Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912
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AUSSTELLUNGEN
nard Naudin i[t hier mit zwei herrlichen Radie-
rungen vertreten. Indem er mehr vom Dunklen
ins Helle arbeitet, gibt er mehr vom Myftifchen
des Raumes, die Entwicklung des Kosmifchen
aus dem Chaos. Der Name diefes Künftlers,
der heute noch allzufehr im Verborgenen fteht,
wird ficher ein ft die Welt erfüllen. Er ift einer
von jenen, die abfeits von der Entwicklung der
Zeit ihren Weg allein Tuchen. Unter den Skulp-
turen find Werke von J. Bernard, Bartholome
und Quillivic zu nennen, die teilweife hier fchon
bei anderer Gelegenheit genannt wurden.
In der GALERIE BERNHEIM JEUNE ftellte
Henri Michel-Levy eine Folge von Landfchaften
aus. Darauf folgte eine Äusftellung neuer Ar-
beiten von Kees vanDongen; dem Katalog hat
der Künftler felbft ein Vorwort vorangeftellt,
das ihn vor allen Leuten von Gefchmack in
Mißkredit bringen wird. Si le sexe se trouvait
dans la figure ä la place du nez . . . Das find
Wiße, die gegen Morgen im Cafe am Plaße
fein mögen. Die Gemälde felbft find fehr ungleich-
wertig. Von irgendeiner Auffaffung des Raumes
und der Form im Raume ift keine Rede. Die Bilder
tragen vielmehr den Charakter von Reliefmalerei,
in der die Formen durch Kontraftierung von
Farbflecken fichtbar gemacht werden. Dabei
foll nicht geleugnet werden, daß van Dongen
oft entzückende Wirkungen in Farbenharmonien
fchafft. Aber er felgt die Farben brutal neben-
einander und ahnt nicht, was Ton ift. PJakat-
kunft. Oft glaubt man in van Dongen ein Mit-
glied der artistes frani^ais zu fehen, das fich
einmal den Spaß bereitet, „modern“ zu malen.
Seine Kunft ift blank und oberflächlich, ohne
jede Tiefe. Er wird ficher einmal ein fehr fym-
pathifcher Kitfchmaler werden. Dahin fcheint
fchon heute feine Begabung zu weifen.
In der GALERIE DES ARTISTES CONTEM-
PORÄ1NS zeigte ]. Jouve über 100 farbige und
Schwarz-Weiß-Zeichnungen nach Tieren, Löwen,
Tiger, Schlangen und Vögel. Der Charakter der
einzelnen Tiere ift aus ihrem inneren Wefen
heraus trefflich verftanden und für die verfchie-
denen Tiere eine entfprechende Technik, ent-
fprechende Farben gefunden, fo daß die Dar-
ftellungen beftimmt und überzeugend wirkten.
Belanglos war die Äusftellung der Gefellfchaft
L’Eclectique, die fich daran fchloß.
In der GALERIE GEORGES PETIT fand die
29. Äusftellung der Societe internationale
de Peinture et Sculpture ftatt, die ohne
jedes Intereffe war. In der gleichen Galerie
wurde am 11. Dezember die 5. Äusftellung der
Comedie humaine eröffnet. Außer Nudi-
täten, die fich dort allein und zu zweit auf den
Leinwänden räkeln, find hübfche dekorative
Szenen von Brunellefchi und vortreffliche Zeich-
nungen von Maxime Dethomas hervorzuheben.
Einer der wenigen Künftler diefes Kreifes ift
der bekannte Humorift Jean Veber. Er macht
feine draftifchen Motive durch mimifche Aus-
drücke überzeugend lebendig und unterftreicht
die Draftik durch koloriftifche Reize. Seine
Farben find niemals äußerlich, fondern aus dem
Motiv herausgewachfen. Da auch feine Raum-
dispofition in draftifcher Komik angelegt ift, ift
jedes feiner Bilder einheitlicher als manche Bilder
von ernfter Intention. Man begegnet ihm ftets
mit Vergnügen.
E. DRUET führte die erfte Gruppe feiner
Pfleglinge vor. Ein Basrelief in Holz von
Äriftide Maillol war hier das Bedeutendfte.
