. Die mit peinlicher Sorgfalt vorgenommenen
lebten Äusgrabungen haben nun durch die ge-
wiffenhafte Prüfung alles in der Erde gefundenen
Materials hierüber faft ganz neues Licht ge-
bracht.—Bei den Arbeiten in der Via dell’Äbon-
danza, die einft die Pompejaner zum Amphi-
theater führte, ift es gelungen, beinahe alle
oberen Gefchoffe der Häuferreihe aus den ge-
fundenen Fragmenten zu rekonftruieren. Diefe
zeigen nun — und werden es bald in Wirklich-
keit — ein faft völlig neues und überrafchendes
Ausfehen: Haus für Haus ein beträchtlich vor-
fpringender Balkon, teilweife von ziemlicher
Länge. Einer befindet fich viele Meter lang un-
gefähr ganz unverfehrt an feinem alten Platz
und bietet auch in feiner architektonifchen Aus-
geftaltung als Loggia mitSäulchen, Halbfäulchen

und Pilaftern ein gänzlich neues, in der antiken
Stadtbis jetzt noch nicht gefundenes Bild. Baikone
waren bisher überhaupt nur ganz vereinzelt
gefunden worden, am fogenannten Haus mit dem
Balkon und (rekonftruiert) am Lupanar. Die kunft-
gefchichtliche Bedeutung der Neuentdeckungen
liegt auf der Hand. Das antike Haus, mit nach
altitalifch-indogermanifcher Sitte um fein Atrium
(die urfprüngliche Diele), oder nach griechifch-
orientalifcher Sitte um den Hof, das Periftgl,
gruppierten Räumen, jedenfalls bisher ganz nach
innen gewandt, wendet plötzlich fein Geficht nach
außen, nach der Strafte, wie das moderne
Haus. Die Straße, mit den Läden unten, den
Baikonen oben, belebt fich — und Neapel, die
Stadt der luftigen Baikone, erhält einen antiken
Ähnenbrief.

PERSONALIEN

THEODOR SCHREIBER f Im Alter von
64 Jahren verftarb in Leipzig der Direktor des
Städtifchen Mufeums der bildenden Künfte, der
Geheime Hofrat Theodor Schreiber, der gleich-
zeitig an der Univerfität eine außerordentliche
Profeffur für Archäologie inne hatte. Die viel-
feitigen Intereffen des Verdorbenen haben fich in
einem nicht ohne Stürme verfloffenen Leben mit
reichem Erfolge betätigt. Schon nach Beendigung
der Univerfitätsftudien konnte Schreiber alsReichs-
ftipendiat längere Reifen nach Griechenland und
Italien unternehmen und fpäter nach erfolgter
Habilitation an der Univerfität Leipzig hat er
zahlreiche Forfchungsreifen vor allem im Süden
Europas gemacht. Seit 1886 war er Direktor
des Leipziger Mufeums und seiner Initiative find
in erfter Linie eine Reihe der beften Ankäufe
im letzten Jahrzehnt zu danken, fo die Erwer-
bung von Kiingers „Blauer Stunde“, von Menzels
„Begegnung Guftav Adolphs“ und Leibis „Spin-
nerin“. Der Sammeltätigkeit als Mufeumsdirektor
hat der Verftorbene vielleicht die größte Liebe
entgegengebracht, und in entfcheidenden Augen-
blicken hat er auch den Mut des Bekennens be-
feffen. Als Archäologe leitete er vor allem in
den Wintermonaten 1898-02 die Ausgrabungen
der Ernft Sieglin Expedition in Alexandrien und
als folcher hat er eine befonders reiche wiffen-
fchaftlich-literarifche Tätigkeit entfaltet, während
das Fazit feiner mufealen Leiftung eigentlich durch
das große Galeriewerk des Leipziger Mufeums
gegeben ift, das im Jahre 1907 bei Bruckmann
erfchien. B.

BASEL Prof. Ernft Heidrich ift zum Ordi-
narius für Kunftgefchichte an der hiefigen Uni-
verfität ernannt worden. Damit hat die Be-

Der Cicerone, IV. Jahrg., 6. Heft. 18

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