Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912
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10. Heft
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AUSSTELLUNGEN
hieß, die ca. 80 Bilder [eien fo an die 2 Millionen
Dollar wert. Wahrfcheinlich wollte man Kauflufti-
gen denÄppetit dadurch reizen,daß man ihnen die
Werke vorführte. In der Zahl diefer Gemälde
waren eingefchloffen: Sodomas „Hironymus in
der Wüfte“ aus der K. J. Moorefammlung,
Giampietrinos „Porträt einer Dame als Maria
Magdalena“, das dem Sir G. Donaldfon gehört;
Raeburns „Mrs. Irvine Boswell“ und Bilder von
Reynolds, Gainsborough und andern englifchen
Meiftern. Äuch Van Dyck, Goya, Fragonard u. a.
waren vertreten. F.
WIEN Die FRÜHJAHRSAUSSTELLUNG DER
„SEZESSION“ vertritt das Prinzip des „juste
milieu“. Überragende Einzelerfcheinungen fehlen
gänzlich; neben zahlreichen tüchtigen Arbeiten
ßndet man allzu viel Gleichgültiges. Hier und
da droht bereits Gefahr, daß die einmal ein-
gefchlagene goldene Mittelftraße in die Niede-
rungen des Flachlandes verlaufe.
In der Zufammenftellung und Auswahl des
Gebotenen vermißt man leitende Richtlinien.
So fcheint mir die auch diesmal den polnifchen
Künftlern in reichftem Maße gewährte Gaftfreund-
fchaft nachgerade ein wenig zu weit getrieben.
Handelt es fich doch zumeift keineswegs um
folche Künftler, die erft in Wien eingeführt
werden müßten; andererfeits zeigen die aus-
geftellten Werke keine wefentliche Weiter-
entwicklung ihrer genugfam bekannten Eigen-
art. Breitfpurig dominieren in mehreren Sälen
die Bilder Jarockis, deren ruftikale Derbheit
kaum nachhaltiges Intereffe zu wecken vermag,
wenn einmal der Reiz ihres exotifchen Milieus
verblaßt ift. Weit vornehmer erfcheint neben
ihm der im Kolorit gemäßigtere Kamocki; eine
anfprechende koloriftifche Begabung zeigen auch
die Biumenftücke Filipk'iewicz’, den man bis-
her namentlich als Landfehafter kennen gelernt
hat. Die mondän-fchmachtenden Frauenbildniffe
Karpinskis hätte man leicht vermiffen können.
Eine andere Gruppe flavifcher Künftler, die in
Laibach ihren Wohnfiß hat, müht fich um die
gefährlichen Probleme der neoimpreffioniftifchen
Technik; Grohar (f) und Jacopic zerrinnen
die Formen zu feltfam unkörperlichen, weich-
lich verquollenen Gebilden. Der Einfluß Rhyffel-
berghes erweift fich in einer htibfehen Wald-
landfchaft des Trieftiners Maruffig. — Man
darf fich deffen freuen, daß die beften Werke
diefer Ausftellung von den einheimifchen Mit-
gliedern der Vereinigung ftammen, denen fich
einige Jungwiener gefellen. Aus ihrer Reihe find
diesmal namentlich Harlfinger und Stoißner
hervorzuheben, deren innere Entwicklung in
ruhigem und ftetigem Wachstum fortfehreitet.
