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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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12. Heft
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Voss, Hermann: Antonio Amorosi, der "falsche Spanier"
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0492

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ANTONIO AMOROSI, DER „FALSCHE SPANIER“

[panifch gehalten zu werden,
und war keinem geringeren als
Velazquez zugefchrieben. Eine
oberflächliche, hauptfächlich im
Gegenftändlichen begründete
Ähnlichkeit abgerechnet, hat
weder dies Gemälde noch die
verwandten Bilder mit dem Stil
des großen Meifters etwas zu
fchaffen; die Oberflächlichkeit
der Attributionen erhellt fchon
aus demUmftand, daß ganz be-
liebig manchmal der Name des
Velazquez, oft auch der des
Murillo herangezogen wird. Alle
diefe Zuweifungen find, was
betont werden muß, jüngeren
Datums; die falfcheVorftellung,
als ob derartige Szenen des
Volkslebens nur der fpanifchen
Kunft eigentümlich wären, fcheint
erft in neuerer Zeit entftanden
zu fein. Den älteren Bilder-
kennern waren jedenfallsNamen
wie der des noch von Goethe
gepriefenen Domenico Feti, des
malerifch tüchtigen Genuefen
Bernardo Strozzi und auch un-
feres um die Wende des 17. zum
18. Jahrhundert tätigen Antonio
Amorofi noch fehr wohl bekannt.

Einen typifchen Beweis hierfür erbringen zwei beim Duke of Devonshire auf-
bewahrte Genrebilder: Knabe mit Vogelneft und Mädchen mit Küken. Beide wurden
von Walker 1769 unter der richtigen Zuweifung an Amorofi wiedergegeben; noch
heute befinden fie fich an Ort und Stelle, find aber unterdes auf den freilich beffer
klingenden Namen Murillo getauft worden. Der Vergleich mit den fieberen Bildern
Amorofis läßt keinen Zweifel, daß die alte Benennung die richtige war: wir finden
diefelbe breite, fettige Malweife, die gleiche nachläffige Behandlung des Gewandes,
die gleichen flach, faft gequetfeht gebildeten Finger wie auf dem Schleißheimer Bild,
mit dem auch das Sujet, die natürliche, nicht im geringften affektierte Darftellung des
Kindes aus dem Volke übereinftimmt.

Den bisher als Amorofi beftimmten Bildern fchließt fich eng eine figurenreiche
Szene an, die Herr Leon Hirfch in New York unter dem Namen des Velazquez be-
fit^t. Man braucht nur den Kopf des weinenden Mädchens mit dem des Schleißheimer
Bildes, die auf das Buch gelegte Hand des Knaben mit der durchaus verwandten des
nämlichen Gemäldes zu vergleichen, um die außerordentliche Ähnlichkeit der Formen-
fprache zu erkennen. Nach der freundlichen Mitteilung des Befi^ers find die Farben

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