Während Maillol bisher nur Körper in der Ruhe
darftellte, hat er hier zum erftenmal ein halb
liegendes Weib gefchaffen, das die Beine hoch-
gezogen hat — alfo einen Bewegungsmoment
— aber ohne daß man die Unruhe, das Quä-
lende des Kubifchen empfindet. Das fdhöne
Relief wirkt wie ein verfeinerter Augenblick,
der erhaben über den Einfluß von Luft und
Licht ift. Unwillkürlich denkt man an Jean
Goujon, der die wilde Seele der Gotik in die
abgemeffenen Formengefetje des Klaffizismus
preßte. So ftellt Maillol die Überwindung Ro-
dins dar. Und daneben hingen zwei jener köft-
lichen Blumenbuketts von Odilon Redon, die die
gleichen Prinzipien in der Malerei verfinnbild-
lichen; ferner ein dem Grafen Keßler gehöriges
Panneau. Die Summe der Farbenzäpfchen wirkte
wie ein mild gefärbter Schleier, hinter dem man
die Formen nur ahnte. Felix Vallotton fcheint
feine proteftantifche Herbheit und Trockenheit
endlich ein wenig zu verlieren. Seine neueften
Bilder find weicher, farbiger, freudiger als die,
die man feit zehn Jahren von ihm zu fehen
gewohnt war. Von Henri Lebasque fah man
einen Zyklus fympathifcher Landfchaften. Über
Serufier, Laprade, Ryjjellberghe ift neues nicht
zu fagen. Maurice Denis wirkte hier mit
einigen Strandbildern und befonders mit einem
kleinen Genreftück: Petite maternite erfreulicher
als im Pavillon Marfan. Enttäufcht er feit
einigen Jahren die großen Erwartungen, die
man auf ihn fetfe, fo wirkt er im Kleinen echt,
natürlich und anmutig.
In der rue Tronchet 2 ift eine fchön ein-
gerichtete GALERIE D’ART ANCIEN ET D’ART
CONTEMPORÄIN eröffnet worden, deren erfter
Verfuch der Cubiftengruppe des Herbftfalons galt,
die hier als Societe normande de peinture
moderne ihre zweite Äusftellung eröffnete.
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nard Naudin i[t hier mit zwei herrlichen Radie-
rungen vertreten. Indem er mehr vom Dunklen
ins Helle arbeitet, gibt er mehr vom Myftifchen
des Raumes, die Entwicklung des Kosmifchen
aus dem Chaos. Der Name diefes Künftlers,
der heute noch allzufehr im Verborgenen fteht,
wird ficher ein ft die Welt erfüllen. Er ift einer
von jenen, die abfeits von der Entwicklung der
Zeit ihren Weg allein Tuchen. Unter den Skulp-
turen find Werke von J. Bernard, Bartholome
und Quillivic zu nennen, die teilweife hier fchon
bei anderer Gelegenheit genannt wurden.
In der GALERIE BERNHEIM JEUNE ftellte
Henri Michel-Levy eine Folge von Landfchaften
aus. Darauf folgte eine Äusftellung neuer Ar-
beiten von Kees vanDongen; dem Katalog hat
der Künftler felbft ein Vorwort vorangeftellt,
das ihn vor allen Leuten von Gefchmack in
Mißkredit bringen wird. Si le sexe se trouvait
dans la figure ä la place du nez . . . Das find
Wiße, die gegen Morgen im Cafe am Plaße
fein mögen. Die Gemälde felbft find fehr ungleich-
wertig. Von irgendeiner Auffaffung des Raumes
und der Form im Raume ift keine Rede. Die Bilder
tragen vielmehr den Charakter von Reliefmalerei,
in der die Formen durch Kontraftierung von
Farbflecken fichtbar gemacht werden. Dabei
foll nicht geleugnet werden, daß van Dongen
oft entzückende Wirkungen in Farbenharmonien
fchafft. Aber er felgt die Farben brutal neben-
einander und ahnt nicht, was Ton ift. PJakat-
kunft. Oft glaubt man in van Dongen ein Mit-
glied der artistes frani^ais zu fehen, das fich
einmal den Spaß bereitet, „modern“ zu malen.
Seine Kunft ift blank und oberflächlich, ohne
jede Tiefe. Er wird ficher einmal ein fehr fym-
pathifcher Kitfchmaler werden. Dahin fcheint
fchon heute feine Begabung zu weifen.
