Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0322
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8. Heft
DOI article:Voigtländer, Emmy: Ein Madonnenbild des Quentin Massys
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EIN MADONNENBILD DES QUENTIN MASSYS
im Gefamteindruck verbinden, wobei das Kind noch durch eine etwas kühlere Nuance
von dem Körper der Mutter unterfchieden ift. Dazu kommt das Rofa des Mantelfutters
das aber in den Faltenhöhen faft von weißlichem Licht aufgefogen wird und der
mattweiße Schleier der Madonna, durch den das goldblonde, leicht rötliche Haar
fchimmert. Diefen Tönen fteht die matte blaugrüne Farbe des Mantels und Kleides
mit grauen Pelzftreifeu entgegen, der das Weiß des Tuches, auf dem das Kind fißt,
durch einen kalten grünen Schimmer angepaßt ift. Der Hintergrund ift durch dunkle
neutrale Farben als folcher charakterifiert, ein dunkles Grau, in den Säulenfchäften
heller fpiegelnd und ein rötlicher Ton des Goldbrokatteppichs und der Kapitelle und
Bafen. Die Baluftrade in hellem Braun, die Früchte blaugrün und gelblich.
Erhebt fich nun die Frage nach dem Künftler, zu dem man das Bild in Beziehung
bringen könnte, fo kann kein anderer Name in Betracht kommen als der des Quentin
Maffys, mit dem es in allerengfter Verbindung ftehen muß. Schon die dargelegten
allgemeinen Charakterzüge weifen auf diefen Künftler hin, der „Spätling einer glück-
lichen Kuhftübung und als Beginner erfcheinen“ kann. (M. I. Friedländer, Qu. Maffys,
Spemanns Mufeum V.) Auch das dargelegte formale Prinzip einer altertümlich wir-
kenden ftreng reliefmäßigen Anordnung bei voller Körperlichkeit der Geftalten ift das-
felbe, das in der Beweinung Chrifti in Antwerpen von 1511 den Eindruck beftimmt.
Außer diefen allgemeinen Zügen finden fich eine Menge Einzelheiten in dem aner-
kannten Werk des Maffys mit dem verliegenden Bild übereinftimmend.
Am meiften ähnelt der Kopf der Madonna dem der betenden Maria in Ant-
werpen (Nr. 242. Phot. Braun). Der Typus des Kopfes ift der gleiche, ein zartes Ge-
ficht mit langer fchmaler Nafe, deffen Oval nach dem Kinn zu fehr fchnell fchmal wird;
auch der leife Anfaß zum Doppelkinn fehlt auf beiden Bildern nicht. Nur hat der
Kopf unferer Madonna noch etwas knofpenhaft Verfchloffenes, Herberes im Vergleich
zu dem Antwerpener. Dasfelbe Verhältnis befteht auch zu den anderen Frauenköpfen
des Meifters, die aus feiner reiferen Zeit ftammen, bis zur Berliner Madonna hin,
die aber im Schnitt der Augen und den äußerft fchmalen Mundwinkeln wieder fehr
ähnlich ift. Der Kopf der Madonna im Louvre von 1529 (Phot. Hanfftaengl) ift be~
fonders zum Vergleich ferner heranzuziehen. Für den Kindeskörper bietet fich wieder
die Berliner Madonna. In beiden Bildern die gleiche Art, wie durch die Stellung und
Überfchneidung der Glieder fowie die tiefen Schatten das Plaftifche des Körpers her-
ausgearbeitet wird. Die Formen des Kindes felbft, befonders der Kopf mit den runden
blonden Löckchen fowie die Zeichnung der Hände mit den dicken fettgepolfterten
Handflächen und die Beine paffen befonders zu dem der Madonna in München
(Nr. 132, Phot. Hanfftaengl), die ja doch mindeftens auf den Künftler zurückgeht.
Es ift intereffant, daß in einem fo reifen Werk wie der hlg. Magdalena in Antwerpen
(Nr. 243, Phot. Hanfftaengl) noch ein ähnlich flachgezeichneter körperlofer Arm
vorkommt wie der unferer Madonna, und daß die eigentümlich matte Hand, auf der
das Kind fißt, mit den überlangen Fingern und dem fonderbar angefeßten Daumen
fich faft indentifch mit der der Louvre-Madonna findet. Außerdem find für alles Bei-
werk, wie die Haarbehandlung und die Anordnung des durchfichtigen Schleiers, für
die Säulen mit ihren koftbaren fchimmernden Schäften entfprechende Gegenftücke zu
finden, die derfelben deliciöfen und feinen Gefchmacksrichtung angehören. Berlin:
kommende Madonna, Nr. 561, Magdalena Nr. 574, Antwerpen: Magdalena Nr. 243,
betende Maria Nr. 242, diefe leßtere wieder befonders für den Schleier und die zu-
gleich weiche und aufgelöfte Behandlung der Haarwellen.
