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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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15. Heft
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Entdeckungen. Funden
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Gesellschaften und Vereine
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0647

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ENTDECKUNGEN UND FUNDE o GESELLSCHÄFTEN UND VEREINE

mit dem Quadratnets bedeckt, als das leiste Sta-
dium der Kompofition vor der Äusführung an-
gefehen werden mußte, und die Modellftudie
Gottvaters darftellt, wie er eine Krone über-
reicht. Diefe Figur des von Cherubim umgebenen
Gottvaters, der eine Krone vor [ich hält, mit
der er den zur Erhebung in den Himmel er-
wählten Heiligen zu krönen [ich anfchickt, hat
jetjt Fifchel mit Sicherheit in einem Fragment
des Neapeler Mufeums nachgewiefen. Eine Kette
von Indizien und Beweifen gliedert das inter-
effante Stück dem urfprünglichen Zufammen-
hange ein:

Im Jahre 1789 ftürzte infolge eines Erdbebens
die Kirche S. Ägoftino in Cittä di Caftello ein
und begrub unter ihren Trümmern das koftbare
Bild. Um den Mönchen beim Wiederaufbau zu
helfen, willigten die Beßrer in den Verkauf des
Bildes, unter der Bedingung, daß eine Kopie für
den wiederhergeftellten Ältar gemalt werde. Ein
Käufer fand fich fchließlich in der Perfon Papft
Pius VI., der den oberen, fchwer befchädigten
Teil in einzelne Stücke zerfchneiden und die
Figuren Gottvaters, der Maria und des heiligen
Äuguftin als Einzelbilder reftaurieren und her-
richten ließ. Im Februar 1798 zog die franzö-
fifche Revolutionsarmee in Rom ein. Es folgte
die Plünderung der päpftlichen Privatgemächer
und der Bibliothek, wobei natürlich die koft-
baren Stücke der Gier der fremden Eindring-
linge zum Opfer fielen. Einer der Revolutions-
foldaten brachte das Fragment mit der Figur
Gottvaters in die Kirche S. Luigi dei Francefi,
vielleicht, wie Fifchel annimmt, in einer Wallung
foldatifchen Ehrgefühls; von dort wurde es bald
darauf in die bourbonifche Galerie des Palazzo
Francavilla übertragen, wo es in einem Inventar
von 1802 erwähnt wird, mit der Bemerkung:
„Diefes Bild wurde von den Franzofen aus dem
Zimmer Papft Pius VI. entfernt.“

Den unteren Teil des Rltarbildes erfetjt wenig-
ftens bis zu einem gewiffen Grade die im Jahre
1791 vor dem Verkauf des Bildes angefertigte
Kopie, die fich heute in dem durch Elia Volpi
als Si| der Pinakothek fürftlich wiederherge-
ftellten Palazzo Vitelli in Cittä di Caftello be-
findet. Diefe Kopie ftellt den heiligen Nikolaus
im fchwarzen Ordensgewande der Äuguftiner
mit einem gefeffelten Dämon zu feinen Füßen
dar, umgeben von drei Engeln mit Spruch-
bändern. Leider gibt die Kopie nicht den oberen
Teil des Bildes wieder, von dem uns jedoch das
von Fifchel entdeckte Fragment des Gottvater
und einige Zeichnungen Raffaels in Oxford und
Lille eine Vorftellung vermitteln.

Das Studium der Kopie und der Zeichnungen
führte Fifchel noch zu einer zweiten, nicht minder

wichtigen Entdeckung. In der Galerie Tofio zu
Brescia fand er ein unzweifelhaft aus größerem
Zufammenhange ftammendes, ftark reftauriertes
Bruftbild eines Engels, deffen Kopf nebft Zu-
fälligkeiten der Kleidung und der Faltenzüge
genau mit der Kopie übereinftimmt; doch ließ
fich über die Herkunft des Bildchens noch nichts
ficheres ermitteln. Während der Kopf des Engels
ftark an Timoteo Viti erinnert und bisher auch
diefem Meifter zugefchrieben war, kommt in
dem Gottvater des Neapeler Mufeums vor allem
der Stil Peruginos zur Erfcheinung. Hier ßnden
wir die gleiche Malweife und die gleiche Mo-
dellierung mittels glafiger Lafuren, wie in Pe-
ruginos Himmelfahrt Marias für Vallombrofa,
und Raffaels Krönung Mariä zeigt in den Köpfen
der Äpoftel und der Cherubim ähnliche Züge,
eine Schulverwandtfchaft, auf die fchon Vafari
mit Recht aufmerkfam gemacht hat.

Durch die hochbedeutfame Entdeckung Fifchels
ift eine neue, fiebere Grundlage für die Erkenntnis
der Jugendentwicklung Raffaels gefchaffen.

W. B.

MÄILÄND In der hiefigen Kirche San
Pietro in Geffate wurden in der Cappella
Griffi Wandmalereien aufgedeckt, die wahrfchein-
lich von den Malern Bernardini ausTreviglio
herrühren. Noch wertvoller find Refte von Fres-
ken des Cinquecento, die Epifoden aus dem
Leben des Täufers darftellen und foeben von
dem Reftaurator Silveftri in der Kapelle des
heiligen Michael entdeckt wurden, und die wahr-
fcheinlich von Giovanni Donato da Montor-
fano gefchaffen find.

GESELLSCHAFTEN UND
VEREINE

DRESDEN Dem foeben ausgegebenen Be-
richt auf das Jahr 1911 des Vereins für kirch-
liche Kunft im Königreich Sachfen ift zu
entnehmen, daß dem Verein im Berichtsjahre
insgefamt 175Äufgaben vorgelegt wurden; davon
entfielen 44 Aufträge auf das Evangelifch-
lutherifche Landeskonfiftorium, in 9 Fällen wen-
deten fich Kircheninfpektionen an den Verein, in
61 Fällen Kirchenvorftände des Landes und in
ebenfalls 61 Fällen andere Ratfuchende. Die
meiften diefer Rufgaben konnten im Berichtsjahre
erledigt werden. Mitgearbeitet haben an diefen
Aufgaben, die entweder die Zuweifung von Ent-
würfen zum Neubau von Kirchen, Kapellen, Pfarr-
häusern ufw. oder Umbaupläne von folchen
oder endlich Vorfchläge und Beirat für Pläne
diefer und ähnlicher Art (Gottesackeranlagen,

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