Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0077
DOI issue:
2. Heft
DOI article:Stoehr, August: Hanauer und Frankfurter Fayencen, [1]: Versuch einer Trennung
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HANAUER UND FRANKFURTER FAYENCEN
Die ringförmige oder wellige
Abdrehung des Halfes der Eng-
halskrüge, die in den Fabriken
von Frankfurt, Ansbach, Nürn-
berg und einigen kleineren an-
deren fehr beliebt war, findet
fich nur in einer ganz beftimmten
Periode im Zufammenhang mit
einer in Hanau fonft nicht zur
Anwendung gekommenen Hen-
kelform, dem fogenannten Flecht-
oder Tauhenkel.
Ich fand unter den hunderten
von Hanauer Krügen, die ich in
deutfchen Mufeen und Privat-
fammlungen unterfuchen konnte,
nur wenige (im ganzen drei)
Stücke mit Flechthenkeln und
abgedrehten Hälfen, welche auf
Grund ihrer fonftigen Geftaltung
und einer für Hanau gefieberten
Marke als Hanauer Erzeugniffe
angefprochen werden müffen.
Diefe Zopf- oder Tauhenkel
find durch das Aneinanderlegen
zweier tauartig gedrehter Stücke
gebildet, wobei die Stoßfuge durch
einen dünnen Wulft verdeckt
wird. Die beiden Enden find
divergierend auf dem Gefäßleib Äbb. 4
aufgelegt. Wir werden diefe
Technik bei den fpäter zu befchreibenden Erzeugniffen der Frankfurter Fabrik wieder-
finden, wo fie bei einer größeren Zahl von Stücken als Leitmotiv zu nennen ift. Es
ift die Möglichkeit nicht von der Hand zu weifen, daß ein Frankfurter Former oder
Dreher eine Zeitlang in Hanau gearbeitet haben kann, der dort eine in Frankfurt er-
lernte Fertigkeit auch gelegentlich in Hanau, womöglich auf beftimmte Beftellungen
eines Liebhabers geflochtener Henkel hin ausgeübt hat. Unterftüßt wird diefer Gedanke
durch die Tatfache, daß von den mir bekannt gewordenen drei Stücken zwei die
gleiche Marke tragen, und durch die auf dem Boden beigefchriebenen Jahreszahlen.
Das frühefte Stück bildet Dr. med. Großmann1 ab; es trägt die Bezeichnung I S 1706.
Ein zweites Exemplar befindet fich im Frankfurter hiftorifchen Mufeum. Es trägt
die Bezeichnung SM 1715.
Das dritte Exemplar bewahrt das Mufeum in Kaffel. Es ift mit SM 1718 und mit
der eingekraßten Signatur P M verfehen.
Die Marke S M erfcheint auch auf Enghalskrügen mit der typifchen Henkelbefefti-
gung. Daß die Marke SM, abgefehen von diefem Beweis, wirklich für Hanau in
1 Hanauer Fayencen, Heffenkunft 1910.
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Die ringförmige oder wellige
Abdrehung des Halfes der Eng-
halskrüge, die in den Fabriken
von Frankfurt, Ansbach, Nürn-
berg und einigen kleineren an-
deren fehr beliebt war, findet
fich nur in einer ganz beftimmten
Periode im Zufammenhang mit
einer in Hanau fonft nicht zur
Anwendung gekommenen Hen-
kelform, dem fogenannten Flecht-
oder Tauhenkel.
Ich fand unter den hunderten
von Hanauer Krügen, die ich in
deutfchen Mufeen und Privat-
fammlungen unterfuchen konnte,
nur wenige (im ganzen drei)
Stücke mit Flechthenkeln und
abgedrehten Hälfen, welche auf
Grund ihrer fonftigen Geftaltung
und einer für Hanau gefieberten
Marke als Hanauer Erzeugniffe
angefprochen werden müffen.
Diefe Zopf- oder Tauhenkel
find durch das Aneinanderlegen
zweier tauartig gedrehter Stücke
gebildet, wobei die Stoßfuge durch
einen dünnen Wulft verdeckt
wird. Die beiden Enden find
divergierend auf dem Gefäßleib Äbb. 4
aufgelegt. Wir werden diefe
Technik bei den fpäter zu befchreibenden Erzeugniffen der Frankfurter Fabrik wieder-
finden, wo fie bei einer größeren Zahl von Stücken als Leitmotiv zu nennen ift. Es
ift die Möglichkeit nicht von der Hand zu weifen, daß ein Frankfurter Former oder
Dreher eine Zeitlang in Hanau gearbeitet haben kann, der dort eine in Frankfurt er-
lernte Fertigkeit auch gelegentlich in Hanau, womöglich auf beftimmte Beftellungen
eines Liebhabers geflochtener Henkel hin ausgeübt hat. Unterftüßt wird diefer Gedanke
durch die Tatfache, daß von den mir bekannt gewordenen drei Stücken zwei die
gleiche Marke tragen, und durch die auf dem Boden beigefchriebenen Jahreszahlen.
Das frühefte Stück bildet Dr. med. Großmann1 ab; es trägt die Bezeichnung I S 1706.
Ein zweites Exemplar befindet fich im Frankfurter hiftorifchen Mufeum. Es trägt
die Bezeichnung SM 1715.
Das dritte Exemplar bewahrt das Mufeum in Kaffel. Es ift mit SM 1718 und mit
der eingekraßten Signatur P M verfehen.
Die Marke S M erfcheint auch auf Enghalskrügen mit der typifchen Henkelbefefti-
gung. Daß die Marke SM, abgefehen von diefem Beweis, wirklich für Hanau in
1 Hanauer Fayencen, Heffenkunft 1910.
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