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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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2. Heft
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Rundschau - Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0088

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SAMMLUNGEN

lehrt überzeugend die Äusftellung der Neuerwer-
bungen und Aufträge des franzöfifchen Staates,
die gegenwärtig in der Ecole des Beaux Ärts
ftattfindet. Unbeftreitbar würde heutzutage die
befchränktefte Verwaltung der winzigften deut-
fchen Stadt nicht mehr einen fo völligen Mangel
an jeglichem Werturteil gegenüber der Kunft der
Gegenwart beweifen wie der franzöfifche Staat.
Man glaubt den Grundftock eines Mufeums der
Gefcbmacklofigkeiten oder der Unzulänglichkeiten
des Dilettantismus vor [ich zu fehen. Das Niveau
der Ankäufe, das noch niedriger ift als in frü-
heren Jahren, ift eine Schande für Frankreich,
eine Schande für die franzöfifche Regierung, die
fich blind ftellt oder zu befchränkt ift, um die
großen und ftarken Bewegungen in der franzö-
fifchen Kunft der Gegenwart zu erkennen, die
erhabenen Werke der großen Künftler des In-
und Auslandes zu fehen. Bernard, Flandrin,
Marquet, Maillol, Vlaminck, Derain, Friesz,
Guerin u. a. fehlen gänzlich. Natürlich ift auch
kein Werk eines Deutfchen, Skandinaviers, Eng-
länders, Ruffen erworben. Besnard, Lavery,
Zuloaga, Simon, Cottet und ihr Kreis find nicht
einmal vertreten. Unter den fürchterlichften Bar-
barismen findet man feltfamerweife eine Bronze
von Rodin, ein Aquarell von Signac, eine Ra-
dierung von Bernard Naudin. Diefe drei Werke
find die einzigen Lichtblicke. Wenn man diefe
Äusftellung durchfchreitet, denkt man als Deut-
fcher unwillkürlich mit Dankbarkeit und Ver-
ehrung an die ftolze Reihe unferer vorzüglichen
Mufeumsbeamten. Daß auch fie einmal Fehler
begehen, kommt nicht in Betracht. Sie haben
Gewiffen, hiftorifdies Verantwortungsgefühl und
einen klaren und fcharfen Blick für unfere Zeit.
Unfere Mufeen bezeugen es. O. G.

CITTÄ DI CÄSTELLO Der Palazzo
Vitelli, den der Florentiner Kunfthändler Elia
Volpi vor einigen Jahren erwarb und der Stadt
fchenkte, damit die Pinakothek dort unterge-
bracht werde, ift jetjt reftauriert worden und
im Frühjahr foll die Eröffnung der neuen Pina-
kothek erfolgen. W. B.

FLORENZ Der rührige Leiter der PITTI-
GALERIE, Dr. Odoardo Hillyer Giglioli,
hat den Verfuch unternommen, den Saal der
Flora, deffen Mitte die akademifch-kalte Venus
von Canova einnimmt, in ein Kabinett aus-
gewählter Bilder des Florentiner Cinque-
cento und Seicento zu verwandeln. Gigliolis
eingehender Entwurf unterliegt augenblicklich
der Begutachtung durch das Minifterium. Einer
mehr durchgreifenden Neuordnung der Galerie

feljt eine Grenze vor allem der Raummangel,
dem nur durch eine Vermehrung der Säle ab-
geholfen werden kann.

Es wird gewiß vielen Fachgenoffen nicht be-
kannt fein, daß die weltberühmte Galerie bis
vor etwa fünfzig Jahren acht große Säle
mehr umfaßte, welche mit den fämtlichen
Gemälden bei Gelegenheit der Hochzeit des
Erzherzogs Ferdinand von der Galerie abge-
trennt wurden und feither dem Publikum ver-
fchloffen blieben. Damals wagte niemand, Ein-
fpruch gegen diefe Maßregel zu erheben, ob-
gleich die leßte Großherzogin aus dem Haufe
Medici, Anna Maria Luife, die fämtlichen Sta-
tuen, Gemälde, Medaillen und fonftigen Koft-
barkeiten dem Florentiner Volke gefchenkt hatte.
Im Jahre 1861 forderte und erhielt der damalige
Direktor der Galerie den größten Teil des Bilder-
materials zurück. Einige koftbare Stücke aber
verblieben in den fürftlichen Wohngemächern,
fo die Pallas Botticellis, die heilige Magda-
lena Puligos und die Auferftehung des Ru-
bens. Es find fchon feit Jahren Verhandlungen
mit der Verwaltung des Königlichen Haufes im
Gange, und man darf hoffen, daß in abfehbarer
Zeit nicht nur die unrechtmäßig fortgenommenen
Gemälde zurückgegeben, fondern auch die acht
Säle wieder der Galerie zur Verfügung geftellt
werden.

Bei diefer Gelegenheit fei noch der eingehenden
Studien gedacht, die Dr. Giglioli fchon vor Jahren
in den alten Inventaren der Kunftfchälje des Pitti
unternommen, und deren vielfach überrafchende
Ergebniffe er in den Heften März—Auguft, Sep-
tember-Dezember 1909 und September—De-
zember 1910 der trefflichen Florentiner „Rivifta
d’Arte“ den Fachgenoffen vorgelegt hat. W. B„

KRÄKÄU Das MUZEUM NARODOWE hat
vor kurzem feinen Jahresbericht pro 1910 ver-
öffentlicht, in welchem folgende größere Schen-
kungen aufgeführt find. Das Legat des Dr. Th.
Dunin, Warfchau, vervollftändigt die Gemälde-
galerie des Mufeums mit einer Reihe von Werken
der bedeutendften polnifchen Maler des 19. Jahr-
hunderts, wie Matejko, Al. Gierymski, Wys-
pianski, Malczewski, Falat, Wyczol-
kowski,Axentowicz,Ruszczik ufw.,andrer-
feits gab das Vermächtnis der verftorbenen Witwe
des Landfchaftsmalers Jan Stanislawski An-
laß, den Werken diefes Künftlers, welcher als
Profeffor der Krakauer Kunftakademie eine her-
vorragende Rolle im polnifchen Kunftleben ge-
fpielt hat, einen befondern, kleinen Saal zu
widmen. Als Depofit hat das Mufeum außer-
dem vom Grafen Madyslaw Branicki eine Gruppe
polnifcher Porträts, des 18. Jahrhunderts von

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