Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 4.1912
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20. Heft
DOI Artikel:Ausstellungen
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ÄUSSTELLUNGEN
kund. Der Gefamteindruck diefer das Wollen
und Streben der Neueften vorführenden Aus-
heilung aber bleibt doch der einer „tour de force“.
*
*
In der New Bond Street (51a) ift jeßt, unter
Mr. Francis Howard als Direktor, die aus
vier fehr eleganten, mit rotem Damaft behangenen
und gutbeleuchteten Sälen beftehende GROS-
VENOR GALLERY mit einer ausgefuchten Aus-
heilung moderner englifcher Bilder eröffnet wor-
den. Die ehemalige, 1877 gegründete, dann
1888 von der New Gallery abgelöfte Grosvenor
Gallery hatte einft Burne Jones Gelegenheit zur
Vorführung feiner Gemälde geboten, und fie
waren damals mit dem gleichen Auffchrei wie
jeßt die Poftimpreffioniften in den Grafton Gal-
leries empfangen worden. Die neue Grosvenor
Gallery fühlt mehr oder weniger „anerkannte“
Kunft vor. Ein Saal ift W. Greaves, dem
Whiftlerrivalen, gewidmet. Von W. Strang
fieht man eine Reihe kräftig eigener Werke. Der
verftorbene Landfehafter J. Buxton Knight ift
mehrfach vertreten. Von Orpen, dem Iren,
und dem kräftig zupackenden, hier faft alt—
meifterlich auftretenden Glyn Philpot finden
[ich zwei charakteriftifche, vielleicht ein ganz
klein wenig fchon an Manier anklingende Ge-
mälde. Der lange, helle Korridor eignet [ich
fehr gut für Schwarz-Weißblätter. Hier hängen
vor allem Paftelle ufw. von Muirhead Bone.
Die Grosvenor Gallery dürfte für das Londoner
Kunftleben von großer Bedeutung werden. F.
NEUENBURG Hier findet vom 15. Sep-
tember bis zum 15. November die XI. Natio-
nale Kunftausftellung der Schweiz ftatt.
Zum erftenmal hat diefer „Salon“ im transpor-
tablen Gebäude Plaß gefunden, das es nun auch
kleineren Städten erlaubt, diefe großen Aus-
heilungen, wenn nicht in fehr einladendem
äußeren Rahmen, fo doch fachlich annehmbar zu
beherbergen. Einige namhafte Künftler fehlen
allerdings, andere find nicht nachVerdienft ver-
treten, da eine Reihe von Sonderausftellungen
vieles für fich in Anfpruch nimmt (die Basler
Gruppe z. B., die einer franzöfifch-orientierten
Malerei huldigt, hat z. Z. bei Wolfensberger
in Zürich ausgeftellt, E. Bille in Laufanne; Weltis
Bilder find alle in Zürich vereinigt); dennoch
gibt die Nationale Ausftellung einen ganz guten
Begriff von den Hauptftrömungen der heu-
tigen fchweizer Malerei, von der Signatur der
Kraft, Einfachheit und lichten Farbenfreude, die
ihr im wefentlichen zukommt. Hodler lernte
man durch die Sonderausftellungen des leßten
Jahres wohl beffer kennen als gerade in Neuen-
burg, wo ihn immerhin neuere Frauenporträts
in einer Farbendelikateffe zeigen, die auch bei
ihm noch überrafcht und feffelt. Von der ftar-
ken Künftlerperfönlichkeit Hodlers gibt das rechte
Bild der große Kreis, den er um fich zieht, ohne
etwa eine eigentliche Schule zu pflegen. Es ift nur
erfreulich, daß fo viele junge Schweizer lernen
wollen und können von der Stilftrenge, Ein-
fachheit und Farbenklarheit des Meifters; die
Neuenburger Ausftellung zeigt wohl wie keine
andere den großen Einfluß Hodlers, aber auch
die Gefahr desfelben. Es follte fich mancher an
einem Max Buri ein Beifpiel nehmen; auch er
hat von Hodler und von Paris viel gelernt und
fich doch zu einer ganz eigenen Anfchauung und
Faktur durchgerungen; ein Burifaal in Neuen-
