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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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9. Heft
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Denkmalpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0384

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DENKMALPFLEGE

Sächfifchen Ältertumsverein gemacht worden
sind. U. a. erhielt es die für die Kunftwiffen-
fchaft außerordentlich wertvollen Akten und Be-
richte, die in den 40er Jahren des vorigen Jahr-
hunderts auf das „Sendfehreiben des Königl.
Sächfifchen Ältertumsvereins“ zur Anlegung eines
umfaffenden Verzeichniffes der Kunftdenkmäler
des Landes eingegangen waren. Eine fehr
dankenswerte Förderung erhielt das Archiv auch
durch eine Anweifung des Königl. Sächfifchen
Finanzminifteriums an die fächfifchen Landbau-
ämter, „etwaige in den Archivbeftänden befind-
liche alte wertvolle Gebäudepläne dem Denkmal-
archiv zu überweifen“. Ein Auffaß in der Zeit-
fchrift „Die Denkmalpflege“ begrüßt diefe Ver-
ordnung, indem fie u. a. fchreibt: „Die Forfcher-
kreife werden diefe weitfichtige Maßnahme mit
Dank begrüßen; wird doch durch diefe Samm-
lung aller diefer Urkunden an einem Orte das
Forfchen nicht nur erleichtert, fondern in vielen
Fällen erft ermöglicht.“

Sehr verdienftvoll war wieder das Wirken
der Kommiffion in bezug auf die Wiederinftand-
feßung befchädigter Kunftdenkmäler. Sie geht
dabei immer von dem Grundfaße aus, erftens
ein Kunftdenkmal möglichft fo zu erhalten, wie
es uns von unferen Vorfahren überliefert worden
ift, und zweitens, es wenn irgend angängig an
dem Orte zu beiaffen, wo es fich bisher be-
funden hat und für den es gefchaffen worden
ift. Nach diefem Grundfaße verfuhr die Kom-
miffion z. B. mit einem alten wertvollen Flügel-
altar der Kirche zu Dittmannsdorf bei
Flöha i. S., der durch Wurmfraß befchädigt war
und weiter bedroht wurde. Der Altar ift ein
Meifterwerk mittelalterlicher Malerei. Er ftammt
aus dem Jahre 1497 und fcheint die Verlobung
der hl. Katharina mit dem Jefukinde darzuftellen.
Der Meifter des Werkes ift mit keinem zweiten
Werke in Sachfen vertreten. Es dürfte wohl
eine Arbeit der oberrheinifch-fränkifchen Schule
fein. Um das hervorragend fchöne Werk mehr
als bisher dem Studium zugängig zu machen,
wurde in der Kommiffion der Antrag gestellt,
es einem Mufeum, z. B. dem des Königl. Säch-
fifchen Altertumsvereins, zur Aufbewahrung zu
überweifen. Die Kommiffion lehnte jedoch den
Antrag ab und fandte das Werk nach feiner
Inftandfeßung nach Dittmannsdorf zurück.

Nach einem Urteile Flechfigs in feinem bei
E. Ä. Seemann in Leipzig erfchienenen Werke
„Lucas Cranach d. Ä. und feine Werkftatt“ ift
das Ältarwerk der früheren Nikolaikirche
in Grimma i. S. ein Werk Lucas Cranachs.
Der Grimmaer Kirchenvorftand zeigte im Jahre
1910 dem evangelifch-lutherifchen Landeskonfi-
ftorium an, daß er diefes Altarwerk bei der

Erneuerung der Gottesackerkirche wieder auf-
zuftellen beabfichtige und um Inftandfeßung der
Arbeit bitte. Die Kommiffion wurde zur gut-
achtlichen Äusfprache aufgefordert. Sie erklärte,
das Werk fei zwar keine eigene Arbeit
Cranachs, fondern nur eine Werkftattarbeit,
zähle aber deffenungeachtet zu den wertvollen
Kunftdenkmälern Sachfens und müffe unter allen
Umftänden erhalten werden. Nachdem der Altar
zum Zwecke der Inftandfeßungsarbeiten nach
Dresden gefandt und in der Malerwerkftatt auf-
geftellt worden war, ftellte der Direktor der
Königl. Gemäldegalerie das Erfuchen, den Altar
oder wenigftens zwei der bemalten Flügel durch
Kauf oder Taufch mit Bildern aus den Beftänden
der Gemäldegalerie an diefe abzugeben, da es
in der Galerie, abgefehen von einigen großen
Porträts, an allen monumentalen Werken Cra-
nachs fehle. Der Grimmaer Kirchenvorftand hat
jedoch das Erfuchen abgelehnt und weder in
kauf-, noch taufch- oder leihweife Überlaffung
des jeßt wieder hergeftellten Altars oder einzelner
Teile von ihm gewilligt.

Eine künftlerifch intereffante Arbeit vermittelte
die Kommiffion am alten gotifchen Altar in
der Kirche zu Höckendorf bei Dippoldis-
walde i. S. Den Mittelfchrein, die Predella und
die Altarflügel diefes Kunftdenkmals hat die
Kommiffion im Jahre 1908 inftand feßen laffen;
die Refte des Altarauf faßes aber waren fchlechter-
dings nicht wieder herzuftellen, und fo befchloß
die Kommiffion die Anfertigung eines Auffaßes
in neuzeitlichen Formen, die mit den alten For-
men des Altars harmonifch übereinftimmen füllten.
Dies ift nun gefchehen, und zwar auf dem Wege
durch ein Preisausfchreiben (2000 M.), aus dem
der Dresdner Holzbildhauer Burghardt als Preis-
träger hervorgegangen ift. Der Künftler hat im
vorigen Jahre den Auffaß für den Höckendorfer
Altar angefertigt und ift jeßt damit befchäftigt,
einen ebenfolchen neuen Auffaß für den Altar
der Nikolaikirche zu Dippoldiswalde her-
zuftellen, bei dem die Verhältniffe ganz ähnlich
wie in Höckendorf liegen.

Den Dom zu Meißen angehend, nämlich die
fieben Sandfteinfiguren im Chor und in
der Johanniskapelle diefes herrlichen Kunftdenk-
mals, wird auszugsweife ein Schreiben des Vor-
tragenden Rates in der Generaldirektion der
Königl. Sächfifchen Sammlungen, Geh. Rates
Dr. v. Seidliß an Se. Exzellenz den Minifter
des Kultus und öffentlichen Unterrichts Staats-
minifter DDr. Beck mitgeteilt, das fich gegen die
Abficht des Domkapitels wendet, diefe Sand-
fteinfiguren neu bemalen zu laffen. Das Schreiben
des Geh. Rates v. Seidliß wurde der Kommiffion
zur gutachtlichen Äusfprache überfandt, die er-

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