Harlfingers fchlichte, vornehme Art, fein flächiger
Farbenauftrag kommen in großzügigen Land-
fchaften gleichwie in anfpruchslofen Interieurs
zu würdiger Geltung. Die frühlingshafte Anmut
der in den Farben überaus zart abgeftimmten
Biumenftücke und Landfchaften Stoi^ners, der
eine rührende Liebe und Andacht zum Kleinen
hegt, erfrifcht und entzückt ftets aufs neue. Frifch-
lebendiges Naturgefühl zeichnet die Landfchafts-
ftudien des ganz andersgearteten Ifepp aus, der
bereits einer jüngeren Generation angehört. Die
beiden Landfchaften F. A. Hartas erregten leb-
hafteres Intereffe, wären fie nicht allzufehr vonKo-
kofehka beeinßußt, der unter den Jungwiener Ma-
lern heute zweifellos die ftärkfte und eigenartigfte
Begabung ift. Erwin Lang, deffen unheimliche
Frühreife gelegentlich der vorjährigen „Sonder-
ausftellung“ erftaunen machte, bleibt diesmal
allzufehr im Äußerlich-Dekorativen ftecken; die
Wahl eines fo präziöfen Motivs wie einer „Heim-
fuchung“ in modernem Gewände läßt diefen
Mangel um fo deutlicher hervortreten. Die
Bilder Hänifch’, Roux’, Efterles und Leg-
lers ergeben auch in diefem Jahre einen fehr
achtungswerten Durchfchnitt. — Diefe Ausftellung
widerftrebte ihrer ganzen Organifation nach von
vornherein jedweder zufammenfaffender Be-
trachtung. Ihre Stärke liegt auf dem Gebiete
der Landfchaft. Der Überficht halber folge hier
noch — notwendig vollends in bunter Reihe —
eine kurze Aufzählung der Porträts, foweit diefe
eine befondere Erwähnung verdienen. Die zeich-
nerifch-harten Bildniffe Hammers entbehren des
inneren Lebens; ein Verfuch in breiterer Mal-
weife erfcheint wenig geglückt. Bach ers Damen-
bildnis erkünftelt durch aparte Farbenzufammen-
ftellung (fchwarz auf Goldgrund) flüchtigen
Augenreiz. Die frühen Anfänge Klimts fcheinen
in dem füßlichen Werke nachgewirkt zu haben,
wenn auch der große qualitative Abftand diefe
Affoziation zuerft verhindert. Spiro bringt ein
Porträt des Schaufpielers Treumann, in feiner
löcheren, flockigen Malweife ein neues Zeugnis
der ausgezeichneten Münchener-Parifer Schulung
diefes trefflichen Künftlers (vgl. den Cicerone-
Bericht über deffen Kollektivausftellung bei
Miethke, Heft 3, S. 117/18). Auch Zerlachers
„Feierftunde“ verrät Münchener Schule. Endlich
fei noch ein koloriftifch fehr anfprechendesDamen-
porträt von A. Stringa hervorgehoben. — Die
graphifche Abteilung bringt wenig neues. Die
Plaftik ift wie im Hagenbund fo auch hier fehr
fpärlich vertreten. Eine „Turandot“ A. Hof-
manns gerät für meinen Gefchmack allzufehr
ins Kunftgewerbliche; eine fchöne Aktftudie
W. Lehmbrucks (Paris) ift der Art des jungen
Schweizers Haller nächft verwandt.
400
hieß, die ca. 80 Bilder [eien fo an die 2 Millionen
Dollar wert. Wahrfcheinlich wollte man Kauflufti-
gen denÄppetit dadurch reizen,daß man ihnen die
Werke vorführte. In der Zahl diefer Gemälde
waren eingefchloffen: Sodomas „Hironymus in
der Wüfte“ aus der K. J. Moorefammlung,
Giampietrinos „Porträt einer Dame als Maria
Magdalena“, das dem Sir G. Donaldfon gehört;
Raeburns „Mrs. Irvine Boswell“ und Bilder von
Reynolds, Gainsborough und andern englifchen
Meiftern. Äuch Van Dyck, Goya, Fragonard u. a.
waren vertreten. F.
WIEN Die FRÜHJAHRSAUSSTELLUNG DER
„SEZESSION“ vertritt das Prinzip des „juste
milieu“. Überragende Einzelerfcheinungen fehlen
gänzlich; neben zahlreichen tüchtigen Arbeiten
ßndet man allzu viel Gleichgültiges. Hier und
da droht bereits Gefahr, daß die einmal ein-
gefchlagene goldene Mittelftraße in die Niede-
rungen des Flachlandes verlaufe.
In der Zufammenftellung und Auswahl des
Gebotenen vermißt man leitende Richtlinien.
So fcheint mir die auch diesmal den polnifchen
Künftlern in reichftem Maße gewährte Gaftfreund-
fchaft nachgerade ein wenig zu weit getrieben.
Handelt es fich doch zumeift keineswegs um
folche Künftler, die erft in Wien eingeführt
werden müßten; andererfeits zeigen die aus-
geftellten Werke keine wefentliche Weiter-
entwicklung ihrer genugfam bekannten Eigen-
art. Breitfpurig dominieren in mehreren Sälen
die Bilder Jarockis, deren ruftikale Derbheit
kaum nachhaltiges Intereffe zu wecken vermag,
wenn einmal der Reiz ihres exotifchen Milieus
verblaßt ift. Weit vornehmer erfcheint neben
ihm der im Kolorit gemäßigtere Kamocki; eine
anfprechende koloriftifche Begabung zeigen auch
die Biumenftücke Filipk'iewicz’, den man bis-
her namentlich als Landfehafter kennen gelernt
hat. Die mondän-fchmachtenden Frauenbildniffe
Karpinskis hätte man leicht vermiffen können.