burg dokumentiert in erfreulichfter Weife die
charakteriftifche, ftilbildende Kraft Buris, fein
liebevolles Eingehen auf die Individualität feiner
ländlichen Modelle, fein immer fchärferes und
klareres Kompofitionsvermögen. G. Jeanneret,
dem ebenfalls ein befonderer Saal eingeräumt
ift, zeigt fich dem Problem der Eurhythmie, das
er im Hodlerfchen Sinne zu löfen fucht, nicht
gewachfen; die Eintönigkeit feiner großen Kom-
pofitionen beweift deutlich die Gefahren naher
Gefolgfchaft. — ln ihrer Eigenart immer reicher
und vertiefter erweifen fich Cardinaux, Boß,
Geiger, Fiechter; Wyler, Egger, Bolens, Prochaska
haben alle gute Qualitäten, denen nur ein Aus-
reifen nach der perfönlichen Seite hin zu wiin-
fchen ift. Von den Berner Vertretern einer ein-
fach-linear ftilifierenden Landfchaftskunft find
auch Senn und Brach hervorzuheben. Vallet
hat fich mit feinen kernigen Wallifer Bildern
einen guten Namen unter den Heimatkünftlern
gemacht, G. Giacometti, ein noch viel Ver-
sprechender, ift nicht charakteriftifch genug ver-
treten. Von Amiets impreffioniftifcher, ganz in
der Farbe lebenden Kunft ift ein typifches Bei-
fpiel ausgeftellt, auch von Würtembergers über-
legenem, wenn nicht immer ausgefprochen per-
fönlichem Können find gute Proben da. Aus
der welfchen Sdiweiz fei der malerifch kulti-
vierte Blanchet, der farbenfeine, oft kapriziöfe
Trachfel, der koloriftifch immer apparte Her-
manjat hervorgehoben. Ch. L’Eplattenier zeigt
fich in Wandfriefen als dekorativer Maler von
ehrlichen und ftarken Qualitäten, doch nicht als
Neuerer. Es feien noch die Münchner genannt,
die wie W. L. Lehmann und Wieland ihre ge-
fchätjten Vorzüge aufweifen, oder wie F. Oßwald
eine Vertiefung des Könnens und Empßndens
begrüßen laffen. Von den Baslern fei H. Müller
mit feiner großen griechifchen Landfchaft genannt,
Douze, der riefige Aktgruppen zu meiftern ver-
781
kund. Der Gefamteindruck diefer das Wollen
und Streben der Neueften vorführenden Aus-
heilung aber bleibt doch der einer „tour de force“.
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In der New Bond Street (51a) ift jeßt, unter
Mr. Francis Howard als Direktor, die aus
vier fehr eleganten, mit rotem Damaft behangenen
und gutbeleuchteten Sälen beftehende GROS-
VENOR GALLERY mit einer ausgefuchten Aus-
heilung moderner englifcher Bilder eröffnet wor-
den. Die ehemalige, 1877 gegründete, dann
1888 von der New Gallery abgelöfte Grosvenor
Gallery hatte einft Burne Jones Gelegenheit zur
Vorführung feiner Gemälde geboten, und fie
waren damals mit dem gleichen Auffchrei wie
jeßt die Poftimpreffioniften in den Grafton Gal-
leries empfangen worden. Die neue Grosvenor
Gallery fühlt mehr oder weniger „anerkannte“
Kunft vor. Ein Saal ift W. Greaves, dem
Whiftlerrivalen, gewidmet. Von W. Strang
fieht man eine Reihe kräftig eigener Werke. Der
verftorbene Landfehafter J. Buxton Knight ift
mehrfach vertreten. Von Orpen, dem Iren,
und dem kräftig zupackenden, hier faft alt—
meifterlich auftretenden Glyn Philpot finden
[ich zwei charakteriftifche, vielleicht ein ganz
klein wenig fchon an Manier anklingende Ge-
mälde. Der lange, helle Korridor eignet [ich
fehr gut für Schwarz-Weißblätter. Hier hängen
vor allem Paftelle ufw. von Muirhead Bone.
Die Grosvenor Gallery dürfte für das Londoner
Kunftleben von großer Bedeutung werden. F.
NEUENBURG Hier findet vom 15. Sep-
tember bis zum 15. November die XI. Natio-
nale Kunftausftellung der Schweiz ftatt.
