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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912

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18. Heft
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Takács, Zoltán von: Eine Jubiläumsausstellung der Künstlerkolonie in Nagybanya
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https://doi.org/10.11588/diglit.25673#0752

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EINE JUBILÄUMSAUSSTELLUNG DER KÜNSTLERKOLONIE IN NAGYBANYA

Nagybänya war auch der Boden, wo in Ungarn
die neueften fynthetifch-expreffioniftifchen Be-
[trebungen zum erften Male gedeihen konnten.
Als erfter Importeur hat [ich der ftark begabte
Bela Czöbel verdient gemacht, der auch in [einen
erften von Ferenczy und dem jungen Maticfka
beeinflußten Werken ungemein viel Wärme und
Tiefe an den Tag legte. Große Empfindlichkeit
brachten der neuen Lehre Wilhelm Perlrott-
Cfaba, Geza Bornemifza, Alexander Ziffer und
Andreas Mikola entgegen. Bornemifza bekannte
[ich zu Matiffe und verwertete die Lehre des
Meifters, dank feines kräftigen Stilgefühls, als
eine gute Unterlage. Perlrott-Cfaba und Ziffer
haben [ich hauptfächlich Gauguin zum Vermittler
gewählt. Ziffer hat [ich fpäter ziemlich gemäßigt,
während Perlrott feinem Temperament freien
Lauf gelaffen hat. Er ift in diefer Äusftellung
befonders gut vertreten. Mikola, der Cezannes
Lehre mit feltenem Verftändnis verwertete, kehrte
leider zu anfpruchsloferen Nachempfindungen der
Naturerfcheinungen zurück.

Aufrichtige Hingebung und echt künftlerifches
Gefühl ift noch unter den Jüngeren bei Andreas
Bafch, Samuel Börtfök, Zoltän Cfäktornyai, De-
fider Czigäny, Eugen Ferkai, Alexander Ga-
limberti, Br. Franz v. Hatvany, Zoltän Jakab,
Johann Krizfän, Stefan Kollerich, Gabriel Papp,
Defider Rözfaffy, Karl Rethy, Lili Somlö, Franz
Szablya-Frifchauf, Erneftine Lohrwag, Ludwig
Tihanyi und Käthe Beckhaus zu verzeichnen.
Ändere Äusfteller, wie z. B. Stefan Cfök, können
diefes Mal unerwähnt gelaffen werden, weil fie
von Nagybänya keinen ausfchlaggebenden Ein-
fluß erhielten.

Mit um fo größerem Nachdruck follen aber
die Landfchaften des zu früh verftorbenen Eugen
Maticfka hervorgehoben werden. Sie zeugen
von der innerlichften Erfaffung der oben ge-
fchilderten eigenartigen Schönheiten von Nagy-

bänya, auf Grund der ihm von Hollöfy und
Grünwald beigebrachten Kunftlehre. „Eugen
Maticfka (1886 —1906)“, wie es Reti in feinem
ausgezeichneten Katalog der Äusftellung mit-
teilt, „ift in Nagybänya geboren, dort malte er
und dort ftarb er in feinem 20. Lebensjahre.
Einmal war er nur weg, in Rom, im Jahre 1905,
fcbon vom Siechtum geplagt. Von feinem Vater
— vom künftlerifch disponierten alten Tifchler-
meifter — erhielt er nebft demTalent dieSchwind-
fucht zur Erbfchaft. 34 Bilder find von ihm in
diefer Äusftellung zu fehen, alle mit 16—19 Jahren
gemalt. Zu den Spottpreifen von 10—40 Kronen
verkaufte er fie, um das für die Farben nötige
Geld aufzutreiben. Fremde Wirkungen haben
ihn nicht berührt. Sein malerifcher Inftinkt war
fo ftark und fein, wie derjenige der ftärkften
und feinften. Sein kurzes Leben war vom Malen
ganz erfüllt und beglückt. Im Februar des Jahres
1906, in einer dunklen Nacht, ftand er totkrank
auf, verlangte feine Kleider, weil ,die Sonne
fcheint und fein Motiv warte auf ihn“. Er fank
darauf müde zurück, die Agonie trat ein und
der Morgen fand ihn tot.“

Der Fall des jung verftorbenen, wahrhaft
genialen Malers kann mit Recht für die glän-
zendfte Äußerung der tiefen moralifchen Kraft
gehalten werden, die Nagybänya vor anderen
ungarifchen Kunftftätten auszeichnet. Mit diefer
Moral ausgerüftet, brachte Nagybänya feinerzeit
Stil in die jüngere ungarifche Kunft. Sie war
in Ungarn das erfte lebenfpendende Element der
modernften Beftrebungen; daraus entwickelte [ich
zum erften Male ein malerifches Gefühl, deffen
nationaler Charakter nicht zu leugnen ift. Aus
diefer moralifchen Kraft haben die Künftler ge-
fcböpft, die in Ungarn die größte Errungenfchaft
des Impreffionismus, die abfolute Konzentration
und Entfaltung der perfönlichen Energie inaugu-
riert hatten.

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