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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0341

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AUSSTELLUNGEN

wohl jeden. Über die zerlegte Einzelfarbe hinaus
weift das ftraff zufammengehaltene Kolorit auf
die Einheit des Bildes; und meift fteht es in
einem fuggeftiven Zufammenhang mit feiner
Grundftimmung. So in dem größten Bild, der
vier Meter hohen „Huferftehung“ ein grünlich-
brauner Mondfeheindämmer, der die Sinne der
beiden gewaltig emporfteigendenMenfchenftröme
in myftifche Unwirklichkeit hüllt; fo das dumpfe
troftlofe Grau der „Sintflut“ voll Hoffnungslofig-
keit; die unerwartete Farbigkeit in der „Äuß-
gießung des heiligen Geiftes“, als Refultat eines
blitzähnlichen Lichtftrahls am Gewitterhimmel,
klingt inEkftafe aus, und in der „Unterhaltung“
leuchtet doppelt hell das Fleifdi von den man-
nigfach abgewandelten Tönen des Grau. Ämge-
fchloffenften wirken vielleicht die „Kreuztragung“
mit einem fehr reichen Goldton und die ergrei-
fende „Kreuzigung Chrifti“, eine der reifften
Kompofitionen Beckmanns. Unter den Porträts
ragt das Doppelbildnis des Künftlers mit feiner
Gattin hervor; fafzinierend in feiner tiefen
gemeinfamep Melancholie. Äuch die Landfchaften
haben, obwohl oft von ftarker Farbigkeit, nichts
Freudiges. Man könnte faft fagen, daß der
Peffimismus von Schopenhauerifcher Tiefe auch
ihnen innewohnt und fie groß und oft furchtbar
macht. In der Darftellung der Meeresbrandung
geht Beckmann über Courbet und alles, was
feither gemalt wurde, hinaus; hier vernimmt
man im Ernft den zornigen Donner des Ozeans.

P. F. Schmidt.

BERLIN Die Äusftellung der „Brücke“ bei
GURLITT verändert das Geficht diefer Ver-
einigung nur wenig. Max Pechftein ift immer
noch die ftärkfte Begabung der Gruppe und
feine neuen Bilder zeigen neben der fchon be-
kannten ftarken Kondenfierung der Form und
der Bewegung auch eine Verftärkung des Raum-
gefühls. Das Zimmer mit den Äkten ift in
diefer Beziehung ein großer Schritt über Früheres
hinaus, ohne daß doch etwas von der früheren
Intenfität derSichtbarmachung aufgegeben würde,
und das Damenbild (Nr. 54) zeigt, daß man auf
diefem Wege zu einer monumentalen, auf neue
Weife charakteriftifchen Porträtkunft kommen
könnte. Äuch bei E. L. Kirchner ift neuer-
dings ein ftärkerer Raumeindruck zu fpüren,
während Schmidt-Rottluff feinen glühenden
Farben zuliebe den Raumeindruck völlig opfert.
He ekel ift mit ein paar feinen Landfchaften
vertreten und Otto Müller erfcheint als der
Stillfte der „Brüche“. Ihn reizt der Rhythmus
von Gruppen und die gedämpfte Farbigkeit,
und er geht, ein wenig abfeits von den an-
deren, Wege, auf denen er bisweilen L. v. Hof-

mann von weitem grüßen darf. Daß die ver-
fprochenen Plaftiken ausblieben, ift fehr zu
bedauern. Es wäre außerordentlich intereffant
gewefen, diefe Künftler in einem Material ar-
beiten zu fehen, das ihren Tendenzen foweit
entgegenkommt. * *

*

Im Salon SCHULTE find Ludwig Dills Bilder
aus Chioggia eine fehr erfreuliche Erfcheinung.
In feinen heimifchen Landfchaften war der Stil
allmählich zur Manier geworden, und dieftumpfen,
faft nuancenlofen Paftellfarben ließen die Gegen-
stände wie pappgefchnittene Kuliffen erfcheinen.
In diefen Bildern aus Italien ift die Form be-
ftimmter und plaftifcher, die Tonfkala ift heller
und reicher, fo daß die Bilder (Marinen mit
Fifcherbooten und Gruppen von Fifchern am
Strand) neue Tiefe und neuen Reichtum neben
guter Monumentalität befifzen. Huf Hans Befts
Bildern aus dem Bauernleben find die einzelnen
Köpfe ganz plaftifch und charakteriftifch geraten.
Äber die einzelnen Figuren haben weder unter-
einander noch mit dem Raum eine geiftig oder
formal notwendige Verbindung. P. P. Müller
gibt hübfeh vereinfachte Flachlandfchaften, nur
ift manchmal die Bodenbewegung wenig charak-
teriftifch. Bei Älfons Purtfchers frifchen Bil-
dern fpürt man die Schule Zügels. Namentlich
die Pferde find gut in Bewegung und Eigenart
getroffen und farbig lebendig in die Landfchaft
gefetzt. Weniger befriedigen das Interieur und
das Porträt. Von dem andern Zügelfchüler,
Guftav Büchner, ift das befte Stück der Ochfe
mit dem Treiber. In den Stilleben ift das Por-
zellan manchmal hübfeh behandelt. Die Porträt-
köpfe haben dadurch, daß Kopf und Hintergrund-
landfchaft gleich ausführlich und wichtig be-
handelt find, etwas teppichartiges, übrigens aber
eine genügende Charakteriftik. Rud. Gudden
gibt fein Beftes in der Darftellung von Be-
wegungen, wie bei dem wafferfchöpfenden
Mädchen und dem reitenden Jungen. Im üb-
rigen fpürt man aber hinter den ftarkfarbigen,
aber wenig geklärten Darftellungen kein fo
leidenfchaftlich-energifches Formerlebnis, daß
dadurch die Klobigkeit der Form gerechtfertigt
erfchiene. Von Carl Felbers Landfchaften be-
friedigen am meiften die ganz einfachen Dachauer
Stücke. Wo er farbig fein will, wirkt er leicht
bunt, und die Einheitlichkeit des Eindrucks ge-
fährdet er noch leicht durch ungebührliche Be-
tonung von Einzelheiten. Wilhelm Löwith
verföhnt mit feiner literarifch-angehauchten alt—
modifchen Genremalerei durch gute Stoffcharak-
teriftik, namentlich in den Interieurs. Für große
Köpfe reicht die Energie feiner Formvorftellung
indeffen nicht aus. Von Jakob Glasner ift

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