In der GALERIE DES ARTISTES CONTEM-
PORÄ1NS zeigte ]. Jouve über 100 farbige und
Schwarz-Weiß-Zeichnungen nach Tieren, Löwen,
Tiger, Schlangen und Vögel. Der Charakter der
einzelnen Tiere ift aus ihrem inneren Wefen
heraus trefflich verftanden und für die verfchie-
denen Tiere eine entfprechende Technik, ent-
fprechende Farben gefunden, fo daß die Dar-
ftellungen beftimmt und überzeugend wirkten.
Belanglos war die Äusftellung der Gefellfchaft
L’Eclectique, die fich daran fchloß.
In der GALERIE GEORGES PETIT fand die
29. Äusftellung der Societe internationale
de Peinture et Sculpture ftatt, die ohne
jedes Intereffe war. In der gleichen Galerie
wurde am 11. Dezember die 5. Äusftellung der
Comedie humaine eröffnet. Außer Nudi-
täten, die fich dort allein und zu zweit auf den
Leinwänden räkeln, find hübfche dekorative
Szenen von Brunellefchi und vortreffliche Zeich-
nungen von Maxime Dethomas hervorzuheben.
Einer der wenigen Künftler diefes Kreifes ift
der bekannte Humorift Jean Veber. Er macht
feine draftifchen Motive durch mimifche Aus-
drücke überzeugend lebendig und unterftreicht
die Draftik durch koloriftifche Reize. Seine
Farben find niemals äußerlich, fondern aus dem
Motiv herausgewachfen. Da auch feine Raum-
dispofition in draftifcher Komik angelegt ift, ift
jedes feiner Bilder einheitlicher als manche Bilder
von ernfter Intention. Man begegnet ihm ftets
mit Vergnügen.
E. DRUET führte die erfte Gruppe feiner
Pfleglinge vor. Ein Basrelief in Holz von
Äriftide Maillol war hier das Bedeutendfte.
Während Maillol bisher nur Körper in der Ruhe
darftellte, hat er hier zum erftenmal ein halb
liegendes Weib gefchaffen, das die Beine hoch-
gezogen hat — alfo einen Bewegungsmoment
— aber ohne daß man die Unruhe, das Quä-
lende des Kubifchen empfindet. Das fdhöne
Relief wirkt wie ein verfeinerter Augenblick,
der erhaben über den Einfluß von Luft und
Licht ift. Unwillkürlich denkt man an Jean
Goujon, der die wilde Seele der Gotik in die
abgemeffenen Formengefetje des Klaffizismus
preßte. So ftellt Maillol die Überwindung Ro-
dins dar. Und daneben hingen zwei jener köft-
lichen Blumenbuketts von Odilon Redon, die die
gleichen Prinzipien in der Malerei verfinnbild-
lichen; ferner ein dem Grafen Keßler gehöriges
Panneau. Die Summe der Farbenzäpfchen wirkte
wie ein mild gefärbter Schleier, hinter dem man
die Formen nur ahnte. Felix Vallotton fcheint
feine proteftantifche Herbheit und Trockenheit
endlich ein wenig zu verlieren. Seine neueften
Bilder find weicher, farbiger, freudiger als die,
die man feit zehn Jahren von ihm zu fehen
gewohnt war. Von Henri Lebasque fah man
einen Zyklus fympathifcher Landfchaften. Über
Serufier, Laprade, Ryjjellberghe ift neues nicht
zu fagen. Maurice Denis wirkte hier mit
einigen Strandbildern und befonders mit einem
kleinen Genreftück: Petite maternite erfreulicher
als im Pavillon Marfan. Enttäufcht er feit
einigen Jahren die großen Erwartungen, die
man auf ihn fetfe, fo wirkt er im Kleinen echt,
natürlich und anmutig.
In der rue Tronchet 2 ift eine fchön ein-
gerichtete GALERIE D’ART ANCIEN ET D’ART
CONTEMPORÄIN eröffnet worden, deren erfter
Verfuch der Cubiftengruppe des Herbftfalons galt,
die hier als Societe normande de peinture
moderne ihre zweite Äusftellung eröffnete.
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