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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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PERSONALIEN o VERMISCHTES

ERFURT Zum Direktor des hiefigen Städti-
fchen Mufeums ift Dr. Edwin Redslob, zu-
leßt Äffiftent am Gewerbemufeum in Bremen,
ernannt worden. Erfurt bedurfte auf mufealem
Gebiet fchon feit langem einer jungen, organi-
fatorifch begabten Kraft, die nun in dem neuen
Direktor gefunden ift.

LEIPZIG Der Direktor des Stadtgefchicht-
lichen Mufeums, Dr. Ä. Kurzwelly, ift kürz-
lich zum Profeffor ernannt worden.

VERMISCHTES

NEUE FORSCHUNGEN ÜBER DEN
SCHIEFEN TURM ZU PISÄ Die Ge-
lehrten- und Tedmiker-Kommiffion, die fich im
Aufträge des Unterrichts-Minifteriums mit den
technifchen, ftatifchen und geologifchen Unter-
teilungen des Campanile und feiner Umgebung
befchäftigt, hat foeben ihren Bericht verfaßt,
aus dem uns folgendes mitgeteilt wird:

Nach der architektonifch-technifchen Seite hat
Profeffor Agenore Socini, der Oberintendant
der Kunftdenkmäler Toskanas, den ehrwürdigen
Bau unterfucht, und die Ergebniffe feiner Feft-
ftellungen dem Berichterftatter fchon vor der
offiziellen Publikation derfelben freundlichft mit-
geteilt. Seine fehr eingehenden Unterteilungen,
die er durch genaue zeichnerifche Aufnahmen
erläutert, gipfeln in dem Säße, daß nur der
fefte, zylindrifche Mauerkern des Campanile den
Stürmen der Jahrhunderte widerftanden und hier
und da kleine Ausbefferungen erfahren hat,
während die fechs Säulengalerien aus Marmor
vom erften Stockwerk an, zu verfchiedenen
Zeiten, ficher fchon feit dem 14. Jahrhundert,
größtenteils erneuert worden find. Eine jeden-
falls fehr alte Verlegung zieht fich gerade
an der Stelle, wo der Turm fich am meiften
neigt, in vertikaler Richtung bis in die oberen
Stockwerke. Alle Marmorplatten, der Architrave
an Türen und Fenftern, die noch aus der Zeit
der Erbauung ftammen, find zerbrochen,
halten aber durch. Verankerung feft zufammen,
während alle, auch die älteren Marmorplatten,
die wiederhergeftellt wurden, intakt geblieben
find. Auch durch einen großen Teil der mar-
mornen Treppenbelege ziehen fich mehr oder
minder tiefe Sprünge. Im fiebenten Stockwerk
haben fich die Bogen, an denen die Glocken
hängen, infolge der Erfchütterung durch das
Läuten ein wenig gelöft. Das Auswechfeln von
Säulen, Architraven, Platten und anderen Teilen
der äußeren Konftruktion begann, wie die No-

tizen in den noch erhaltenen Rechnungsbüchern
der Dombauhütte zeigen, fchon im 14. Jahr-
hundert, und fo find im Laufe der nächften
Jahrhunderte nicht nur die Säulen, fondern auch
die marmornen Deckplatten, die Architrave und
Bogen fortwährend erneuert und folide ver-
ankert worden.

Die Bohrverfuche in der Erde wurden im
April 1910 durch Profeffor Mario Canavari
mit größter Vorficht in der Mitte des Turms
und am Rande der Fundamente ausgeführt.
Sie ergaben, daß die letzteren nur 3,6 Meter
tief find und im Durchmeffer nur dem feften,
inneren Mauerkern des Turmes entfprechen.
Das Erdmaterial, auf dem die Fundamente ruhen,
ift teils fumpfig und teils fandhaltig, und der
Druck der gewaltigen Mauermaffen hat in die--
fern nachgiebigen Erdreich deutlich wahrnehm-
bare Lageveränderungen zur Folge gehabt.

Durch den Ingenieur Cuppari find dieWaffer-
läufe unter dem Campanile unterfucht worden.
Von Süden nach Norden, alfo im Gegenfinne zu
der Neigung des Turmes, zieht fich die Quelle, die
fchon in alten Zeiten zu Beforgniffen Anlaß ge-
geben hat. Diefe Quelle und andere Waffer-
läufe, die fich immer wieder von neuem ihren
Weg um die Bafis und durch die Fundamente
des Turmes bahnten, haben, im Verein mit der
ungünftigen Befchaffenheit des Erdreichs, wahr-
fcheinlich bald nach dem Beginn des Baues die
unerwartete und unbeabfichtigte Senkung ver-
urfacht.

Die von Profeffor Pizzetti veranftalteten
genauen Meffungen ergaben, daß die Neigung
feit den Aufnahmen durch Edward Cresy und
G. L. Taylor vom Jahre 1829 um 20 Zentimeter
zugenommen hat. Die Neigung beträgt jeßt
insgefamt 3,26 Meter. Es ift wahrfcheinlich, daß
unvorfichtige Eingriffe, wie die 1839 erfolgte
Ableitung der unterirdifchen Gewäffer in eine
benachbarte Zifterne und elementare Urfachen,
wie das Erdbeben von 1846, eine plößliche Zu-
nahme der Neigung bewirkt haben.

Der Bericht des Seismologen Älfani vom
Florentiner Obfervatorium fteht noch aus. Troß
der bisherigen, wenig günftigen Ergebniffe der
Untersuchungen, die demnächft veröffentlicht
werden füllen, befteht nach Anficht der Kom-
miffionsmitglieder keine Gefahr für den Bau,
vorausgefeßt, daß die geplanten Wiederherftel-
lungsarbeiten fofort in Angriff genommen werden.

W. B.

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