Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912
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7. Heft
DOI Artikel:Stätten der Arbeit
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STÄTTEN DER ARBEIT
ÄLBERT GHRTMÄNN, Hohl-Glashütte
liehe Dorado feiner Kunft und — feines Ruhmes
gefunden. Indes, wie bei jeder echten künft-
lerifchen Offenbarung das Motiv beinahe neben-
fächlich ift, fo darf man auch von den in diefer
Äusftellung gezeigten Bildern hoffen, daß fie
über die eigentliche Illuftration hinauswachfen,
wenn fie wirklich vom Geifte unferes Jahr-
hunderts die richtige Befruchtung empfangen
haben. Die Kritik wird feftftellen, wieweit
das im einzelnen zutrifft, wo
in der Tat hinter den Werken
die Kraft einer neufchöpferifchen
Perfönlichkeit fteht, die mit
eigenen Äugen fieht und auch
die Profa zum großen Erlebnis
geftaltet, und wo andererfeits
folche Äufgabe noch nicht er-
füllt wurde, Der Schreiber diefer
Zeilen möchte mit feinem eigenen
Urteil bei folchen Fragen ab-
fichtlich zurückhalten, obwohl
auch er — wie wohl jeder Be-
fucher der Äusftellung — von
der Tatfache überrafcht war,
wie fehr dies neue Gebiet in
der Moderne bereits an Dimen-
fionen gewonnen hat. Doch nicht
das allein berechtigt zu dem
Hinweis, daß hier vielleicht Aus-
blicke in die Zukunft gegeben
find, die man bisher nur in ver-
einzelten Fällen genießen konnte.
Wenn Zola einmal gefagt hat
„dans l’oeuvre d’art je cherche,
j’aime l’homme, l’artiste“, fo fei
hier angefichts jener Proben die
Frage fo formuliert: Weifen diefe
Zeugniffe, die an den Stätten
der Arbeit entftanden, wirklich
auch die Perfönlichkeit ihres
Schöpfers, bereichern fie im Är-
tiftifchen das eigentliche Reper-
toire der Kunft? Nun ich denke,
was hier von den Beften unferer
Zeit gezeigt wird, fteckt fo voll
der Sehnfucht unferes Jahrhun-
derts, daß man in diefem Sinne
unbedingt von einem künftleri-
fchen Wertzuwachs wird fprechen
dürfen, den unfere Generation
vor allen vorangehenden vor-
aus hat. Arbeit ift Leben und
Bewegung, ganz einerlei, wie
immer fie fich offenbart, ob
draußen im Sonnenbrand des
Feldes oder im Dampf der Ma-
fchinen, ob an einfamer Stätte
oder im Gewühl des von dynamifchen Kräften
erfüllten Fabrikbetriebes, ob durch Menfchen ver-
körpert, die durch den Intellekt Herren der Ele-
mente find oder durch die willfährigen Koloffe
der Technik, die der prometheifche Erfinderdrang
gefertigt hat. Und darum find die Stätten, an
denen fich das neue Leben enthüllt, ohne wei-
teres Themata der Kunft. Auch die Landfchaften
empfangen durch die Zeugen des induftriellen
ULRICH HÜBNER, Hamburger Hafen
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ÄLBERT GHRTMÄNN, Hohl-Glashütte
liehe Dorado feiner Kunft und — feines Ruhmes
gefunden. Indes, wie bei jeder echten künft-
lerifchen Offenbarung das Motiv beinahe neben-
fächlich ift, fo darf man auch von den in diefer
Äusftellung gezeigten Bildern hoffen, daß fie
über die eigentliche Illuftration hinauswachfen,
wenn fie wirklich vom Geifte unferes Jahr-
hunderts die richtige Befruchtung empfangen
haben. Die Kritik wird feftftellen, wieweit
das im einzelnen zutrifft, wo
in der Tat hinter den Werken
die Kraft einer neufchöpferifchen
Perfönlichkeit fteht, die mit
eigenen Äugen fieht und auch
die Profa zum großen Erlebnis
geftaltet, und wo andererfeits
folche Äufgabe noch nicht er-
füllt wurde, Der Schreiber diefer
Zeilen möchte mit feinem eigenen
Urteil bei folchen Fragen ab-
fichtlich zurückhalten, obwohl
auch er — wie wohl jeder Be-
fucher der Äusftellung — von
der Tatfache überrafcht war,
wie fehr dies neue Gebiet in
der Moderne bereits an Dimen-
fionen gewonnen hat. Doch nicht
das allein berechtigt zu dem
Hinweis, daß hier vielleicht Aus-
blicke in die Zukunft gegeben
find, die man bisher nur in ver-
einzelten Fällen genießen konnte.
Wenn Zola einmal gefagt hat
„dans l’oeuvre d’art je cherche,
j’aime l’homme, l’artiste“, fo fei
hier angefichts jener Proben die
Frage fo formuliert: Weifen diefe
Zeugniffe, die an den Stätten
der Arbeit entftanden, wirklich
auch die Perfönlichkeit ihres
Schöpfers, bereichern fie im Är-
tiftifchen das eigentliche Reper-
toire der Kunft? Nun ich denke,
was hier von den Beften unferer
Zeit gezeigt wird, fteckt fo voll
der Sehnfucht unferes Jahrhun-
derts, daß man in diefem Sinne
unbedingt von einem künftleri-
fchen Wertzuwachs wird fprechen
dürfen, den unfere Generation
vor allen vorangehenden vor-
aus hat. Arbeit ift Leben und
Bewegung, ganz einerlei, wie
immer fie fich offenbart, ob
draußen im Sonnenbrand des
Feldes oder im Dampf der Ma-
fchinen, ob an einfamer Stätte
oder im Gewühl des von dynamifchen Kräften
erfüllten Fabrikbetriebes, ob durch Menfchen ver-
körpert, die durch den Intellekt Herren der Ele-
mente find oder durch die willfährigen Koloffe
der Technik, die der prometheifche Erfinderdrang
gefertigt hat. Und darum find die Stätten, an
denen fich das neue Leben enthüllt, ohne wei-
teres Themata der Kunft. Auch die Landfchaften
empfangen durch die Zeugen des induftriellen
ULRICH HÜBNER, Hamburger Hafen
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