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im Gefamteindruck verbinden, wobei das Kind noch durch eine etwas kühlere Nuance
von dem Körper der Mutter unterfchieden ift. Dazu kommt das Rofa des Mantelfutters
das aber in den Faltenhöhen faft von weißlichem Licht aufgefogen wird und der
mattweiße Schleier der Madonna, durch den das goldblonde, leicht rötliche Haar
fchimmert. Diefen Tönen fteht die matte blaugrüne Farbe des Mantels und Kleides
mit grauen Pelzftreifeu entgegen, der das Weiß des Tuches, auf dem das Kind fißt,
durch einen kalten grünen Schimmer angepaßt ift. Der Hintergrund ift durch dunkle
neutrale Farben als folcher charakterifiert, ein dunkles Grau, in den Säulenfchäften
heller fpiegelnd und ein rötlicher Ton des Goldbrokatteppichs und der Kapitelle und
Bafen. Die Baluftrade in hellem Braun, die Früchte blaugrün und gelblich.
Erhebt fich nun die Frage nach dem Künftler, zu dem man das Bild in Beziehung
bringen könnte, fo kann kein anderer Name in Betracht kommen als der des Quentin
Maffys, mit dem es in allerengfter Verbindung ftehen muß. Schon die dargelegten
allgemeinen Charakterzüge weifen auf diefen Künftler hin, der „Spätling einer glück-
lichen Kuhftübung und als Beginner erfcheinen“ kann. (M. I. Friedländer, Qu. Maffys,
Spemanns Mufeum V.) Auch das dargelegte formale Prinzip einer altertümlich wir-
kenden ftreng reliefmäßigen Anordnung bei voller Körperlichkeit der Geftalten ift das-
felbe, das in der Beweinung Chrifti in Antwerpen von 1511 den Eindruck beftimmt.
Außer diefen allgemeinen Zügen finden fich eine Menge Einzelheiten in dem aner-
kannten Werk des Maffys mit dem verliegenden Bild übereinftimmend.
Am meiften ähnelt der Kopf der Madonna dem der betenden Maria in Ant-
werpen (Nr. 242. Phot. Braun). Der Typus des Kopfes ift der gleiche, ein zartes Ge-
ficht mit langer fchmaler Nafe, deffen Oval nach dem Kinn zu fehr fchnell fchmal wird;
auch der leife Anfaß zum Doppelkinn fehlt auf beiden Bildern nicht. Nur hat der
Kopf unferer Madonna noch etwas knofpenhaft Verfchloffenes, Herberes im Vergleich
zu dem Antwerpener. Dasfelbe Verhältnis befteht auch zu den anderen Frauenköpfen
des Meifters, die aus feiner reiferen Zeit ftammen, bis zur Berliner Madonna hin,
die aber im Schnitt der Augen und den äußerft fchmalen Mundwinkeln wieder fehr
ähnlich ift. Der Kopf der Madonna im Louvre von 1529 (Phot. Hanfftaengl) ift be~
fonders zum Vergleich ferner heranzuziehen. Für den Kindeskörper bietet fich wieder
die Berliner Madonna. In beiden Bildern die gleiche Art, wie durch die Stellung und
Überfchneidung der Glieder fowie die tiefen Schatten das Plaftifche des Körpers her-
ausgearbeitet wird. Die Formen des Kindes felbft, befonders der Kopf mit den runden
blonden Löckchen fowie die Zeichnung der Hände mit den dicken fettgepolfterten
Handflächen und die Beine paffen befonders zu dem der Madonna in München
(Nr. 132, Phot. Hanfftaengl), die ja doch mindeftens auf den Künftler zurückgeht.
Es ift intereffant, daß in einem fo reifen Werk wie der hlg. Magdalena in Antwerpen
(Nr. 243, Phot. Hanfftaengl) noch ein ähnlich flachgezeichneter körperlofer Arm
vorkommt wie der unferer Madonna, und daß die eigentümlich matte Hand, auf der
das Kind fißt, mit den überlangen Fingern und dem fonderbar angefeßten Daumen
fich faft indentifch mit der der Louvre-Madonna findet. Außerdem find für alles Bei-
werk, wie die Haarbehandlung und die Anordnung des durchfichtigen Schleiers, für
die Säulen mit ihren koftbaren fchimmernden Schäften entfprechende Gegenftücke zu
finden, die derfelben deliciöfen und feinen Gefchmacksrichtung angehören. Berlin:
kommende Madonna, Nr. 561, Magdalena Nr. 574, Antwerpen: Magdalena Nr. 243,
betende Maria Nr. 242, diefe leßtere wieder befonders für den Schleier und die zu-
gleich weiche und aufgelöfte Behandlung der Haarwellen.
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