Zum erftenmal hat diefer „Salon“ im transpor-
tablen Gebäude Plaß gefunden, das es nun auch
kleineren Städten erlaubt, diefe großen Aus-
heilungen, wenn nicht in fehr einladendem
äußeren Rahmen, fo doch fachlich annehmbar zu
beherbergen. Einige namhafte Künftler fehlen
allerdings, andere find nicht nachVerdienft ver-
treten, da eine Reihe von Sonderausftellungen
vieles für fich in Anfpruch nimmt (die Basler
Gruppe z. B., die einer franzöfifch-orientierten
Malerei huldigt, hat z. Z. bei Wolfensberger
in Zürich ausgeftellt, E. Bille in Laufanne; Weltis
Bilder find alle in Zürich vereinigt); dennoch
gibt die Nationale Ausftellung einen ganz guten
Begriff von den Hauptftrömungen der heu-
tigen fchweizer Malerei, von der Signatur der
Kraft, Einfachheit und lichten Farbenfreude, die
ihr im wefentlichen zukommt. Hodler lernte
man durch die Sonderausftellungen des leßten
Jahres wohl beffer kennen als gerade in Neuen-
burg, wo ihn immerhin neuere Frauenporträts
in einer Farbendelikateffe zeigen, die auch bei
ihm noch überrafcht und feffelt. Von der ftar-
ken Künftlerperfönlichkeit Hodlers gibt das rechte
Bild der große Kreis, den er um fich zieht, ohne
etwa eine eigentliche Schule zu pflegen. Es ift nur
erfreulich, daß fo viele junge Schweizer lernen
wollen und können von der Stilftrenge, Ein-
fachheit und Farbenklarheit des Meifters; die
Neuenburger Ausftellung zeigt wohl wie keine
andere den großen Einfluß Hodlers, aber auch
die Gefahr desfelben. Es follte fich mancher an
einem Max Buri ein Beifpiel nehmen; auch er
hat von Hodler und von Paris viel gelernt und
fich doch zu einer ganz eigenen Anfchauung und
Faktur durchgerungen; ein Burifaal in Neuen-
burg dokumentiert in erfreulichfter Weife die
charakteriftifche, ftilbildende Kraft Buris, fein
liebevolles Eingehen auf die Individualität feiner
ländlichen Modelle, fein immer fchärferes und
klareres Kompofitionsvermögen. G. Jeanneret,
dem ebenfalls ein befonderer Saal eingeräumt
ift, zeigt fich dem Problem der Eurhythmie, das
er im Hodlerfchen Sinne zu löfen fucht, nicht
gewachfen; die Eintönigkeit feiner großen Kom-
pofitionen beweift deutlich die Gefahren naher
Gefolgfchaft. — ln ihrer Eigenart immer reicher
und vertiefter erweifen fich Cardinaux, Boß,
Geiger, Fiechter; Wyler, Egger, Bolens, Prochaska
haben alle gute Qualitäten, denen nur ein Aus-
reifen nach der perfönlichen Seite hin zu wiin-
fchen ift. Von den Berner Vertretern einer ein-
fach-linear ftilifierenden Landfchaftskunft find
auch Senn und Brach hervorzuheben. Vallet
hat fich mit feinen kernigen Wallifer Bildern
einen guten Namen unter den Heimatkünftlern
gemacht, G. Giacometti, ein noch viel Ver-
sprechender, ift nicht charakteriftifch genug ver-
treten. Von Amiets impreffioniftifcher, ganz in
der Farbe lebenden Kunft ift ein typifches Bei-
fpiel ausgeftellt, auch von Würtembergers über-
legenem, wenn nicht immer ausgefprochen per-
fönlichem Können find gute Proben da. Aus
der welfchen Sdiweiz fei der malerifch kulti-
vierte Blanchet, der farbenfeine, oft kapriziöfe
Trachfel, der koloriftifch immer apparte Her-
manjat hervorgehoben. Ch. L’Eplattenier zeigt
fich in Wandfriefen als dekorativer Maler von
ehrlichen und ftarken Qualitäten, doch nicht als
Neuerer. Es feien noch die Münchner genannt,
die wie W. L. Lehmann und Wieland ihre ge-
fchätjten Vorzüge aufweifen, oder wie F. Oßwald
eine Vertiefung des Könnens und Empßndens
begrüßen laffen. Von den Baslern fei H. Müller
mit feiner großen griechifchen Landfchaft genannt,
Douze, der riefige Aktgruppen zu meiftern ver-
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