Eine andere Gruppe flavifcher Künftler, die in
Laibach ihren Wohnfiß hat, müht fich um die
gefährlichen Probleme der neoimpreffioniftifchen
Technik; Grohar (f) und Jacopic zerrinnen
die Formen zu feltfam unkörperlichen, weich-
lich verquollenen Gebilden. Der Einfluß Rhyffel-
berghes erweift fich in einer htibfehen Wald-
landfchaft des Trieftiners Maruffig. — Man
darf fich deffen freuen, daß die beften Werke
diefer Ausftellung von den einheimifchen Mit-
gliedern der Vereinigung ftammen, denen fich
einige Jungwiener gefellen. Aus ihrer Reihe find
diesmal namentlich Harlfinger und Stoißner
hervorzuheben, deren innere Entwicklung in
ruhigem und ftetigem Wachstum fortfehreitet.
Harlfingers fchlichte, vornehme Art, fein flächiger
Farbenauftrag kommen in großzügigen Land-
fchaften gleichwie in anfpruchslofen Interieurs
zu würdiger Geltung. Die frühlingshafte Anmut
der in den Farben überaus zart abgeftimmten
Biumenftücke und Landfchaften Stoi^ners, der
eine rührende Liebe und Andacht zum Kleinen
hegt, erfrifcht und entzückt ftets aufs neue. Frifch-
lebendiges Naturgefühl zeichnet die Landfchafts-
ftudien des ganz andersgearteten Ifepp aus, der
bereits einer jüngeren Generation angehört. Die
beiden Landfchaften F. A. Hartas erregten leb-
hafteres Intereffe, wären fie nicht allzufehr vonKo-
kofehka beeinßußt, der unter den Jungwiener Ma-
lern heute zweifellos die ftärkfte und eigenartigfte
Begabung ift. Erwin Lang, deffen unheimliche
Frühreife gelegentlich der vorjährigen „Sonder-
ausftellung“ erftaunen machte, bleibt diesmal
allzufehr im Äußerlich-Dekorativen ftecken; die
Wahl eines fo präziöfen Motivs wie einer „Heim-
fuchung“ in modernem Gewände läßt diefen
Mangel um fo deutlicher hervortreten. Die
Bilder Hänifch’, Roux’, Efterles und Leg-
lers ergeben auch in diefem Jahre einen fehr
achtungswerten Durchfchnitt. — Diefe Ausftellung
widerftrebte ihrer ganzen Organifation nach von
vornherein jedweder zufammenfaffender Be-
trachtung. Ihre Stärke liegt auf dem Gebiete
der Landfchaft. Der Überficht halber folge hier
noch — notwendig vollends in bunter Reihe —
eine kurze Aufzählung der Porträts, foweit diefe
eine befondere Erwähnung verdienen. Die zeich-
nerifch-harten Bildniffe Hammers entbehren des
inneren Lebens; ein Verfuch in breiterer Mal-
weife erfcheint wenig geglückt. Bach ers Damen-
bildnis erkünftelt durch aparte Farbenzufammen-
ftellung (fchwarz auf Goldgrund) flüchtigen
Augenreiz. Die frühen Anfänge Klimts fcheinen
in dem füßlichen Werke nachgewirkt zu haben,
wenn auch der große qualitative Abftand diefe
Affoziation zuerft verhindert. Spiro bringt ein
Porträt des Schaufpielers Treumann, in feiner
löcheren, flockigen Malweife ein neues Zeugnis
der ausgezeichneten Münchener-Parifer Schulung
diefes trefflichen Künftlers (vgl. den Cicerone-
Bericht über deffen Kollektivausftellung bei
Miethke, Heft 3, S. 117/18). Auch Zerlachers
„Feierftunde“ verrät Münchener Schule. Endlich
fei noch ein koloriftifch fehr anfprechendesDamen-
porträt von A. Stringa hervorgehoben. — Die
graphifche Abteilung bringt wenig neues. Die
Plaftik ift wie im Hagenbund fo auch hier fehr
fpärlich vertreten. Eine „Turandot“ A. Hof-
manns gerät für meinen Gefchmack allzufehr
ins Kunftgewerbliche; eine fchöne Aktftudie
W. Lehmbrucks (Paris) ift der Art des jungen
Schweizers Haller nächft verwandt.
400