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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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15. Heft
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Denkmalpflege
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Entdeckungen. Funden
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0646

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DENKMALPFLEGE o ENTDECKUNGEN UND FUNDE

DENKMALPFLEGE

KUNSTRÄUB IN SIENÄ Durch den
Infpektor der Kunftdenkmäler Sienas, Dr. Gia-
como De Nicola, erhalten wir die fenfationelle
Nachricht, daß die Fresken Pinturicchios im
Palazzo del Magnifico abgelöft und heimlich
fortgebracht worden find. Damit ift das tragifche
Schickfal diefes ftolzen Palaftes, der einft die
fürftliche Refidenz des Pandolfo Petrucci, des
allmächtigen Tyrannen von Siena war, endgültig
befiegelt, nachdem fein Glanz fchon lange ver-
blichen, feine Größe dahin und fein Kunftbefiß
an die verfchiedenften Mufeen und Sammlungen
verhandelt war.

Um 1505 begann Pandolfo Petrucci den Bau,
der noch heute, in feinem Verfall, den Namen
„Palazzo del Magnifico“ trägt. Sein Architekt
war Giacomo Cozzarelli. Den fchönften Schmuck
des Palaftes bildete ein Saal, den fich der pracht-
liebende Tyrann von Siena mit Fresken Giro-
lamo Gengas, Luca Signorellis und Bernardino
Pinturicchios fchmücken ließ. Von den herrlichen
Majolikafliefen, die den Boden bedeckten, find
noch Refte im Louvre und im South Kenfington-
Mufeum erhalten, während von den Holz-
fchnißereien des Antonio Barili einige Fragmente
in die Sienefer Accademia di Belle Arti gekom-
men find, zugleich mit zwei Fresken von Giro-
lamo Genga. Zwei andere Fresken, den Triumph
der Keufchheit von Signorelli und die Penelope
am Webftuhl, von den Freiern überrafcht, ein
Meifterwerk Pinturicchios, bewahrt feit 1874 die
National Gallery in London. Jeßt haben auch
die vor kurzem noch vorhandenen, aber durch
einen modernen Plafond der Befichtigung ent-
zogenen Deckenmalereien die Reife ins Ausland
angetreten. Der Schreiber diefer Zeilen hatte
vor Jahren Gelegenheit, die fchwer zugänglichen
Malereien an der Decke zu fehen. An den Ge-
wölbefüßen waren auf blauem, mit Gold punk-
tiertem Grunde vergoldete Kandelaber und De-
vifen angebracht, über denen Adler fchwebten,
an deren Flügeln Weintrauben und Bänder
hingen. In den Lünetten fah man zum Teil
übertünchte mythologifche Szenen, darunter An-
tiope, von Jupiter überrafcht, Bacchus mit Pan,
Herkules und Omphale, die Triumphe des Krieges
und des Friedens, die Gefchichte des Brennus,
in den Hängebögen auf abwechfelnd rotem und
blauem Grunde die neun Mufen, und im Mittel-
felde das von Genien gehaltene Wappen des
Pandolfo Petrucci in einer Girlande. Troß ihres
fragmentarifchen Erhaltungszuftandes zeigten die
Fresken, daß Pinturicchio auch hier, ähnlich wie
in den vielgepriefenen Dekorationen des „Appar-
tamento Borgia“ im Vatikan, es in hohem Grade

verbanden hat, die Stimmung hoher Feftfreude
zu erzeugen, die der prunkliebende Sinn feines
Auftraggebers von ihm verlangte.

Hoffentlich gelingt es noch in irgendeiner Weife
der heimlich fortgebrachten Fresken wieder hab-
haft zu werden. W. B.

LONDON Es ift erfreulich zu melden, daß
die alten Steinfiguren zu den Kaminen des
TatterfhallCaftle, die fchon forttransportiert
und für Amerika beftimmt waren (wie eigent-
lich das ganze Schloß), doch noch zurückgekauft
werden konnten und im alten Schlöffe wieder
aufgeftellt werden follen. — Im übrigen find aber
jüngft einige Vandalentaten an alten Bau-
werken ausgeübt worden, die die in Vorberei-
tung fich befindenden Gefeßentwürfe zum Schüße
alter Bau- und Kunftwerke mehr als notwendig
erfcheinen laffen. So hat man ein trefflich er-
haltenes Tudorhaüs aus der Zeit der Elifabeth
in Ipswich abgebrochen und in der momentan
in Earl’s Court, London ftattfindenden Shake-
fpearausftellung wieder aufgebaut, damit es dort
leichter einen Käufer, wahrfcheinlich aus Ame-
rika, finde. Ferner ift in Banbury der fo-
genannte „Ye Olde Globe Room“, eines der
fchönften Beifpiele der Jakobäifchen Laienarchi-
tektur, aus dem Jahre 1637 abgebrochen und
nach London gefchafft worden, um dort Käufer
anzulocken. Der Saal foll von Inigos Jones felber
gebaut worden fein. Die ganz wundervoll ge-
arbeitete Stukkatur der Decke ift fein Haupt-
fchmuck. F.

ENTDECKUNGEN ♦ FUNDE

DIE WIEDERÄUFFINDUNG EINI-
GER FRÄGMENTE VON RÄFFÄELS
KRÖNUNG DES HEIL. NIKOLAUS

Den hochintereffanten Nachweis zweier Figuren
der bis jeßt verloren geglaubten erften Altar-
kompofition Raffaels, der Krönung des heiligen
Nikolaus von Tolentino, verdanken wir Oskar
Fifchel, der im leßten Heft des „Jahrbuches der
Preußifchen Kunftfammlungen“ ausführlich über
feine Entdeckung berichtet.

Schon vor Jahren, bei Gelegenheit der Aus-
heilung altumbrifcher Kunft in Perugia 1907,
tauchte ein angebliches Fragment des Werkes,
die Figur eines fegnenden Gottvaters, auf. Das
Stück trug zwar alle Kennzeichen der Schule
Raffaels, mußte aber der fpäteften Epoche des
Meifters, der Zeit der Loggienmalereien, zuge-
wiefen werden. Auch entfprach diefes Frag-
ment nicht der uns noch erhaltenen Zeichnung
im Mufee Wicar in Lille, die, zum Übertragen

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