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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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19. Heft
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Lilienfeld, Karl: Die Sommer-Ausstellung 1912 bei Fred. Muller in Amsterdam
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0767

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DIE SOMMER-AUSSTELLUNG 1912 BEI
FRED. MÜLLER IN AMSTERDAM

Mit 5 Abbildungen, davon eine auf einer Tafel Von KARL LILIENFELD

Die alljährlich von der Firma F. Müller & Co. in Amfterdam veranftaltete Sommer-
ausftellung hält allen Amfterdamer Auktionen der Winterfaifon an Wichtigkeit, be-
fonders was Qualität und Wert der Kunftwerke betrifft, die Wage. So wurde auch
diefes Jahr eine Kollektion zufammengebracht, die [ich von allen ähnlichen Veranftaltungen
des Kunfthandels dadurch auszeichnet, daß fämtliche ausgeftellte Bilder, unter denen
auch die großen Meifter nicht fehlen, abfolut einwandfreie, allgemein anerkannte Werke
find. Den Hauptftock bilden die Gemälde, die auf der Verfteigerung Weber im Beginn
des Jahres gekauft wurden. Überrafcht war ich von der großen „Jungen Melkerin“
Äelbert Cuyps, die bei der Verfteigerung Weber infolge fchlechter Äufhängung auf
manche einen ungünftigen Eindruck machte. Das Bild kommt jetzt in gutem Licht ganz
zu feiner Geltung und wirkt durch die einfache, etwas derbe Behandlung, die den
früheren Werken Cuyps eigen ift. Es gehört zu einer Gruppe von ebenfalls früh an-
zufetzenden Bildern mit Weideplätzen, wie fie in Dublin, im Bridgewater Houfe in
London und in der Eremitage Vorkommen. Insbefondere findet fich die Figur des
melkenden Mädchens auf den genannten Bildern faft bis ins kleinfte Detail wiederholt,
fo daß man von einer Kreideftudie der Albertina in Wien fagen kann, daß fie diefen
vier Bildern als Vorftudie für die Magd gedient hat1. — Das fchöne Eisbild A. van
der Neers, die Landfchaft Flobbemas, ebenfo wie der feine Jan van der Heyden,
die ebenfalls von der Verfteigerung Weber kommen, find genügend bekannte und in
der Literatur gewürdigte Bilder, fo daß ich fie hier übergehen kann. Erwähnen möchte
ich dagegen noch das männliche Bildnis Ferd. Bois von Weber (Nr. 3 der Ausftellung),
weil es ein fo typifches Beifpiel für den Stil des Meifters kurz vor 1660 ift. Selbft
wenn das Bild nicht das Datum 1659 trüge, würde man es leicht auf diefe Zeit be-
ftimmen können. Von Rembrandts Lehren, von deffen Helldunkel und freier Malweife
ift nichts mehr zu fpüren. Jedoch hat das Porträt auch noch nicht die pathetifche
Bewegtheit, an der man Bois Werke der 60er Jahre erkennt. Scharfe, korrekte Zeich-
nung, der fchon etwas aufdringliche Blick und das kräftige Kolorit mit den fehr dunklen
Schatten entfprechen eben der Zeit kurz vor 1660.— Haben wir hier den Fall, daß ein
Rembrandtfchüler noch zu Lebzeiten feines Meifters die von diefem empfangenen
Lehren aufgibt, um eine weniger hohe, aber beffer bezahlte Kunftweife auszuüben,
fo haben wir in dem „Ahasver“ des Ärent de Gelder (Nr. 11; fiehe Abb. 1) ein
Gegenbeifpiel. Diefer erft neuerdings wieder zu feinem Recht kommende, aus der
ganzen Rembrandtfchule herausragende Meifter, deffen Gemälden man in den Galerien
mehr und mehr Ehrenplätze einräumt, ift in diefem ficher nach Rembrandts Tod ent-
ftandenen Werk noch ganz von Rembrandtfchem G ei ft durchdrungen2. Es ift eine
ganz unerhörte Pracht und Harmonie der Lokalfarben, die das Bild auszeichnen, und
trotz des engen Zufammenhangs mit verfchiedenen Werken Rembrandts der 60 er Jahre
zeigt der Künftler einen ganz originellen, höchft geiftvollen Malftil. Das Bild hing, als
es noch im Befitz der Mrs. Jofeph war, nicht unter den übrigen Gemälden der be-
rühmten Sammlung, fondern im Speifezimmer ihres Londoner Haufes. Hier kamen

1 Auf den Zufammenhang der Bilder unter fich und mit der Zeichnung der Älbertina wies
Hofftede de Groot in feinem befchreibenden Verzeichnis der Werke Ä. Cuyps unter Nr. 364.

2 Über diefes leider nicht in feinem urfprünglichen Zuftand erhaltene Bild, über feine Er-
gänzung und feinen Inhalt fpreche ich an anderer Stelle ausführlich.

Der Cicerone, IV. Jahrg., 19. Heft. 54

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