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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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9. Heft
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Gottschewski, Adolf: Die ältesten deutschen Fayence
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0371

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DIE ÄLTESTEN DEUTSCHEN FAYENCEN

Äbb. 4. Hamburgifche Fayencefchüffel für Kaltfchale. Höhe 13 cm

nach chinefifchem Gefchmack; aber diefer Gefchmack ift zu einer ganz armfeligen Ver-
dünnung gelangt, und eigene Regungen der Haarlemer Meifter fucht man vergebens.
Und man darf glauben, daß dem Zeichner nicht die fchlechteften Stücke als Vorlage
gegeben worden find. Auch aus Haarlem konnte den Hamburgern alfo nicht die An-
regung kommen. Sie brauchten auch keine Vermittelung; denn Hamburg ftrömten die
chinefifchen Porzellane ebenfo zu, wie den holländifchen Hafenftädten.

An kräftiger Fülle der Malerei und an felbftändiger Verarbeitung der Vorbilder
waren die Hamburger damals allein in Europa. Diefe Selbftändigkeit zu betonen,
darf nicht unterlaffen werden. Sie beruht in der innigen Verfchmelzung der chinefi-
fchen Ornamentfprache mit derjenigen Europas. Die oben befchriebene Schüffel von
1637 ift dafür ein klares Zeugnis. Form und Randdekoration entfprechen durch-
aus den Porzellanfchüffeln aus der Ming-Zeit. Aber der Spiegel nimmt in einem
europäifchen Blattkranze ein Wappen auf, das von einer Helmdecke aus Akanthuslaub
umwallt wird. Und folche Mifchung der beiden Dekorationselemente ift das Cha-
rakteriftikum aller Erzeugniffe der hamburgifchen Fayencemaler. Stauden, Blumen
und Vögel, Pagoden, Rollen, Schleifen, Embleme mit flatternden Bändern find der
chinefifchen Formenfprache entnommen und fo zwanglos zufammengeftimmt mit Bild-
darfteilungen, Wappen, Umrahmungen und lappigen Akanthusranken europäifchen Ge-
präges, daß man den fieberen Inftinkt, der die Hand diefer hamburgifchen Dekorateure
führte, bewundern und zugleich ihnen den Ruhm laffen muß, daß die Wege, auf
denen fie oftafiatifche und europäifche Formelemente zufammenzuleiten wußten, zu ihrer
Zeit allein von ihnen befchritten wurden.

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