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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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15. Heft
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Rathe, Kurt: Die Neuerwerbungen der K. K. Staatsgalerie in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0626

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DIE NEUERWERBUNGEN DER K. K. STAATSGALERIE IN WIEN

irrenden Ritters, der ftets in wirklichem oder eingebildetem Kampfe mit [einer Umwelt
lebt, [ich gefpenftifch flackernd von dem grell beleuchteten Hintergrund abhebt. Die
Abbildung läßt vielleicht noch erkennen, wie meifterhaft diefe Kontraftwirkung mit
rein malerifchen Mitteln — durch die ftumpfen und fchweren braunen Töne des Vorder-
grundes — verftärkt wird. — Der Qualität nach folgt zunächft Renoirs „Badende“
(Abb. 14), die in den fiebziger Jahren entftanden fein dürfte; die zart-duftige Anmut
des Kolorits verbürgt ihr einen Ehrenplatz unter den vielen „Baigneufes“ diefes Meifter-
Oeuvres. Mit ebenfo charakteriftifchen, wenn auch minder repräfentativen Werken find
zwei andere große Impreffioniften vertreten: Monet mit einer ganz in Farbe und
Licht gelöften Studie, „Fifcher an der Seine bei Poiffy“, Piffarro mit einem der be-
fonders reizvollen Frühbilder („Straße in Eragny“, 1862), denen noch Eva Gonzales
mit einer Landfchaftsfkizze anzureihen ift.

In demfelben Raume hat Rodins Mahler-Büfte ihren Plaß gefunden, von der
in diefen Blättern fchon wiederholt die Rede war. Befondere Anregung gewährt der
durch die Gleichartigkeit des Materials erleichterte Vergleich mit der ihr gegenüber auf-
geftellten Bronzebüfte eines anderen großen Mufikers der Gegenwart, mit dem Richard
Strauß-Kopfe Lederers. (Doch foll der naheliegende Vergleich bei weitem nicht
etwa zu einer allgemeinen Gegenüberftellung „gallifcher“ und „germanifcher“ Porträt-
auffaffung erweitert werden!) Rodins Porträt ift in erfter Linie auf den äußeren Effekt
berechnet; es verzichtet auf ftrenge Ähnlichkeit, konzentriert dafür die Wirkung auf den
für Mahler fo charakteriftifchen, gleichfam nach innen gekehrten Blick der verfchleierten
Augen. Lederer erfcheint zunächft vielleicht trockener, jedenfalls fachlicher. Er model-
liert in ßächigen, kräftig zufammengefaßten Maffen und betont die organifche Struktur
des Kopfes, der fo in formaler wie in geiftiger Hinficht meifterlich gefchloffen erfcheint.
Von den anderen Werken der Plaftik find des Pragers Sturfa „Badende“ und Küh-
ne lts „Medea“ beide noch aus dem öfterreichifchen Pavillon in Rom in guter Er-
innerung. —

Ohne tönende Programme hat Direktor Dörnhöffer vor zweieinhalb Jahren fein
Amt angetreten. Am Anfang feiner Wirkfamkeit ftand eine weithin fichtbare Tat: Die
glänzende Organifation des öfterreichifchen Pavillons der römifchen Jubiläumsausftel-
lung. Er hat ihr, unterftüßt von der Einficht des Unterrichtsminifteriums und werktätiger
Kunftfreunde, binnen kurzem weitere Taten folgen laffen, deren Bedeutung für das
Kunftleben Wiens und Öfterreichs auch in diefer Zeitfchrift nach Gebühr gewürdigt
wurde: Die Gründung des „Öfterreichifchen Galerievereins“, den programmatifchen Aus-
bau der „modernen Galerie“ zu einer „öfterreichifchen Staatsgalerie“, der die langer-
fehnte Vereinigung mit der Akademie-Galerie hoffentlich bald zur Folge haben wird,
und endlich diefe ftolze Vermehrung des ihm anvertrauten Kunftbefißes. Möge es
Dörnhöffer nunmehr auch in nicht allzuferner Zeit befchieden fein, das Ererbte und
Neugewonnene in einem eigenen Heim fich und uns zu eigenftem Befiß zu erwerben!

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